Gleichstellung im Arbeitsmarkt: Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation | WSI-Blog

Eine gerechte Transformation gelingt nur, wenn soziale Dienstleistungen gestärkt und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden.

Die sozial-ökologische Transformation ist eine doppelte Herausforderung: Einerseits muss der ökologische Umbau insgesamt realisiert werden, zudem muss dieser Umbau sozial gerecht gestaltet werden. Dabei ist die Geschlechtergerechtigkeit eine zentrale Dimension.

In ihrem Beitrag für den Blog des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) analysieren die Sachverständigen für den Vierten Gleichstellungsbericht Dr. Silke Bothfeld und Dr. Peter Bleses die Herausforderungen der sozial-ökologischen Transformation und verdeutlichen die zentrale Bedeutung des Arbeitsmarktes – insbesondere der sozialen Dienstleistungen.

„Der Arbeitsmarkt ist einer der Dreh- und Angelpunkte für das Gelingen einer (geschlechter-)gerechten ökologischen Transformation. Neben den großen Fragen, wie wir unseren Ressourcen- und Energieverbrauch neu justieren können, müssen wir auch Lösungen entwickeln, wie wir die Folgen dieses – nach der Mechanisierung, Industrialisierung und der Automatisierung und Digitalisierung erneuten – strukturellen Wandels des Arbeitsmarkts gestalten wollen. Im Sachverständigengutachten zum Vierten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung haben wir die Folgen der sozial-ökologischen Transformation für das Geschlechterverhältnis im deutschen Arbeitsmarkt untersucht. Unsere Erkenntnis: Wollen wir Gleichheit und Gerechtigkeit stärken, müssen wir sehr viel ‚tiefer‘ ansetzen, als wir uns bislang vorgestellt haben.“

 

Hier geht es zum Artikel auf der Webseite des WSI.

 

LABOR.A® 2025 – Geschlechtergerechte sozial-ökologische Transformation auf dem Arbeitsmarkt geht anders

Session auf der LABOR.A® 2025

Auf der diesjährigen LABOR.A® am 01.10.2025 nahm der Bereich Gleichstellungsberichte der Bundesstiftung Gleichstellung mit einer eigenen Session unter dem Titel „Geschlechtergerechte sozial-ökologische Transformation auf dem Arbeitsmarkt geht anders“.

Das Video der Session ist nun online auf der Seite der LABOR.A® abzurufen.

Teaser: Der Vierte Gleichstellungsbericht sieht die Gefahr, dass geschlechterbezogene strukturelle Ungleichheiten durch industrie- und technikzentrierte Transformationsstrategien verschärft werden. Im Fokus öffentlicher Debatten und staatlicher Maßnahmen stehen in erster Linie männerdominierte Branchen, wie die Strom-, Stahl- oder Automobilindustrie. Auswirkungen auf die Gleichstellung der Geschlechter in der Belegschaft werden kaum berücksichtigt. Soziale, oft frauendominierte, Dienstleistungen, etwa im Bereich von Bildung und Erziehung werden oft ganz vernachlässigt.

Wir nennen konkrete Gestaltungsansätze, wie wir aus einem verengten in ein weites Transformationsverständnis kommen: Gleichstellungsorientierte Ziele werden integraler Bestandteil der Umstellungsprozesse in emissionsintensiven Wirtschaftsbereichen. Gesellschaftlich notwendige Dienstleistungen werden als Game Changer anerkannt, weil Bildung, Erziehung und Soziales erst die Voraussetzungen für eine gelingende Transformation schaffen.

Referentinnen: Dr. Dorothea Voss, wissenschaftliche Leiterin am Institut Arbeit und Qualifikation; Dr. Zeynep Nettekoven, Dozentin für Wirtschaftswissenschaften an der Europäischen Akademie der Arbeit in der Universität Frankfurt am Main; Stefanie Geyer, Ressortleiterin Frauen und Gleichstellung IG Metall

Moderatorin: Dr. Ulrike Spangenberg, Leitung Bereich Gleichstellungsberichte der Bundesstiftung Gleichstellung

Zu weiteren Informationen auf der Webseite der LABOR.A® 2025.

Den Wandel gerecht gestalten – Gemeinsame Erklärung Bremen

Gemeinsame Erklärung von Arbeitnehmerkammer, DGB und Bremer Umwelt-, Wohlfahrts- und Sozialverbänden

„Die Klimakrise schreitet spürbar voran: Ein alarmierender Temperaturrekord folgt dem nächsten, Extremwetterereignisse häufen sich, und das Klimasystem nähert sich den sogenannten Kipppunkten, deren Überschreiten zu gravierenden Verschlechterungen der Lebensbedingungen führen und ganze Weltregionen unbewohnbar machen könnten. Der Klimawandel verschärft soziale Ungleichheit, beschleunigt das Artensterben, zerstört die Grundlagen des Wirtschaftens und hat spürbare Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden. Wirksamer Klimaschutz gehört daher ganz weit oben auf die politische Agenda, weltweit, aber auch bei uns in Deutschland und Bremen.“ (Gemeinsame Erklärung, S. 1)

Im Rahmen der Bremer Transformationskonferenz am 19. September 2025 veröffentlichte die Arbeitnehmerkammer Bremen gemeinsam mit dem DGB sowie elf Bremer Umwelt-, Wohlfahrts- und Sozialverbänden eine gemeinsame Erklärung unter dem Titel „Den Wandel gerecht gestalten“. Darin fordern die Unterzeichner*innen eine Transformation, die sowohl ökologische als auch soziale Dimensionen umfasst, um die Lebensqualität für alle zu verbessern und den allgemeinen Wohlstand langfristig zu sichern.

Die Erklärung betont, wie wichtig es ist, die Bremer Klimaziele bis 2038 einzuhalten. Dies beinhalte unter anderem die konsequente und mitbestimmte Dekarbonisierung der bremischen Industrie und die Stärkung der Weiterbildungskultur sowie des Arbeitsschutzes in allen Betrieben.

Darüber hinaus wird gefordert, dass die Maßnahmen aus dem Aktionsplan Klimaschutz und aus der neuen Klimaanpassungsstrategie sowie auch bundespolitische Maßnahmen regelmäßig auf ihre sozialen Auswirkungen und ihre Effekte auf gesundheitliche Chancengleichheit überprüft werden. Die unterschiedlichen Auswirkungen der Klimapolitik auf die Geschlechter sollen außerdem mit dem Einsatz von Gender-Budgeting sichtbar gemacht und gesteuert werden. Die Autor*innen empfehlen zudem ein sozial gestaffeltes Klimageld und neue Förderinstrumente für die Energie-, Verkehrs- und Wärmewende, die auch einkommensarme Haushalte in den Blick nehmen. Maßnahmen für die Klimaanpassung von Unternehmen der Sozialwirtschaft dürften nicht aus den Sozialetats von Ländern und Kommunen geleistet werden, sondern aus den Förderprogrammen des Bundes.

 

Die Gemeinsame Erklärung auf der Webseite der Arbeitnehmerkammer Bremen

Dokumentation der Konferenz auf der Webseite der Arbeitnehmerkammer

Workshop „Sozial-ökologische Transformation in Kommunen gestalten“

Welche Möglichkeiten gibt es Klimaschutz auf kommunaler Ebene geschlechtergerecht zu gestalten?

Die Bundesstiftung Gleichstellung veranstaltete am 18. und 19. September 2025 einen Fachtagung zu ihrem Fokusbereich Strukturwandelregionen.

Unter dem Titel „In guter Gesellschaft?! Gleichstellungspolitische Chancen und Herausforderungen in Strukturwandelregionen“ diskutierten 75 Teilnehmende aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wissenschaft über Umsetzung, Gelingensbedingungen und Herausforderungen von Gleichstellung im Kontext von Strukturwandelprozessen (Tagungsdokumentation auf der Seite der Bundesstiftung).

Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung sind ein Treiber von Strukturwandel. Strukturwandel ist damit unmittelbar verknüpft mit der sozial-ökologischen Transformation. Ein Workshop beschäftigte sich daher auf Basis des Vierten Gleichstellungsberichts mit den Möglichkeiten Klimaschutz geschlechtergerecht zu gestalten. Da Klimaschutz häufig kommunal umgesetzt werden muss, wurde in dem Workshop die kommunale Ebene angesprochen.

Der Workshop „Sozial-ökologische Transformation in Kommunen gestalten: Gleichstellung und Klimapolitik zusammendenken“, moderiert von Dr. Johanna Storck, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Bundesstiftung Gleichstellung, beleuchtete, wie Maßnahmen der Klimapolitik geschlechtergerecht gestaltet und Kooperationen zwischen Gleichstellungs- und Klimaschutzakteur*innen auf kommunaler Ebene gestärkt werden können.

Dazu stellte Pat Bohland von LIFE e.V. das Projekt Gender Mainstreaming für kommunalen Klimaschutz vor. Ziel ist es, bestehende Klimaschutzmaßnahmen in den teilnehmenden Kommunen geschlechtergerecht weiterzuentwickeln und kommunale Mitarbeitende für Gender Mainstreaming zu sensibilisieren. In 15 Modellkommunen werden dafür konkrete Maßnahmen erprobt, z. B. in den Bereichen Mobilität, Energie oder Fachkräftesicherung. Unterstützt werden die Beteiligten durch Materialien wie Checklisten, Kommunikationsleitfäden oder ein Gender Impact Assessment Tool. Beim Workshop stellten Mitarbeitende aus dem Klimaschutzmanagement dreier Modellkommunen ihre Maßnahmen und Erfahrungen mit dem Projekt vor. Sina Englert (Klimaschutzmanagement, Stadt Rüsselsheim), Lina-Luise Hölter (Klimaberatungszentrum, Stadt Oldenburg) und Simone Krischke (Referat für Klima- und Umweltschutz, Landeshauptstadt München) berichteten von ihrer Arbeit in der Stadtverwaltung.

Die Vorstellung der Maßnahme aus der Stadt Oldenburg fokussierte sich darauf, wie das Informationsangebot zu Altbausanierungen neugestaltet wurde. Dazu führte LIFE e.V. ein Gender Training vor Ort durch. Eine zentrale Erkenntnis aus dem Training war, dass Informationen alltagsnah, niedrigschwellig und zielgruppenspezifisch aufbereitet sein müssen – etwa für Menschen mit Sorgeverantwortung. Vorträge nur für Frauen, neue Anspracheformate und dezentrale Veranstaltungsorte sollen helfen, mehr Menschen zu erreichen.

Die in Rüsselsheim durchgeführte Maßnahme des „klimaTischs“ bezweckt, durch verschiedene Veranstaltungsformate rund um Nachhaltigkeit, wie einem Kleidertausch oder einem Klima-Café, einerseits über Klimaschutz und Umweltbewusstsein zu informieren. Als Nebeneffekt ist beabsichtigt, dadurch verschiedene Menschen, unabhängig von Geschlecht, Alter oder anderer Merkmale, zusammenzubringen und so den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

Bei der Vorstellung der Münchner Maßnahmen (einem integrierten Quartiersansatz und einem Runden Tisch zur Fachkräftesicherung) ging es vor allem darum zu zeigen, wie in einer derart großen Verwaltung eine übergreifende Vernetzung der verschiedenen Akteur*innen gelingen kann. Mehrere mit dem Thema Klimaschutz, Klimaanpassung und Gleichstellung befasste Referate und Personen galt es zu vernetzen, für eine querschnittliche Berücksichtigung dieser Themen zu sensibilisieren und damit die übergreifende Zusammenarbeit zu stärken.

Erste Ergebnisse des übergreifenden LIFE e.V.-Projekts zeigen, dass geschlechtergerechte Klimapolitik lokal insbesondere dort Wirkung entfalten kann, wo sie die Lebensrealitäten der Menschen vor Ort – etwa in Sorge- oder Erwerbsarbeit – mitdenkt. Deutlich wurde aber auch: Die kommunalen Teams sind oft stark belastet, und die gemeinsame Bearbeitung von Querschnittsthemen wie Gleichstellung und Klima braucht neben persönlichem Engagement der Teams auch ausreichende Ressourcen.

Betroffenheit von Frauen durch Klimawandel völkerrechtlich anerkannt

Friedenspalast in Den Haag, Sitz des Internationalen Gerichtshofs

Der Internationale Gerichtshof (IGH) der Vereinten Nationen veröffentlichte am 23. Juli 2025 sein Gutachten zu staatlichen Verpflichtungen zum Schutz gegen den Klimawandel. Die besondere Betroffenheit von Frauen und anderen strukturell benachteiligten Gruppen durch den Klimawandel fand auch Einzug in diese Meilensteinentscheidung. Das Gutachten macht deutlich: Staaten müssen nicht nur Maßnahmen ergreifen – sie müssen diese im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen auch mit Rücksicht auf vulnerable Gruppen und geschlechtergerecht gestalten.

„The Court therefore considers that the enjoyment of human rights by such groups is at risk of being affected by the adverse effects of climate change.“

Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 23.07.2025, Randnummer 384

Bestimmte Gruppen, darunter Frauen, Kinder, Indigene und andere vulnerable Gruppen, seien gefährdet, in ihren Menschenrechten von den negativen Auswirkungen des Klimawandels eingeschränkt zu werden. So lautet ein Ergebnis des obersten Rechtsprechungsorgans der Vereinten Nationen in seinem Gutachten („Obligations of States in Respect to Climate Change, 23 July 2025, Advisory Opinion“). Mit diesem Satz unterstreicht der IGH den Befund des Vierten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung: Gleichstellungs- und Klimapolitik muss zusammengedacht werden.

Ein klimapolitischer Durchbruch

Im März 2023 beauftragte die Generalversammlung der Vereinten Nationen den internationalen Gerichtshof mit der Beantwortung mehrerer Fragen zur Rolle von Staaten im Kampf gegen den Klimawandel (Resolution der UN-Generalversammlung Nummer 77/276 vom 29.03.2023). Die Initiative dazu kam vor allem von Bewohner*innen der Insel Vanuata, die infolge des Klimawandels gefährdet ist.

Kernaussage des Rechtsgutachtens ist, dass völkerrechtliche Verträge, wie das Pariser Klimaabkommen, die Staaten dazu verpflichten, die Umwelt zu schützen. Ansonsten sei die Ausübung der Menschenrechte gefährdet. Im Rechtsgutachten wird das Recht auf saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt anerkannt, welches nötig sei, um andere menschenrechtliche Verpflichtungen zu erfüllen. Ein Verstoß gegen diese Schutzpflicht stelle eine völkerrechtswidrige Handlung dar. Daher lösen solche Verletzungen rechtliche Konsequenzen aus. Wie diese konkret ausgestaltet werden, ob es beispielsweise Schadensersatz oder andere Ausgleichsmaßnahmen gibt, hänge jedoch vom Einzelfall ab.

Unverbindlich – und doch wirkungsvoll

Ein solches Gutachten des IGH stellt in erster Linie die Rechtsansicht des Gerichtshofs zu der konkreten Frage dar. Staaten sind daran nicht direkt gebunden. Trotz der mangelnden Durchsetzbarkeit hat das Gutachten dennoch Wirkung. Es besteht von nun an Klarheit, wie die völkerrechtlichen Verträge zu verstehen sind. Diese Rechtsansicht kann wiederum in nationale – und damit durchsetzbare – Rechtsprechung Einzug finden. Weiteren Klimaklagen kann so zu mehr Erfolg verholfen werden.

Gleichstellungspolitische Aussagen des IGH-Gutachtens

Der Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation“, enthält die Kernaussagen, dass erstens der Klimawandel Frauen und andere strukturell benachteiligte Menschen besonders hart trifft. Zweitens müssen die Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels geschlechtergerecht ausgestaltet sein. Beides bestätigt nun der IGH.

In der Präambel des Rechtsgutachtens nennt der IGH explizit die Rechte von Frauen, Kindern und Indigenen bei der Aufzählung der relevanten völkerrechtlichen Verpflichtungen. Die Notwendigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und die Rolle der Frau zu stärken, findet sich im Gutachten auch an dieser Stelle.

Bei der Prüfung, ob der Klimawandel die Menschenrechte beeinträchtigt, legt der IGH einen besonderen Fokus auf Frauen, Kinder und indigene Gruppen. Der IGH beruft sich bei seiner rechtlichen Analyse vor allem auf das Pariser Klimaabkommen. Darin erkennen die Vertragsstaaten an, dass die Staaten bei Maßnahmen zum Klimaschutz Rücksicht auf unter anderem Geschlechtergleichheit nehmen müssen. Staaten sind laut Pariser Abkommen verpflichtet bei Maßnahmen einen geschlechtergerechten Ansatz (gender-responsive approach) zu verfolgen – so auch zitiert vom IGH.

Auch das vom IGH erwähnte Komitee gegen Diskriminierung von Frauen (CEDAW) formuliert den konkreten Anspruch, dass Klimaanpassungsmaßnahmen im Einklang mit den menschenrechtlichen Prinzipien wie Gleichstellung, Teilhabe, Selbstbestimmung, Transparenz und Rechtsstaatlichkeit auszugestalten seien. Letztlich zieht der IGH mehrere Befunde des Weltklimarats (IPCC) heran, wonach Frauen und indigene Gruppen von Folgen des Klimawandels in besonderem Maße betroffen sind. All diese Argumente münden dann im Befund: Bestimmte Personen, darunter Frauen, sind durch den Klimawandel in ihren Menschenrechten gefährdet.

Gutachten – und nun?

Wenn auch die Erwähnung geschlechterspezifischer Auswirkungen des Klimawandels innerhalb des Gutachtens im Verhältnis zum Gesamttext knapp bleibt, ist sie dennoch deutlich: Die Staaten müssen im Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen Maßnahmen ergreifen. Diese Maßnahmen müssen auch derart gestaltet werden, dass Menschenrechte, zum Beispiel von Frauen und anderen strukturell benachteiligten Menschen, nicht gefährdet werden.

In Zeiten, in denen Pushbacks gegen sowohl Klimaforschung als auch Gleichstellungspolitik zunehmen, ist das Gutachten in der Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die Verbindung von Klimawandel und Geschlecht sowie weiteren strukturellen Ungleichheiten wird vom IGH gesehen und bestätigt.

Das IGH-Gutachten zum Nachlesen

Podcast: Was hat Gleichberechtigung mit dem Klimawandel zu tun?

Akademie fürs Ohr: Episode 29 mit Giulia Mennillo

Die Auswirkungen des Klimawandels sind unübersehbar und eine gerechte, sozial-ökologische Transformation ist dringlicher denn je. Der im März 2025 veröffentlichte Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zeigt deutlich die Gleichstellungsrelevanz dieses Themas: Der Klimawandel trifft Frauen, einkommensarme und andere strukturell benachteiligte Menschen besonders stark. Was also muss getan werden? Und wie können die Handlungsempfehlungen des Gleichstellungsberichts umgesetzt werden?

In dieser Podcast-Folge der Akademie für Politische Bildung Tutzing blicken Giulia Mennillo und Anna Berchtenbreiter auf die Tagung „Geschlechtergerechtigkeit in der sozial-ökologischen Transformation“ zurück. Mithilfe ausgewählter Vortragsmitschnitte gehen sie der Frage nach: Was hat Gleichberechtigung mit dem Klimawandel zu tun? Im Fokus steht dabei der Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und die Handlungsempfehlungen für den Arbeitsmarkt.

Podcast auf der Webseite der Akademie für Politische Bildung Tutzing

HLPF2025 – Der freiwillige Staatenbericht Deutschlands

Die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie und der deutsche Staatenbericht zum HLPF 2025 weisen auf die Empfehlungen des Vierten Gleichstellungsberichts hin. Jetzt kommt es darauf an, die Empfehlungen auch zu berücksichtigen.

In der zweiten Woche tagt das HLPF auf ministerieller Ebene unter dem Titel „From Silos to Solidarity“. Aus Deutschland sind unter anderem Dr. Bärbel Kofler, Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ sowie Rita Schwarzelühr-Sutter, Parlamentarische Staatssekretärin im BMUKN angereist. Zudem ist die deutsche Delegation durch Bundestagsabgeordnete der CDU/CSU, der Grünen und der Linken sowie weitere zivilgesellschaftliche Akteur*innen, u. a. von UN Women angewachsen.

Bereits in der Auftaktveranstaltung betont u. a. der Generalsekretär der Vereinten Nationen (VN), Antonio Guterres, die Bedeutung von Geschlechtergleichstellung für die Realisierung aller Nachhaltigkeitsziele. Auch der Entwurf der Ministeriellen Erklärung, der am Mittwoch abgestimmt werden soll, beinhaltet trotz zunehmenden Widerstands – die Verpflichtung, sich für die umfassende Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung von Frauen und Mädchen einzusetzen.

Nachdem sich die USA zunehmend aus den Vereinten Nationen zurückziehen, spielen Europa und auch Deutschland eine zunehmend wichtigere Rolle, auch weil Annalena Baerbock ab September Präsidentin der UN-Vollversammlung wird. Umso erfreulicher die Aussage von Staatssekretärin Dr. Bärbel Kofler im Rahmen eines Panels: „Let´s Push back the Push back“.

Deutschland stellte am Dienstag, den 22. Juli 2025, seinen dritten Staatenbericht (Voluntary National Report – VNR) vor dem Sozial- und Wirtschaftsausschuss der UN vor.

Der VNR hebt Kernelemente der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie (DNS) hervor und geht beispielhaft auf Maßnahmen und Herausforderungen in verschiedenen Transformationsbereichen ein, z. B. menschliches Wohlergehen und soziale Gerechtigkeit, Kreislaufwirtschaft, Energiewende und Klimaschutz, Ernährungssysteme oder nachhaltige Mobilität. Eine Besonderheit des deutschen VNR ist die breite Beteiligung von Vertreter*innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Ländern und Kommunen sowie junger Menschen, die auch bei der Vorstellung des Staatenberichts zu Wort kommen. Anders als bei den letzten Berichten soll es allerdings kein Grußwort des amtierenden Kanzlers geben.

Die in der DNS und im VNR benannten Bereiche betreffen viele der im Vierten Gleichstellungsbericht thematisierten Handlungsfelder. In der DNS selbst ist Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe verankert, wird aber bislang nur in wenigen Transformationsbereichen explizit berücksichtigt. Gleichzeitig sollen die Empfehlungen des Vierten Gleichstellungsberichts in die Umsetzung der DNS einfließen. Der VNR weist ausdrücklich auf die Empfehlungen zu den institutionellen Mechanismen hin (Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe, geschlechterdifferenzierte Folgenabschätzung, Gender Budgeting), um Gleichstellung in Umwelt und Klimapolitik zu integrieren.

Weiterführende Links:

Das #HLPF2025 tagt in New York

Die Gleichstellung der Geschlechter muss vom Ziel zur täglichen Realität werden: national und global

In New York tagt seit Montag das High Level Political Forum für Nachhaltige Entwicklung (#HLPF2025) der Vereinten Nationen, zuständig für die Überprüfung und Berichterstattung zur Umsetzung der Agenda 2030 und der darin vereinbarten 17 Nachhaltigkeitsziele (SDGs). Kommende Woche stellt Deutschland seinen dritten freiwilligen Staatenbericht vor.

Teil der deutschen Delegation aus Zivilgesellschaft, Verwaltung, Wirtschaft und Politik ist Dr. Ulrike Spangenberg, Leitung des Bereiches Gleichstellungsberichte der Bundesstiftung Gleichstellung, denn ein Fokus der diesjährigen Sitzung ist die Gleichstellung der Geschlechter (SDG 5).

Am Ende des achttägigen Treffens soll eine einvernehmliche Erklärung aller Mitgliedsstaaten stehen, die zeigt, wie die Ziele der Agenda bezüglich Gesundheit, Geschlechtergleichstellung, oder menschenwürdiger Arbeit bis 2030 tatsächlich noch zu realisieren sind.

Fakt ist: es gibt noch viel zu tun. Das gilt insbesondere für SDG 5. Beispielsweise sind Frauen in Entscheidungs- und Führungspositionen mit einem von fünf Parlamentssitzen und einem Drittel aller Führungspositionen weltweit unterrepräsentiert. Nur 26 % der Staaten, die die Agenda 2030 unterzeichnet haben, verfügen über Mechanismen für eine geschlechtergerechte Verwendung öffentlicher Gelder. Eine von drei Frauen hat physische oder sexualisierte Gewalt erlebt.

Krisen, wie der Klimawandel, treffen marginalisierte Menschen, darunter Frauen, bedingt durch bestehende strukturelle Ungleichheiten härter.

In Deutschland ist der Anteil von weiblichen Abgeordneten im Bundestag sogar rückläufig. Auf Bundesebene fehlen effektive Mechanismen für eine gleichstellungsorientierte Erhebung und Verwendung staatlicher Gelder. In Deutschland wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von physischer und/oder sexualisierter Gewalt. Und auch in Deutschland laufen die auf neue Technologien und Industrien fokussierenden Klimapolitiken Gefahr, geschlechtsbezogene Ungleichheiten zu verstärken.

Die bisherige Berichterstattung vor dem Wirtschafts- und Sozialrat hat deutlich gezeigt, dass die Mehrheit der Mitgliedsstaaten hinter der Agenda 2030 steht und diese nicht ohne Geschlechtergleichstellung zu realisieren ist. Dafür braucht es u. a.:

  • Integrierende Perspektiven und institutionelle Mechanismen, die dafür sorgen, dass Gleichstellung in allen Handlungsfeldern berücksichtigt wird
  • Gesetze und Strategien, die Diskriminierung verhindern und eine substantielle Gleichstellung aller Geschlechter voranbringen
  • Geschlechterdifferenzierte, intersektional aufbereitete Daten, um Handlungsbedarfe und Wirkungen aufzuzeigen
  • Schutz vor geschlechtsbezogener Gewalt und Gewährleistung reproduktiver Rechte als grundlegende Menschenrechte
  • Repräsentation aller Geschlechter in Entscheidungsgremien und Führungspositionen, um diverse Perspektiven und demokratische Partizipation zu gewährleisten
  • Staatliche Investitionen in öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur, die u. a. die gerechte Verteilung von Sorgearbeit unterstützt

Die Gleichstellung der Geschlechter muss vom Ziel zur täglichen Realität werden: national und global.

 

Weiterführende Links und Informationen:

Sommerempfang der Bundesstiftung Gleichstellung im Juli 2025

Der Bereich Gleichstellungsberichte beim Sommerempfang

Am bislang heißten Tag des Jahres, dem 2. Juli 2025, konnten Interessierte beim Sommerempfang der Bundesstiftung Gleichstellung einen Blick hinter die Kulissen werfen und neben den Räumlichkeiten auch das Team der Stiftung kennenlernen.

Die Gäste konnten nicht nur durch die verschiedenen Gleichstellungsberichte blättern, sondern einen Eindruck gewinnen, wie der Vierte Gleichstellungsbericht zum Thema „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation“ zustande kam. Gerade die Temperaturen führten zu angeregten Gesprächen rund um das Thema Klimawandel und sozial-ökologische Transformation. Die Illustration der Themenschwerpunkte des Vierten Gleichstellungsbericht, die die Auswirkungen von globalen Klimaschäden für Mensch und Planet deutlich macht, regte zum Nachdenken an.

Ein Highlight im Bereich Gleichstellungsberichte war die Darstellung der diversen Handlungsfelder des Vierten Gleichstellungsberichts inklusive der dazugehörigen Kernbotschaften. Das Publikum konnte sich einen Überblick über den Inhalt des aktuellen Berichtes verschaffen und die Spannbreite der abgedeckten Themen kennenlernen.

Die Kernbotschaften luden zu Gesprächen und Nachfragen mit den Teammitgliedern ein. Daraus ergaben sich sowohl spannende Impulse zum Vierten Gleichstellungsbericht als auch Anregungen für zukünftige Gleichstellungsberichte. Einige dieser Aha-Momente wurden auf der Pinnwand festgehalten.

Zeitgleich konnten die Besucher*innen sich auch über die anderen Bereiche der Bundesstiftung Gleichstellung informieren – etwa über den Bereich Wissen, Beratung, Innovation oder den Bereich Gleichstellungs-Check, der seine neue Webseite vorstellte.

Nach diesem Kennenlernen der einzelnen Bereiche der Bundesstiftung war ein Höhepunkt des Sommerempfangs das gemeinsame Gespräch zwischen dem Direktorium, Lisi Maier und Dr. Arn Sauer, und der Bundesgleichstellungsministerin und Stiftungsratsvorsitzenden Karien Prien. Die Bundesministerin stand auch im Anschluss für einen weitergehenden Austausch zur Verfügung.

Wir danken allen Teilnehmenden herzlich für Ihre Teilnahme und die zahlreichen anregenden Gespräche!

Zum Rückblick auf der Webseite der Bundesstiftung Gleichstellung.

GFMK begrüßt den Vierten Gleichstellungsbericht

Der Vierte Gleichstellungsbericht auf der 35. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder

Am 26. und 27. Juni 2025 tagte die 35. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) in Essen. Mit auf der Tagesordnung stand ein Antrag des Saarlandes zum Vierten Gleichstellungsbericht, der mehrheitlich ohne Gegenstimmen angenommen wurde.

Frauen, einkommensarme und andere strukturell benachteiligte Menschen besonders stark betroffen

Die GFMK bekräftigt die Erkenntnisse des Berichts, dass einkommensarme und andere strukturell benachteiligte Menschen besonders stark vom Klimawandel betroffen sind. Darüber hinaus erkennt sie an, dass die Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel mit unterschiedlich hohen Belastungen und Gestaltungsmöglichkeiten für die Geschlechter verbunden sind. Die GFMK unterstützt die Forderung, dass staatliche Institutionen und alle relevanten Akteur*innen eine gerechte Verteilung der Chancen und Lasten der Transformation sicherstellen müssen.

Gleichstellung als Querschnittsthema

Im zweiten Beschlusspunkt wird betont, dass Gleichstellungsaspekte in Transformationsprozessen zu beachten auch bedeutet Gleichstellung als Querschnittsthema in allen Handlungsfeldern zu berücksichtigen. Die GFMK bekräftigt frühere Beschlüsse (TOP 12.1. der 31., TOP 9.1 der 32. sowie TOP 5.2. der 33. GFMK) und fordert, dass Gender Mainstreaming sowohl bei der Umsetzung von klimapolitischen Maßnahmen als auch in der Mobilitäts- und Verkehrsplanung mit einbezogen wird.

Weiterentwicklung der Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung

Im dritten Beschlusspunkt spricht sich die GFMK dafür aus, dass die Bundesregierung ihre Gleichstellungsstrategie weiterentwickelt, insbesondere in Hinblick auf die Handlungsfelder des Vierten Gleichstellungsberichts – und mit einem ressortübergreifenden Verständnis. Im Zuge dessen sollte sich die Bundesregierung laut GFMK mit den Handlungsempfehlungen des Berichtes im Einzelnen befassen und die entsprechenden Handlungsfelder des Vierten Gleichstellungsberichts bearbeiten. Die Bundesstiftung Gleichstellung soll der Bundesregierung bei der Umsetzung beratend und unterstützend zur Seite stehen. Im Rahmen dessen spricht sich die GFMK auch für eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung der Stiftung aus.

Messung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Maßnahmen

Desweiteren bittet die GFMK die Bundesregierung, bestehende oder geplante Prüf- und Kontrollinstrumente wie Monitoring-Mechanismen und gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung so zu nutzen, dass die geschlechtsspezifischen Auswirkungen von Maßnahmen in den relevanten Handlungsfeldern der Transformation überprüft und gemessen werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass geschlechterdifferenzierte Daten zu den Handlungsfeldern des Vierten Gleichstellungsberichts bundeseinheitlich erfasst, zur Verfügung gestellt und entsprechende Indikatoren entwickelt werden.

Klare Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten

Abschließend bittet die GFMK die zuständigen Fachminister*innenkonferenzen, den Vierten Gleichstellungsbericht zur Kenntnis zu nehmen und gleichstellungspolitische Ansätze in ihren Fachpolitiken zu verankern. Die GFMK fordert die Minister*innen dazu auf, in ihrer Verantwortung gleichstellungspolitische Maßnahmen aktiv zu verfolgen und umzusetzen.

Link zum vorläufigen Protokoll der 35. GFMK.

Bundeskabinett beschließt Vierten Gleichstellungsbericht

Am 12.03.2025 hat das Bundeskabinett die Stellungnahme der Bundesregierung zum Vierten Gleichstellungsbericht „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation“ beschlossen.

Die Bundesregierung weist in ihrer Stellungnahme auf die Bedeutung der Gleichstellungsberichte als ein wichtiges Instrument für die Weiterentwicklung einer geschlechtergerechten und fortschrittsorientierten Politik hin. Der jetzt vorliegende Bericht leiste eine fundierte Analyse der gleichstellungspolitischen Situation im Rahmen aktueller transformativer Prozesse und biete einen Ausgangspunkt für die politische Diskussion gleichstellungspolitischer Handlungsbedarfe und Handlungsoptionen.

Die von den Sachverständigen formulierten Handlungsempfehlungen zeigten Ansätze für eine aktive, partizipatorische Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation unter Berücksichtigung von Gleichstellungsaspekten und Nachhaltigkeitsprinzipien. Das Gutachten zeige außerdem, dass für eine geschlechtergerechte sozial-ökologische Transformation eine ressortübergreifende Politikgestaltung über alle Handlungsfelder hinweg unerlässlich ist. Insgesamt stelle das Sachverständigengutachten mit seinen Handlungsempfehlungen einen wichtigen Beitrag in der weiteren Diskussion der sozial-ökologischen Transformation dar.

Das Gutachten wurde erst nach der Bundestagswahl im Kabinett beschlossen. Daher nimmt die Bundesregierung zu einzelnen Handlungsempfehlungen des Gutachtens keine Stellung. Dabei sei weder von einer Zustimmung noch einer Ablehnung auszugehen.

Das Gutachten und die Stellungnahme werden als Bundestagsdrucksache veröffentlicht und Bundestag und Bundesrat vorgelegt.

Aktuelle Meldung des BMFSFJ

Bundestags-Drucksache 20/15105

Frauentagsfrühstück im BMFSFJ zum Vierten Gleichstellungsbericht

Lisa Paus: Nur mit einer starken Gleichstellungspolitik können wir eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft gestalten!

Bei einem Frauentagsfrühstück mit der Bundesfrauenministerin Lisa Paus stellte Prof. Dr. Silke Bothfeld das Gutachten zum Vierten Gleichstellungsbericht vor.

Die Analysen und Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission wurden mit 50 gleichstellungspolitischen Akteur*innen aus der Zivilgesellschaft an Thementischen diskutiert.  Dabei ging es unter anderem um die Frage, wie die Erkenntnisse und Empfehlungen des Gutachtens in die Arbeit der künftigen Bundesregierung einfließen können.

Im Rahmen ihres Grußworts betonte Ministerin Lisa Paus, dass eine nachhaltige Zukunft nur dann möglich ist, wenn Klima- und Gleichstellungspolitik gemeinsam gedacht werden. „Geschlechtergerechtigkeit muss in alle Maßnahmen des sozial-ökologischen Wandels integriert werden. Nur mit einer starken Gleichstellungspolitik können wir eine gerechte und zukunftsfähige Gesellschaft schaffen!“, so die Ministerin.

Mehr zum Frauentagsfrühstück auf der Seite des BMFSFJ

Gutachten für den Vierten Gleichstellungsbericht veröffentlicht

Gutachten für den Vierten Gleichstellungsbericht am 3. März 2025 veröffentlicht

Nach knapp zwei Jahren intensiver Arbeit wurde heute das Gutachten für den Vierten Gleichstellungsbericht „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation“ veröffentlicht.

Die für das Gutachten verantwortliche elfköpfige Sachverständigenkommission wurde im März 2023 durch die Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Lisa Paus berufen. Im Januar 2025 haben die Sachverständigen das Gutachten an die Ministerin übergeben.

Das Gutachten zeigt, dass der Klimawandel strukturell benachteiligte Gruppen wie Frauen und Menschen mit geringem Einkommen besonders hart trifft. Frauen sind etwa durch ungleiche Geschlechterverhältnisse bei der Sorgearbeit, als Arbeitnehmerinnen in der Pflege oder in ihrer Gesundheit bei großer Hitze besonders belastest. Aktuelle Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen berücksichtigen geschlechterspezifische Ungleichheiten bisher zu wenig.

Mit dem Gutachten der Sachverständigen und den zahlreichen Expertisen und Hintergrundpapieren, die die Sachverständigen beauftragt haben, liegen vielfältige Erkenntnisse und Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation vor. Dieses Wissen findet nun hoffentlich in Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft Beachtung. Der Bereich Gleichstellungsberichte in der Bundesstiftung Gleichstellung wird diesen Prozess mit Informationen auf der Webseite, Vorträgen und Publikationen unterstützen.

Ein Informationsblatt gibt einen Überblick über die Inhalte des Gutachtens.

Auf der Webseite werden künftig Informationen zum Vierten Gleichstellungsbericht sowie zu allen vorherigen Gleichstellungsberichten zur Verfügung stehen. Auch die im Rahmen der Gleichstellungsberichte erstellten Expertisen, Hintergrundpapiere und Themenblätter können heruntergeladen werden.

Gutachten zum Download

Pressemitteilung vom 3. März 2025

Vierter Gleichstellungsbericht

Sachverständigenkommission übergibt Gutachten zum Vierten Gleichstellungsbericht an die Bundesregierung

Wie kann die sozial-ökologische Transformation geschlechtergerecht gestaltet werden? Diesem Thema widmet sich der Vierte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Am 7. Januar 2025 hat die Sachverständigenkommission ihr Gutachten „Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation“ an Bundesministerin Lisa Paus übergeben.

Brigitte Wotha, Silke Bothfeld, Peter Bleses, Bundesministerin Lisa Paus, Ulrike Röhr, Gülay Çağlar, Melanie Jaeger-Erben, Immanuel Stieß
Sachverständigenkommission des Vierten Gleichstellungsberichts, Übergabe des Gutachtens an Bundesgleichstellungsministerin Lisa Paus am 7. Januar 2025

Das Gutachten analysiert insbesondere die geschlechterspezifischen Auswirkungen des Klimawandels und der darauf reagierenden Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen und formuliert auf dieser Basis Handlungsempfehlungen.

Prof. Dr. Silke Bothfeld, Professorin für Internationale Wirtschafts- und Sozialpolitik und Arbeitsbeziehungen an der Hochschule Bremen und Vorsitzende der Sachverständigenkommission des Vierten Gleichstellungsberichts: „Der Klimawandel und seine Folgen sind gleichstellungsrelevant! Als Sachverständigenkommission des Vierten Gleichstellungsberichts haben wir mit ‚Gleichstellung in der sozial-ökologischen Transformation‘ ein Zukunftsthema bearbeitet, das in Deutschland bislang nicht ausreichend für die Gleichstellungspolitik ausgestaltet ist. Es ist uns daher ein Anliegen, die geschlechterspezifischen Auswirkungen des Klimawandels sichtbar zu machen und Handlungsempfehlungen für eine geschlechtergerechte Transformation zu entwickeln, die unterschiedlichste Lebensbereiche betrifft und in den kommenden Jahren immer stärker betreffen wird.“

Die Sachverständigenkommission hat das Gutachten als Bestandteil des Vierten Gleichstellungsberichts erstellt. Der unabhängigen und ehrenamtlich arbeitenden Kommission gehören Sachverständige an, die sich aus unterschiedlichen disziplinären Perspektiven (Sozial-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften, Geografie, Ingenieurwesen) mit Aspekten der sozial-ökologischen Transformation befassen. Die Sachverständigen thematisieren eine Vielzahl von Handlungsfeldern: Energieerzeugung, Zirkuläre Wirtschaft, Landwirtschaft, Stadt- und Raumentwicklung, Mobilitäts- und Verkehrsplanung, Wohnen, Ernährung, Gesundheit, Arbeit und Zeit, Arbeitsmarkt und Finanzen. Zudem beinhaltet das Gutachten Empfehlungen für die Weiterentwicklung institutioneller Gleichstellungsmechanismen.

Die in der Bundesstiftung Gleichstellung nun dauerhaft angesiedelte Geschäftsstelle für die Gleichstellungsberichte hat die Arbeit der Sachverständigenkommission wissenschaftlich und organisatorisch begleitet.

Das Gutachten für den Vierten Gleichstellungsbericht wird jetzt zur Veröffentlichung vorbereitet.

EIGE Gender Equality Index 2023: Europäischer Green Deal weist blinde Flecken im Bereich Gleichstellung auf

Der diesjährige Gender Equality Index 2023 des European Institute for Gender Equality (EIGE, deutsch: Europäisches Institut für Gleichstellungsfragen) analysiert die Auswirkungen des europäischen Green Deals auf die Gleichstellung der Geschlechter und identifiziert diverse blinde Flecken und Leerstellen in seiner Programmatik. Auf diesen Erkenntnissen kann auch der Vierte Gleichstellungsbericht mit dem Schwerpunktthema „Gleichstellung in der ökologischen Transformation“ aufbauen.

Gender Equality Index 2023

Der Gender Equality Index misst jährlich Fortschritte (und Rückschritte) im Bereich Gleichstellung in der EU. Betrachtet werden dabei geschlechtsspezifische Indikatoren in den verschiedenen Wirkungsbereichen: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Diese verschiedenen Indikatoren können zu einem Indexwert zusammengefasst werden, der den Stand der Gleichstellung in den einzelnen EU-Ländern angibt. Ein Überblick über die Ergebnisse für Deutschland im Jahr 2023 ist im Länderprofil Deutschland zu finden.

Schwerpunkt: European Green Deal

Als Schwerpunktthema des Gender Equality Index 2023 wurde die sozial gerechte Transformation im Green Deal der Europäischen Union gewählt. Der Green Deal bezeichnet ein Paket politischer Maßnahmen, durch die die Wirtschaft in der EU nachhaltiger gestaltet werden soll.

Bei der Analyse des Green Deals aus einer Geschlechterperspektive konzentriert sich das EIGE auf die folgenden Themen:

  • Einstellungen und Verhaltensweisen zum Klimawandel und zum Klimaschutz
  • Energie
  • Transport
  • Entscheidungsmacht

Der aktuelle EIGE-Bericht fokussiert sich auf die Themenfelder Energie und Transport, da diese im Green Deal als Bereiche mit prioritärem Handlungsbedarf im Rahmen einer sozial gerechten Transformation benannt werden. Für das Kapitel zum Thema „Energie“ war Ulrike Röhr, Sachverständige in der Kommission des Vierten Gleichstellungsberichts, als Expertin für Gender und Energie beratend tätig.

Neue geschlechterspezifische Indikatoren für den Bereich Klima

Diverse Aspekte einer sozial gerechten Transformation, die Geschlechteraspekte konsequent mitdenkt, werden im europäischen Statistiksystem bisher nicht abgebildet. Daher wurden eigene Indikatoren entwickelt, die Geschlechtergerechtigkeit in der Transformation messen sollen. Für Deutschland zeigen die Indikatoren beispielsweise, dass klimafreundliches Verhalten bei Frauen etwas ausgeprägter ist als bei Männern. So verzichten Frauen häufiger auf Fleisch als Männer und achten bei Tätigkeiten im Haushalt stärker auf umweltfreundliche Optionen. Gleichzeitig zeigen die Daten, dass Frauen bei politischen Entscheidungen im Bereich Klima stark unterrepräsentiert und seltener als Männer beruflich in den Bereichen Transport und Energie tätig sind.

EIGE Wirkungsbereiche und ihre Verbindung zu Klima und Geschlecht

Der Bericht beschreibt für die oben genannten EIGE Wirkungsbereiche die Zusammenhänge zwischen dem Green Deal und Geschlechterverhältnissen. Um die Transformation geschlechtergerecht zu gestalten, müssen diese Zusammenhänge stärker berücksichtigt werden.

Durch die Geschlechtersegregation auf dem Arbeitsmarkt sind Männer und Frauen unterschiedlich von Veränderungen des Arbeitsmarkts betroffen. Maßnahmen des Green Deal schaffen hauptsächlich Arbeitsplätze in männerdominierten Bereichen, wie dem Energiesektor. Dies kann sich zusätzlich negativ auf die Situation von Frauen auf dem Arbeitsmarkt auswirken. Auch die bestehenden Einkommensunterschiede und ihre Effekte, z. B. auf die Mobilität von Frauen und Männern, sollten im Green Deal nicht vernachlässigt werden. Da Frauen u. a. aufgrund von geringerem Einkommen weniger häufig ein eigenes Auto besitzen als Männer, würden sie stärker von einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs profitieren. Dabei muss auch die Sicherheit von Frauen in öffentlichen Transportmitteln eine Rolle spielen. Im Bereich Gesundheit und Gewalt gibt es weitere geschlechtsspezifische Auswirkungen des Klimawandels, die bisher weniger bekannt sind und im EIGE-Report beschrieben werden. Gesundheitsrisiken durch extreme Hitze sind z. B. für Frauen höher als für Männer. Besonders ältere (einkommensschwächere) Frauen leiden enorm unter Hitzewellen, insbesondere wenn sie in schlecht gedämmten Häusern leben. Zudem steigt mit extremer Hitze oder Trockenheit die Wahrscheinlichkeit für Gewalt in der Partnerschaft, wie Studien aus Spanien und Australien zeigen.

Weitere Informationen:

Gesamter Report des EIGE

Webseite des EIGE

Fachgespräch zum Vierten Gleichstellungsbericht: Geschlechterverhältnisse in landwirtschaftlichen Betrieben

Landwirtschaft

Die intensive Landwirtschaft, die weiterverarbeitende Nahrungsmittelindustrie wie auch der internationale Handel mit Nahrungsmitteln tragen massiv zur Umweltzerstörung bei. Um die ökologische Transformation bewerkstelligen zu können, müssen daher Fragen der Produktion und des Konsums von Nahrungsmitteln ins Zentrum des Interesses gerückt werden. Eine ökologische  Transformation ist nicht denkbar ohne eine Ernährungswende, die auf die sozial-ökologische Nahrungsmittelproduktion und die Verkürzung von Wertschöpfungsketten bzw. Re-lokalisierung von Produktion und Konsum der Nahrungsmittel zielt. Zugleich strukturieren Geschlechterverhältnisse den Sektor der landwirtschaftlichen Produktion maßgeblich. Die Sachverständigenkommission hat vor diesem Hintergrund ein Fachgespräch über die Rolle landwirtschaftlicher Betriebe in der Nahrungsmittelproduktion und der geschlechtsspezifischen Lebens- und Arbeitsverhältnisse in der konventionellen und ökologischen Landwirtschaft durchgeführt.

Expert*innen: Dr. Zazie von Davier; Dr. Susanne Padel (Thünen Institut – Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei)

Ort: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Neues Rechtsgutachten: Das AGG schützt nicht ausreichend vor Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungssysteme

Die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, stellte am 30.08.2023 das Gutachten „Automatisch benachteiligt“ vor. Es zeigt deutliche Lücken im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) beim Schutz vor Diskriminierung durch algorithmische Entscheidungssysteme auf. Das Gutachten hat dabei auch Empfehlungen aus dem Dritten Gleichstellungsbericht aufgegriffen. Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, ehemaliges Mitglied der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“, und Prof. Dr. Emanuel V. Towfigh haben das Rechtsgutachten im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes verfasst.

Das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und die Digitalisierung

Das AGG zielt ab auf den Schutz vor Benachteiligungen, unter anderem aus Gründen des Geschlechts oder der sexuellen Identität vor allem im Bereich Beschäftigung und Beruf (§ 1 AGG). Bislang fehlt es jedoch an Regelungen für die durch die Digitalisierung entstandenen Diskriminierungsrisiken. Die Autor*innen von „Automatisch benachteiligt“ stellen insbesondere fest, dass algorithmische Systeme, wie sie etwa zunehmend bei der Personalauswahl angewendet werden, das AGG wie auch das Antidiskriminierungsrecht im Allgemeinen vor große Herausforderungen stellen. Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht hatte 2021 bereits darauf verwiesen, dass das AGG in seiner jetzigen Ausgestaltung nicht ausreichend vor Diskriminierungen durch algorithmische Entscheidungssysteme schützt.

Welche diskriminierungsrelevanten Fallstricke gibt es?

Diskriminierungsrelevante Fehlerquellen bei algorithmischen Entscheidungssystemen beginnen bei der Gewinnung von Daten, die genutzt werden, um algorithmische Systeme zu trainieren. Werden beispielsweise Hautfarbe oder Geschlecht nicht ausgewogen in ein Datenset für das Training eines biometrischen Erkennungssystems eingespeist, wird das System die nicht oder weniger repräsentierten Gruppen schlechter erkennen. Ähnliches gilt für algorithmische Systeme zur Unterstützung von Personalentscheidungen. So könnte ein System, das passende Bewerber*innen auf Basis von Daten, die aus einem weiter zurückliegenden Zeitraum stammen, filtern soll , männliche Bewerber häufiger als geeignet bewerten, wenn bisher überwiegend Männer eingestellt wurden. Gleichzeitig ist ein Merkmal algorithmischer Entscheidungssysteme, dass die Kriterien der Entscheidungen aufgrund der Komplexität und Intransparenz der Systeme kaum nachvollzogen werden können. Zudem sind an der Programmierung, Fortentwicklungung weiteren Verwendung eine Vielzahl von Akteuren beteiligt. Dies führt zu Problemen bei der Frage, wer die Verantwortung für die Diskriminierung trägt.

Wie können Lücken geschlossen werden?

Die Autor*innen kommen vor diesem Hintergrund – ebenso wie die Sachverständigen des Dritten Gleichstellungsberichts – zu dem Schluss, dass das geltende Recht bei Diskriminierungen durch algorithmische Systeme nicht greift. Die im AGG bestehenden Regelungslücken müssen geschlossen werden. Das Gutachten knüpft dabei an Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts an und empfiehlt insbesondere:

  • Der Intransparenz muss begegnet werden: Es braucht z. B. Auskunftsrechte für Betroffene und Offenlegungspflichten für Betreiber*innen algorithmischer Systeme.
  • Die Beweislast muss umgekehrt werden: Haben Betroffene den Verdacht, von einem System diskriminiert worden zu sein, müssen die Betreiber*innen beweisen, dass das nicht der Fall ist. Auch ein Verbandsklagerecht könne die Rechte von Betroffenen verbessern.
  • Bisher ist bereits Diskriminierung aufgrund eines Näheverhältnisses zu einer nach § 1 AGG geschützten Personengruppe untersagt. Die vorgeschlagene Neuregelung soll darüber hinausgehen und auch statistische Nähe zu einer Personengruppe einbeziehen. So werden Menschen geschützt, die aufgrund von statistischen Korrelationen einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden. Verhindert werden kann dadurch beispielsweise, dass einer Person eine schlechte Kreditwürdigkeit zugeschrieben wird, weil sich einige ihrer Merkmale (zum Beispiel die Postleitzahl) mit Eigenschaften einer Gruppe überschneidet, die häufig eine geringe Bonität hat.

Ähnliche Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Algorithmisches Management“

Mit dem Diskriminierungsschutz bei der Anwendung algorithmischer Systeme bei der Personalauswahl hat sich auch die Ad-hoc-Arbeitsgruppe „Algorithmisches Management“ des Bundesarbeitsministeriums unter Vorsitz von Prof. Dr. Johanna Wenckebach und Mitarbeit von Dr. Ulrike Spangenberg, Leitung des Bereichs Gleichstellungsberichte in der Bundesstiftung, beschäftigt. Angelehnt an die Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung spricht sich die Arbeitsgruppe für gesetzlich konkrete Informationspflichten und korrespondierende Auskunftsansprüche beim Einsatz algorithmischer Systeme aus. Außerdem empfiehlt sie, eine (betriebliche) Datenschutzfolgeabschätzung mit Blick auf Diskriminierungen verpflichtend einzuführen, besonders im Hinblick auf Personalentscheidungen.

Die Sachverständigen für den Dritten Gleichstellungsbericht befürworten darüber hinaus, den Anwendungsbereich des AGG auf selbstständige Tätigkeiten oder zumindest Plattformarbeit auszuweiten. Dadurch könnten z. B. auch Menschen vor Diskriminierung geschützt werden, die auf digitalen Plattformen häufig selbstständig arbeiten.

EU-Regulierungen: Die KI-Verordnung (KI-VO)

In der aktuell in Arbeit befindlichen EU-Regulierung (KI-Verordnung, zu den wesentlichen gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekten des Gesetzentwurfs siehe auch den Blogbeitrag auf der Seite des Dritten Gleichstellungsberichts) sehen sowohl die Expert*innen des Dritten Geleichstellungsberichts als auch die Autor*innen des Rechtsgutachtens keine ausreichende Lösung für die Schutzlücken. Diese umfasst z. B. keinerlei Individualrechte, also etwa Klage- und Auskunftsrechte, für Betroffene.

Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023: Stellungnahme der Sachverständigenkommission zum Vierten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Das Bundeskabinett hat am 21. Juni 2023 den Entwurf eines Klimaschutzprogramms 2023 (KSP2023) vorgelegt. Dabei handelt es sich um ein Gesamtpaket an Maßnahmen, mit dem die Bundesregierung aufzeigt, wie sie die Klimaschutzziele im Klimaschutzgesetz erreichen will. Die Sachverständigenkommission für den Vierten Gleichstellungsbericht nutzt diese Gelegenheit, um auf die Dringlichkeit hinzuweisen, gleichstellungsbezogene Auswirkungen in die Gestaltung der Maßnahmen einzubeziehen.

Gleichstellungspolitische Bewertung des Klimaschutzprogramms 2023

Die Sachverständigenkommission sieht in ihrer Stellungnahme aus einer feministischen und gleichstellungspolitischen Perspektive Konkretisierungs- und Veränderungsbedarf am veröffentlichten Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023.

Sachverständige Ulrike Röhr, Leiterin genanet – Leitstelle Gender, Umwelt, Nachhaltigkeit, Berlin und Mitgründerin des internationalen Netzwerks GenderCC – Women for Climate Justice e. V., zum Klimaschutzprogramm 2023:

„Auch wenn wir erst am Anfang unserer Arbeit in der Sachverständigenkommission stehen, bot die Stellungnahme eine Möglichkeit, erste Erkenntnisse zusammenzufassen: Ob es um die Fixierung auf technologische Lösungen zum Klimaschutz geht, um die Auswirkungen der Transformation auf den Arbeitsmarkt oder um Subventionierungen – ungleiche Auswirkungen von Klimaschutzmaßnahmen auf die Geschlechter in all ihrer Vielfalt sind ausreichend belegt. Ein Klimaschutzprogramm, das diesen ungleichen Wirkungen keine Aufmerksamkeit widmet, verschenkt die positiven Synergieeffekte, die mit einer Verknüpfung von Klima- und Gleichstellungspolitik zu erzielen sind.“

In ihrer Stellungnahme empfehlen die Sachverständigen unter anderem:

  • Rückkehr zu den Sektorzielen und Einführung zusätzlicher Instrumente und Verfahren, die das Auseinanderfallen zwischen den Sektorzielen und den tatsächlichen Emissionsminderungen öffentlich machen und den verantwortlichen Ressorts Nachbesserungspflichten auferlegen. Damit würde vermieden, dass gesellschaftliche oder wirtschaftliche Partikularinteressen in Abhängigkeit von politischen Konjunkturen über das verfassungsrechtlich verankerte Gemeinwohl gestellt werden.
  • Kritische Überprüfung der stark technologie-orientierten Ausrichtung des Klimaschutzprogramms, bei der ungleiche Machtverhältnisse ausgeblendet und dadurch eher noch verstetigt werden. Dagegen gilt es, gesellschaftliche Innovationen stärker zu fördern.
  • Konkretisierung der Ausgestaltung des sozialen Ausgleichs bei direkten finanziellen Belastungen durch klimapolitische Maßnahmen, insbesondere mit Blick auf Haushalte von Alleinerziehenden und Rentnerinnen mit ihren durchschnittlich sehr viel geringeren Einkommen und Vermögen.
  • Die Einbeziehung von Gleichstellungs- und Genderexpertise in die wissenschaftlichen Gremien zum Klimaschutz soll dazu beitragen, dass in diesen Beratungsgremien die Gendersensibilität steigt und Gleichstellungsperspektiven in der Arbeit der Gremien aufgegriffen werden.
  • Durch eine enge Verknüpfung der systematischen Prüfung von Klima- und Gleichstellungswirkungen der Regierungspolitik muss dargelegt werden, wie die Maßnahmen im Klimaschutzprogramm und allen damit zusammenhängenden Handlungsfeldern zum Leitprinzip Gleichstellung beitragen.

Weitere Empfehlungen und Erläuterungen finden sich in der Stellungnahme der Sachverständigenkommission, die hier abrufbar ist:

Stellungnahme der Sachverständigenkommission zum Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023 (PDF, 1,19 MB)

Neue EU Richtlinie: Mit Transparenz gegen Lohndiskriminierung am Arbeitsplatz

Am 6. Juni 2023 ist die Entgelttransparenz-Richtlinie der Europäischen Union in Kraft getreten. Sie stärkt die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Mit dieser Richtlinie soll nun europaweit dem Gender Pay Gap, also dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle, durch mehr Transparenz von Entgeltstrukturen und entsprechenden Durchsetzungsmechanismen entgegengewirkt werden.

Gender Pay Gap und Lohntransparenz

Der Gender Pay Gap ist Folge eines komplexen Zusammenspiels unterschiedlicher Ungleichheiten am Arbeitsmarkt. Im Lebensverlauf setzt sich die geschlechtsspezifische Lohnungleichheit fort, so dass sich das Armutsrisiko von Frauen besonders im Alter erhöht. In Deutschland lag der Gender Pay Gap zwischen Frauen und Männern im Durchschnitt im Jahr 2022 bei rund 18 Prozent. 2006 waren es noch 23 Prozent. Damit zeichnet sich die Tendenz ab, dass der geschlechtsspezifische Lohnabstand sinkt – allerdings nur langsam. Dementsprechend haben alle bisherigen Gleichstellungsberichte der Bundesregierung die Durchsetzung von Entgeltgleichheit und Entgelttransparenz zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung mit verschiedenen Schwerpunkten aufgegriffen, denn Entgelttransparenz trägt dazu bei, das Lohngefälle zu verringern.

 Handlungsempfehlungen der Gleichstellungsberichte

Bereits der Erste Gleichstellungsbericht (2011) forderte Maßnahmen zur Umsetzung eines gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein. Die Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht (2017) befasste sich u. a. eingehender mit der Intransparenz von Gehältern und Verdienststrukturen. Sie unterstrich die Relevanz eines Entgelttransparenzgesetzes, das damals schon im Koalitionsvertrag vorgesehen war. Die Sachverständigen hoben insbesondere zwei Instrumente hervor: betriebliche Prüfverfahren (sogenannte Entgeltaudits) und individuelle Auskunftsansprüche.

Nach dem 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sollen private Arbeitgeber*innen mit mehr als 500 Beschäftigten regelmäßig ihre Entgeltregelungen überprüfen. Zudem wurde Beschäftigen ein Auskunftsanspruch eingeräumt, der es ermöglicht, Informationen über die Bezahlung von vergleichbaren Tätigkeiten einzuholen.

Die Sachverständigen zum Dritten Gleichstellungsbericht (2021) „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ empfahlen anknüpfend an die vorherigen Gleichstellungsberichte die Standardisierung und Ausweitung der Berichtspflichten und der betrieblichen Prüfverfahren. Die Sachverständigen forderten zudem verbindliche Sanktionen, falls die gesetzlichen Vorgaben nicht erfüllt werden. Insbesondere sollten auch kleine und mittelständische Unternehmen, die auch in der Digitalbranche einen hohen Frauenanteil aufweisen, zu Prüfverfahren verpflichtet werden.

Was ändert sich durch die neue Richtlinie für Deutschland?

 Die neue Entgelttransparenz-Richtlinie schafft europaweit einheitliche Vorgaben zur Verringerung der Entgeltungleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten der EU – also auch Deutschland – zur Verankerung von Maßnahmen, die über das schon jetzt in Deutschland geltende Entgelttransparenzgesetz hinausgehen:

Beispielsweise müssen Arbeitgebende Arbeitssuchende über das Einstiegsentgelt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Stelle informieren. Das vorherige Gehalt darf nicht abgefragt werden. Zudem müssen Unternehmen schon ab einer Größe von mehr als 250 Beschäftigten jährlich und kleinere Unternehmen (zeitlich gestaffelt) alle drei Jahre Daten zum geschlechtsspezifische Lohngefälle vorlegen. Bei einer Lohndifferenz von mehr als fünf Prozent müssen die Unternehmen Maßnahmen in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung ergreifen. Außerdem gilt der Auskunftsanspruch nun für alle Beschäftigten (Art. 7) und geht damit über das deutsche Entgelttransparenzgesetz, das Ausnahmen für Kleinbetriebe vorsieht, hinaus. Darüber hinaus werden Schadenersatzansprüche verankert (Art. 16). Und die Mitgliedsstaaten müssen nun Sanktionen bei Pflichtverletzungen regeln (Art. 23). Damit greift die Entgelttransparenz-Richtlinie viele der Handlungsempfehlungen aus den Gleichstellungsberichten auf.

Wie diese Maßnahmen letztlich konkret ausgestaltet werden, ist Sache der deutschen Gesetzgebung. Deutschland hat bis Juni 2026 Zeit, die Vorschriften in nationales Recht umzusetzen und das Entgelttransparenzgesetz entsprechend zu überarbeiten. Die Reform sollte zum Anlass genommen werden, die insbesondere im Dritten Gleichstellungsbericht geforderte Standardisierung von Berichtspflichten und Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit gesetzlich verpflichtend zu verankern. Darüber hinaus könnten kleine Unternehmen, z. B. durch die Entwicklung digitaler Tools, bei der Erfüllung ihrer Pflichten unterstützt werden.

Weitere Informationen

Richtlinie (EU) 2023/970 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Stärkung der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durch Entgelttransparenz und Durchsetzungsmechanismen, Amtsblatt der Europäischen Union, L 132/21

Starkes Signal für die gleiche Bezahlung von Frauen und Männern in Europa, BMFSFJ, Meldung vom 25.04.2023

Dritter Gleichstellungsbericht (2021): „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Zweiter Gleichstellungsbericht (2017): „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten“

Erster Gleichstellungsbericht (2011): „Neue Wege – Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf“

CEDAW: Geschlechtergerechtigkeit auch in der Klimapolitik mitdenken

Am 11. Mai 2023 fand die Anhörung der Bundesregierung zum Umsetzungsstand der UN-Frauenrechtskonvention CEDAW in Deutschland vor den Expert*innen des zuständigen Ausschusses der UN in Genf statt. Am Tag zuvor hatten bereits mehrere NGOs die Möglichkeit, sich mit Empfehlungen und Forderungen vor dem Ausschuss zu äußern.

Neuntes Staatenberichtsverfahren und Alternativberichte

Vertragsstaaten wie Deutschland müssen dem CEDAW-Ausschuss der UN alle vier Jahre über die Umsetzung der UN-Frauenrechtskonvention berichten. Die Expert*innen im CEDAW-Ausschuss prüfen die Staatenberichte und berücksichtigen dabei auch Stellungnahmen und Alternativberichte von NGOs. Auf Grundlage der Berichte und Anhörungen übermittelt der CEDAW-Ausschuss Handlungsempfehlungen an die Regierungen der Vertragsstaaten. Aktuell befindet sich Deutschland im Berichtsverfahren zum 9. Staatenbericht, den die Bundesregierung im Juli 2021 beim Ausschuss eingereicht hat. Mehrere Nichtregierungsorganisationen, darunter die CEDAW-Allianz Deutschland sowie der Deutsche Juristinnenbund, haben Alternativberichte veröffentlicht.

NGOs trugen ihre Bedenken vor

Eine Reihe von NGOs äußerten sich am 10. Mai mit Bedenken und Anmerkungen vor dem für CEDAW zuständigen Ausschuss der UN. Aus Deutschland waren unter anderem das Deutsche Institut für Menschenrechte, die CEDAW-Allianz Deutschland sowie das Center for Migration, Gender, and Justice vor Ort. Die Vertreter*innen der NGOs thematisierten unter anderem das Fehlen wirksamer umfassender Strategien gegen geschlechtsspezifische Gewalt, den mangelhaften Schutz von lesbischen, bisexuellen, schwulen, trans* und intersexuellen Personen während des Asylverfahrens und den unzureichenden Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen. Auch die Klimapolitik der Bundesregierung war ein Thema.

CEDAW auch in der Klimapolitik berücksichtigen

Der 9. Staatenbericht Deutschlands geht nicht auf den Einfluss des Klimawandels auf die durch CEDAW geschützten Rechte von Frauen ein. Das Netzwerk GenderCC – Women for Climate Justice e. V., das sich für eine geschlechtergerechte Klimapolitik einsetzt, forderte bei der Anhörung vor Ort daher unter anderem mehr Bemühungen der Bundesregierung bei der Umsetzung der nationalen Gesetze und internationalen Verpflichtungen im Klimaschutz und beim Ausstieg aus der fossilen Energie. Auch der bereits im April 2023 veröffentlichte Alternativbericht der CEDAW-Allianz Deutschland zeigt gleichstellungsrelevanten Handlungsbedarf bei der Umsetzung von CEDAW in der Klimapolitik auf.

Dazu gehören insbesondere

  • die Einrichtung einer interministeriellen Arbeitsgruppe, die sich primär für die Verknüpfung von Nachhaltigkeitsthemen und Geschlechtergerechtigkeit auf nationaler und internationaler Ebene einsetzt,
  • die interministerielle Verpflichtung zur Durchführung von gleichstellungsorientierten Risikofolgenabschätzungen (Gender Impact Assessments) aller geplanten Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen,
  • die Anerkennung der Expertise von Frauen* und Queers bei der Klimakatastrophenminderung und -bewältigung sowie Stärkung ihrer Entscheidungsmacht und
  • die Einbindung von Genderexpertise bei der Entwicklung klimapolitischer Maßnahmen als Grundlage einer geschlechtergerechten nationalen und internationalen Klimapolitik und deren Verfahrensabläufe.

Einrichtung der Bundesstiftung Gleichstellung wurde begrüßt

Die Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte begrüßte unter anderem die Einrichtung der Bundesstiftung Gleichstellung, um die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter durch Information, Forschung und Vernetzung zu fördern. In der Bundestiftung Gleichstellung ist die Geschäftsstelle für den Vierten Gleichstellungsbericht angesiedelt, der sich mit Gleichstellung und ökologischer Transformation befasst. In der dafür berufenen Sachverständigenkommission ist neben anderen Ulrike Röhr vertreten, die das internationale Netzwerk GenderCC – Women for Climate Justice e. V. mit ins Leben gerufen hat.

Weitere Informationen

Vierter Gleichstellungsbericht: Gleichstellung in der ökologischen Transformation

Neunter Bericht der Bundesrepublik Deutschland zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) Staatenbericht der Bundesregierung, 9. März 2020 (PDF, 3,8 MB)

Civil Society Organizations Brief the Committee on the Elimination of Discrimination against Women on the Situation of Women in Timor-Leste, Germany, China and Sao Tome and Principe, UN-Bericht zur Anhörung, 8. Mai 2023

Alternativbericht zum 9. Staatenbericht der Bundesregierung, CEDAW-Allianz Deutschland, 21. April 2023 (PDF, 1,9 MB)

Alternativbericht zum 9. Staatenbericht der, Deutscher Juristinnenbund, 24. April 2023 (PDF, 262 KB)

 

Eckpunkte zur Bekämpfung digitaler Gewalt: Mehr Unterstützung für Betroffene

Das Bundesministerium für Justiz hat am 12. April ein Eckpunktepapier für ein Gesetz gegen digitale Gewalt vorgelegt. Die Eckpunkte nehmen Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung auf, der sich umfassend mit der geschlechtsbezogenen Dimension digitaler Gewalt auseinandersetzt.

Maßnahmen sollen Hürden für Betroffene abbauen

Die durch das BMJ vorgelegten Eckpunkte sollen Grundlage für ein Gesetz sein, mit dem Personen, die Gewalt im digitalen Raum erfahren, effektiver gegen digitale Bedrohungen und Übergriffe vorgehen können. Das Gesetz soll laut Koalitionsvertrag „rechtliche Hürden für Betroffene, wie Lücken bei Auskunftsrechten abbauen und umfassende Beratungsangebote aufsetzen“.

Die in den Eckpunkten genannten Maßnahmen sehen unter anderem vor, dass Menschen, die Hass im Netz ausgesetzt sind, leichter Auskunft über die Daten von Account-Inhaber*innen erhalten, zum Beispiel über deren IP-Adresse. Außerdem sollen Gerichte die Möglichkeit erhalten, Accountsperren anzuordnen und auch kurzfristig zu reagieren, um beispielsweise Daten zu sichern. Betroffene sollen zudem künftig klare Ansprechpersonen bei den Betreiber*innen der sozialen Netzwerke haben, um zum Beispiel Löschungsaufforderungen zuzustellen.

Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts

Digitale Gewalt wie Cyber-Mobbing und Hate Speech steht einer geschlechtergerechten Nutzung des digitalen Raums im Wege. Misogyne, sexistische und andere menschenfeindliche Inhalte und ihre Folgen treffen vor allem Frauen, People of Colour und marginalisierte Personen. Digitale Gewalt ist Ausdruck von Gewaltverhältnissen und kann weitreichende gesundheitliche, soziale und ökonomische Auswirkungen haben.

Gleichzeitig fehlt es an angemessenen Schutzmöglichkeiten. Die Sachverständigen des Dritten Gleichstellungsberichts haben daher Handlungsempfehlungen formuliert, die die Schutzlücken schließen sollen. Dazu gehören:

  • Erleichterte Ermittlung von Accountinhaber*innen
  • Beweissicherungspflichten für Plattformbetreiber*innen
  • Einrichtung eines Schutzschirms bei digitaler Gewalt
  • Einrichtung von Beschwerdestellen auf den Plattformen
  • Meldeverfahren auf den Plattformen vereinheitlichen und vereinfachen

Weitere Empfehlungen beziehen sich u. a. darauf, Beratungsstellen im Bereich digitaler Gewalt zu stärken, zivilgesellschaftliche Expertise zu fördern und einbeziehen, Strafverfolgung und Justiz zu sensibilisieren und umfassende Daten zur geschlechtsspezifischen Gewalt zu erheben.

Einrichtung eines „Digitalen Schutzschilds“

Eine zentrale Handlungsempfehlung der Sachverständigenkommission ist die Einführung und Ausgestaltung eines umfassenden Schutzschirms bei digitaler Gewalt. Ein solches „digitales Schutzschild“ soll in akuten Bedrohungssituationen zügig und ohne hohe bürokratische Hürden zum Einsatz kommen. Dazu könnte in jedem Fall mit einer unabhängigen Stelle, zum Beispiel aus der Zivilgesellschaft, das bestehende Risiko für die jeweilige Person eingeschätzt werden. Auf dieser Grundlage könnten dann gemeinsam mit der betroffenen Person, mit Behörden und den beteiligten Unternehmen die notwendigen Schritte zum Schutz veranlasst werden, ohne dass ein Weg über die Gerichte notwendig ist.

Schritt in die richtige Richtung, aber weiterer Handlungsbedarf

Die Eckpunkte greifen damit nur einige der Handlungsempfehlungen auf. Insbesondere bleibt für Betroffene nach wie vor der Weg über die Gerichte notwendig.

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie HateAid und die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) begrüßen das Eckpunktepapier als Vorstoß für mehr Schutz vor Gewalt im digitalen Raum. Allerdings sehen sie Verbesserungspotentiale, beispielsweisebei den Möglichkeiten von NGOs, gegen Accounts vorzugehen.

Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe e. V. (bff) sieht Handlungsbedarf vor allem bei der personellen und finanziellen Ausstattung von Beratungsstellen. Nur eine ausfinanzierte Beratungsinfrastruktur ermöglicht es, sich den Menschen, die Hass im Netz ausgesetzt sind, voll zu widmen.

Mitwirkung der Zivilgesellschaft gefragt

Die Zivilgesellschaft hat nun die Gelegenheit, zum Eckpunktepapier Stellung zu nehmen. Stellungnahmen können bis zum 26. Mai 2023 beim BMJ eingereicht werden.

Weitere Informationen

Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zum Gesetz gegen digitale Gewalt, April 2023 (PDF, 321 KB)

Erläuterungspapier zu den Eckpunkten des Bundesministeriums der Justiz zum Gesetz gegen digitale Gewalt, April 2023 (PDF, 312 KB)

Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten, BT-Drucks.19/30750, 10.4.2021 (PDF, 3,2 MB)

Regina Frey, Geschlecht und Gewalt im digitalen Raum. Eine qualitative Analyse der Erscheinungsformen, Betroffenheiten und Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung intersektionaler Aspekte, 2020.

Hate Aid, Stellungnahme zu den Eckpunkten für ein Gesetz gegen digitale Gewalt des Bundesministeriums der Justiz, April 2023 (PDF, 382 KB)

Podcast „Justitias Töchter“, Thema Hate Speech, Folge 9, Januar 2021

 

Klage der KlimaSeniorinnen gegen die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte

Auftakt der mündlichen Verhandlung

Am 29. März 2023 findet die öffentliche Anhörung der Klimaklage der KlimaSeniorinnen Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) statt. Dabei handelt es sich um die erste Klimaklage, über die öffentlich vor dem EGMR in Straßburg verhandelt wird.

Mit ihrer Klage wollen die Schweizerinnen erreichen, dass die Schweiz ihren Beitrag zur Einhaltung des 1,5 Grad-Ziels aus dem Pariser Klimaabkommen leistet. Sie fordern ganz konkrete Maßnahmen, wie die Reduzierung der inländischen Emissionen bis 2030 um mehr als 60 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990.

Nach Ansicht des Vereins, der im August 2016 gegründet wurde und über 2.000 Schweizerinnen mit einem Durchschnittsalter von 73 Jahren als Mitglieder zählt, ergibt sich diese Pflicht der Schweizer Regierung aus den Menschenrechten der älteren Frauen. Die Seniorinnen berufen sich unter anderem auf ihr Recht auf Leben aus Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ein Recht auf eine saubere Umwelt ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht direkt festgeschrieben.

Die Klägerinnen sind aus ihrer Sicht von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen, weil hitzebedingte Todesfälle häufig ältere Menschen und vor allem Frauen betreffen. Hintergrund ist, dass es klimabedingt vermehrt zu Hitzewellen kommt, die zu lebensgefährlichen Erkrankungen der Hirngefäße, des Herzkreislaufs oder der Atemwege führen können. Die Schweizerinnen berufen sich dabei auf verschiedene Studien (z. B. der WHO).

Die KlimaSeniorinnen Schweiz rufen für den 29. März 2023 zur Unterstützung auf. Ihre Klage ist die erste, aber nicht die einzige Klimaklage, die vor dem EGMR verhandelt wird. Weitere Klimaklagen warten auf ihre öffentliche Anhörung, zum Beispiel eine Klage junger Menschen aus Portugal.

Die Anhörung, die von 9:15 bis 11:30 Uhr stattfindet, ist ab 14:30 online abrufbar.

Auch der aktuelle Gleichstellungsbericht der Bundesregierung mit dem Schwerpunkt „Gleichstellung in der ökologischen Transformation“ wird sich mit den besonderen Auswirkungen des Klimawandels auf die Geschlechter beschäftigen.

Weitere Informationen

Homepage der Klimaseniorinnen Schweiz

Übersicht über die drei aktuell beim EGMR anhängigen Klimaklagen

Gemeinsame Medienmitteilung von KlimaSeniorinnen Schweiz und Greenpeace Schweiz, 10.02.2023

Interview mit der Co-Präsidentin der KlimaSeniorinnen Rosmarie Wydler-Wälti und Anwältin Cordelia Bähr, 10.12.2022

 

 

 

Wissen zu Antifeminismus hilft Opfern von Hassgewalt

Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts

Die Amadeu Antonio Stiftung (AAS) bietet seit Februar 2023 unter www.antifeminismus-melden.de die Möglichkeit, antifeministische Übergriffe zu melden. Mit dem Portal wurde eine Anlaufstelle für Betroffene geschaffen. Die anonymisierten Daten ermöglichen zudem ein Monitoring geschlechtsbezogener digitaler Gewalt – mit dem Ziel, mehr Wissen zu dieser Form von Gewalt zu sammeln. Diese Maßnahmen setzen zentrale Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichtes der Bundesregierung um. Jetzt wurden das Portal und die AAS selbst Zielscheibe von Hass und Falschmeldungen.

Nachdem die Meldestelle online ging, war die Aufregung bei einigen Medien groß: Es war u. a. die Rede davon, die Stelle ebne „einer Kultur der Denunziation den Weg“ (Augsburger Allgemeine). „Der Spiegel“ behauptete, es werde „mit staatlicher Hilfe eine Liste mit Meinungen erstellt, die aus dem öffentlichen Diskurs herausgedrängt werden sollten“ (Spiegel). Auf Twitter ist in diesem Zusammenhang das Wort „Stasi“ zu lesen. Tatsächlich soll das Portal eine Anlaufstelle für Betroffene sein, Erfahrungen sichtbar machen und Unterstützungsangebote vermitteln. Eine weitere Aufgabe ist es, Erscheinungsformen von Antifeminismus abzubilden. Daher werden Fälle anonymisiert dokumentiert, Namen und personenbezogene Daten werden nicht gespeichert oder weitergegeben.

Die Rede von einer vermeintlichen Denunziation zeugt von einer Sichtweise, der es nicht um die Opfer von Antifeminismus geht, sondern um diejenigen, die sich eventuell antifeministisch äußern könnten. Eine solche Perspektive verstellt den Blick darauf, dass Antifeminismus ein Problem ist, unter dem Menschen konkret leiden. Denn seit langer Zeit gibt es im Netz auf antifeministischen Portalen Namenslisten mit Personen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit engagieren. Das demokratische Recht dieser Menschen, sich öffentlich zu äußern, wird durch antifeministischen Hass und Drohungen eingeschränkt. Genau deshalb bietet die AAS auf Wunsch auch Beratung für die von Hass Betroffenen an – auch dies eine Empfehlung der Sachverständigen des Dritten Gleichstellungsberichts.

Das Sachverständigengutachten befasst sich im Zusammenhang mit digitaler Gewalt u. a. mit antifeministischen Vorfällen (S. 197f.). Dazu gehören Hass gegen Feminist*innen, queere Menschen, Frauen, trans* Personen und andere, die sich für Geschlechtergerechtigkeit einsetzen. Die Sachverständigen stellen fest: „Es besteht (…) großer Forschungsbedarf, um die Ursachen, die Erscheinungsformen und die Verbreitung geschlechtsbezogener digitaler Gewalt zu erfassen und um Handlungsstrategien zum Schutz der Betroffenen zu entwickeln.“ (S. 206)
„www.antifeminismus-melden.de“ ist Teil des Verbundprojekts „Antifeminismus begegnen – Demokratie stärken“ und wird von der AAS, dem Gunda-Werner-Institut und Dissens e. V. (Institut für Bildung und Forschung) betrieben.

Weitere Informationen

Amadeu Antonio Stiftung: Antworten auf Vorwürfe gegen Meldestelle Antifeminismus

Übermedien: Aufregung über „Meldestelle Antifeminimus“ – Völlig schriller Alarm-Journalismus gemeldet!

taz.de: Projekte gegen Antifeminismus: Vernetzen, melden, wehrhaft sein

Frey, Regina (2020): Geschlecht und Gewalt im digitalen Raum. Eine qualitative Analyse der Erscheinungsformen, Betroffenheiten und Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung intersektionaler Aspekte. Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.

Bundesregierung: Digitalisierung Geschlechtergerecht Gestalten. Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. BT-Drucksache 19/30750, 10. Juni 2021, Berlin. (PDF, 3,2 MB)

Startschuss für den Vierten Gleichstellungsbericht: Sachverständigenkommission und Geschäftsstelle nehmen Arbeit auf

Mit der Berufung der Sachverständigen für den Vierten Gleichstellungsbericht am 13. März durch Lisa Paus, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, nehmen die Kommission und die Geschäftsstelle ihre Arbeit auf. Die Gleichstellungsberichterstattung ist ab sofort dauerhaft in der Bundesstiftung Gleichstellung angesiedelt. Thema des Vierten Gleichstellungsberichts ist „Gleichstellung in der ökologischen Transformation“.

Den Vorsitz der interdisziplinär besetzten Kommission übernimmt Prof. Dr. Silke Bothfeld, Professorin für Internationale Wirtschafts- und Sozialpolitik an der Hochschule Bremen. Bei der konstituierenden Sitzung betonte sie: „Die Durchsetzung von Gleichstellungspolitik war eine transformative Erfahrung für Staat und Politik. Die Suche nach Strategien, den Klimawandel und seine Folgen einzudämmen, ist hier sehr ähnlich. Auch hier geht es darum, die impliziten Zusammenhänge zwischen unserer Lebens- und Produktions- und Wirtschaftsweise und den daraus folgenden Schäden für die ökologische Umwelt sichtbar zu machen. Als Politikwissenschaftlerin ist es für mich eine große Ehre, Politikvorschläge für eine (geschlechter-)gerechte ökologische Transformation erarbeiten zu dürfen.“

Für die Kommission beginnt nun eine intensive Arbeitsphase, in der die Sachverständigen ein Gutachten erarbeiten, das der Bundesregierung konkrete Handlungsempfehlungen für eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der ökologischen Transformation an die Hand geben soll.

Das Thema des Vierten Gleichstellungsberichts wird international und national von zahlreichen gleichstellungspolitischen Akteur*innen als wichtiges Zukunftsthema hervorgehoben. Wie wichtig eine geschlechtergerechte Gestaltung der Transformation ist, verdeutlicht auch Bundesministerin Lisa Paus in ihrer Pressemitteilung und weist u. a. darauf hin, dass nahezu alle Aspekte des Klimawandels und der Klimapolitik gleichstellungsrelevant sind.

Die Geschäftsstelle für den Vierten Gleichstellungsbericht ist nun erstmals im Bereich Gleichstellungsberichte der Bundesstiftung Gleichstellung verankert. Sie wird die Sachverständigenkommission bei der Erstellung des Gutachtens unterstützen.

„Wir freuen uns sehr, dass die Gleichstellungsberichterstattung von nun an dauerhaft in der Bundesstiftung Gleichstellung angesiedelt ist“, so die Direktorin der Bundesstiftung Gleichstellung, Lisi Maier, während der konstituierenden Sitzung der Sachverständigenkommission. „Diese Kontinuität ermöglicht es, besser an das Wissen vorangegangener Berichte anzuknüpfen und über eine Legislaturperiode hinaus im Blick zu behalten, ob und wie die Handlungsempfehlungen der Berichte umgesetzt werden. Der Bereich Gleichstellungsberichte ist ein wichtiger Baustein im Gesamtkonzept der Stiftung, um Wissen und Kompetenzen zu bündeln und bereitzustellen.“

Die Bundesstiftung Gleichstellung informiert auf ihrer Webseite regelmäßig über die Arbeit der Sachverständigenkommission. Zudem werden News zu den Handlungsempfehlungen der vorherigen Gleichstellungsberichte veröffentlicht.

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 12.12.2022

mit der letzten Newsletter-Ausgabe dieses Jahres möchten wir uns von Ihnen verabschieden. Die Gleichstellungsberichterstattung wird zukünftig in den Händen der im letzten Jahr gegründeten Bundesstiftung Gleichstellung liegen. Zum Abschied und zum Übergang gibt es weitere Informationen in der Rubrik „Aktuelles“. Hier können wir außerdem über die Veranstaltung der Robert-Bosch-Stiftung zu digitaler Gewalt berichten, bei der die Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht als Kooperationspartnerin aufgetreten ist.

Auch unser letzter Newsletter hat, wie gewohnt, einen Themenfokus: Es geht um Gender Budgeting. Ein paar letzte Tipps zum Weiterlesen, -hören und -schauen hält der Newsletter ebenfalls noch bereit, ebenso wie Hinweise auf vergangene Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

 

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Abschied der Geschäftsstelle | Veranstaltung „Digitale Gewalt jenseits von Hate Speech“ | 1. Gleichstellungstag der Bundesstiftung Gleichstellung

Themenfokus: Gender Budgeting | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Einblick in die Arbeit der Geschäftsstelle und Sachverständigenkommission: Vergangene Veranstaltungen

Aktuelles

Abschied der Geschäftsstelle

Das ISS e.V. hat in den Jahren 2015 bis 2022 die Geschäftsstelle für die Gleichstellungsberichte ausgerichtet und an der Erarbeitung des zweiten und dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung maßgeblich mitgewirkt. Zu den Arbeitsbereichen gehörte die Begleitung der beiden Sachverständigenkommissionen, die Fertigstellung zweier Gutachten, die Bilanzierung von Wirkungen der Vorberichte, die Öffentlichkeitsarbeit und Verbreitung der Inhalte.

Anlässlich des ersten Gleichstellungstags wurde die wissenschaftlichen Begleitung der Gleichstellungsberichte vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. an die Bundesstiftung Gleichstellung symbolisch übergeben. Zu Allem rund um die Gleichstellungsberichterstattung der Bundesregierung werden Sie zukünftig dort fündig. Für die aktuelle Geschäftsstelle heißt es insofern Abschied nehmen – und verbunden damit: Alles Gute und viel Erfolg mit den kommenden Gleichstellungsberichten dem Team Gleichstellungsberichterstattung in der Bundesstiftung!

Das ISS e.V. wird auch weiterhin im Bereich Gleichstellung aktiv sein und die umfangreiche Expertise seiner Mitarbeitenden in diesem Feld in Projekten der wissenschaftlichen Politikberatung und darüber hinaus zum Einsatz bringen.

Weitere Informationen finden Sie in der „Aktuelles“ Meldung des ISS e.V.

„Digitale Gewalt jenseits von Hate Speech“

Am 30.11.2022 organisierte die Robert-Bosch-Stiftung eine Veranstaltung für Austausch, Input und Vernetzung zum Thema digitale Gewalt. Die Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht war gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. als Kooperationspartnerin bei der Veranstaltung dabei. Unter dem Titel „Umgang mit Digitaler Gewalt jenseits von Hate Speech: Zwischen Drittem Gleichstellungsbericht der Bundesregierung und Digitalem Gewaltschutzgesetz – wo stehen wir, wo müssen wir hin?“ trafen sich Akteur*innen aus frauenpolitischen Verbänden und zivilgesellschaftlichen (digitalpolitischen) Initiativen, um über aktuelle Problemstellungen und nächste Schritte im Themenfeld digitale Gewalt zu diskutieren.

Weitere Informationen und eine kurze Zusammenfassung der Veranstaltung finden Sie auf unserer Webseite.

1. Gleichstellungstag der Bundesstiftung Gleichstellung

Am 5. und 6. Dezember fand der erste Gleichstellungstag der Bundesstiftung Gleichstellung statt. Mit dem Gleichstellungstag feierte die Bundesstiftung Gleichstellung ihren Arbeitsbeginn und lud gleichstellungspolitische Akteur*innen und Interessierte zu einem umfassenden Programm ein.

Die Leiterin des Bereichs Gleichstellungsberichterstattung bei der Bundesstiftung und ehemalige Co-Leitung der Geschäftsstelle, Dr. Ulrike Spangenberg, moderierte die Paneldiskussion „Gleichstellungsberichte der Bundesregierung – Seismografen und Motoren für Veränderung?“. Im Rahmen der Diskussion wurde die zentrale Funktion der Gleichstellungsberichte als Bestandsaufnahme der Gleichstellung hervorgehoben und wie deren Leitbilder, Ziele und Handlungsempfehlungen in den politischen Diskurs einfließen. Sie dienen als wichtiges Vermittlungsinstrument zwischen Wissenschaft und Politik und dennoch – so Dr. Ulrike Spangenberg in ihrer Einleitung des Panels – bleiben die Handlungsempfehlungen teilweise hinter ihrer gewünschten Wirkung zurück oder Themen geraten wieder aus dem Blick.

Neben zentralen Leistungen der bisherigen Gleichstellungsberichterstattung diskutierten die Podiumsteilnehmer*innen Möglichkeiten und Zielsetzungen für die Zukunft der Gleichstellungsberichte und Wege zur nachhaltigen Verankerung ihrer Erkenntnisse.

Einen detaillierten Bericht zur Paneldiskussion finden Sie auf unserer Webseite.

Themenfokus

Themenfokus Gender Budgeting

Illustrationen von Ka Schmitz / Imke Schmidt-Sári

Die Digitalisierung verändert das Leben vieler Menschen. Auch Fragen hinsichtlich Geschlechterungleichheiten erscheinen in einem neuen Kontext, und gleichstellungspolitische Instrumente und Strukturen müssen angepasst oder neu entworfen werden.  Gender Budgeting beschreibt die gleichstellungsorientierte Erhebung und Verwendung staatlicher Einnahmen und Ausgaben. Dadurch können eine gleichstellungsorientierte Digitalisierung gefördert und Weichen für gleiche Verwirklichungschancen gestellt werden. Diese und weitere Aspekte greift das  Themenblatt Nr. 16 – Gender Budgeting auf.

In der Vergangenheit zeigte sich, dass Männer und Frauen unterschiedlich von öffentlicher finanzieller Förderung profitieren und finanzielle Mittel vorzugsweise in männerdominierten Branchen eingesetzt werden. Dies wird am Beispiel des Konjunktur- und Krisenbewältigungspakets für die Covid-19 Pandemie deutlich: Unter dem Titel „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ ermöglichte es, Investitionen in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, der Sicherheit und neuer Rüstungsprojekte im Rahmen von bis zu zehn Milliarden Euro vorzuziehen. Dagegen erhielt die Pflegebranche, die einen hohen Anteil weiblicher Beschäftigter aufweist, kaum Unterstützung. In Kombination mit einem geschlechtlich strukturierten Arbeitsmarkt und einer durch Ungleichheiten geprägten Gesellschaft reproduziert eine Haushaltspolitik, die die bestehenden geschlechtsbezogenen Ungleichheiten nicht wahrnimmt, also schlimmstenfalls genau diese Ungleichheiten. Die bereitgestellten Finanzmittel zur Förderung der Digitalisierung sollten daher bewusst gleichstellungsorientiert verteilt werden. Auch bei der Vergabe von Förderung von IT-Projekten sollte berücksichtigt werden, ob eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Technikgestaltung verfolgt wird. Zudem ist eine geschlechterparitätische Besetzung der zuständigen Gremien wichtig, um eine geschlechtergerechte Gestaltungsmacht bei der Vergabe öffentlicher Mittel zu erreichen (siehe hierzu auch Themenblatt Nr. 14).

Im Hinblick auf die Digitalbranche zeigt sich, dass hier noch immer eine Unterrepräsentanz von Frauen herrscht und diese von Förderungen in dieser Branche weniger profitieren. Dies zeigt sich bspw.  bei digitalen Start-Up Gründungen, in denen Frauen deutlich unterrepräsentiert sind und in der Gründungsphase einen schlechteren Zugang zu Kapital haben. Die zur Verfügung gestellten Gelder begünstigen aufgrund der diskriminierenden Strukturen häufig männliche Gründer.

Ein wichtiges Element des Gender Budgeting ist die Prüfung von Haushalts- und Fördermitteln auf ihre geschlechtsbezogenen Auswirkungen. Durch eine Gender-Budgeting-Analyse, welche digitalisierungsbezogene Investitionen vor dem Hintergrund bestehender geschlechtlicher Ungleichheiten auf ihre Wirkung hin untersucht, kann eine bessere Datengrundlage geschaffen werden. Darauf aufbauend können zukünftige Budgetentscheidungen und Instrumente an gleichstellungsorientierten Zielen ausgerichtet und Richtlinien für zukünftige Budgetaufstellungen und Gleichstellungschecks entwickelt werden.

Geschlechtsbezogene Ungleichheiten in der Digitalisierungsförderung zeigen sich auch in den Leerstellen beim Schutz und der Prävention vor digitaler geschlechtsbezogener Gewalt (siehe hierzu bspw. diese aktuelle Forderung der Frauenhauskoordinierung e.V.). Durch die unzureichende Finanzierung kann die digitale Sicherheit in Schutzräumen kaum gewährleistet und Kompetenzen im Themenfeld digitaler Gewalt in den Hilfestrukturen nicht ausgebaut werden.

Um gleiche Verwirklichungschancen für alle Personen in einer digitalisierten Gesellschaft zu ermöglichen, sollten die Strukturen für die gleichstellungsorientierte Vergabe öffentlicher Mittel gestärkt werden. Dies kann beispielsweise durch Beratungsstellen zu Fragen der Umsetzung des Gender Budgetings erfolgen.

 

Zum Weiterlesen:

Themenblatt 16: „Gender Budgeting

Kapitel C.II „Gleichstellungsorientierte Haushaltspolitik / Gender Budgeting“ im Gutachtenteil des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

  • Die Wales Women’s Budget Group hat eine Zusammenfassung zum Thema Gender Budgeting erstellt. Darin gehen sie auf Tools ein, die zur Durchsetzung eines Gender Budgeting Ansatzes beitragen sollen. Einer der Hauptaspekte, ähnlich wie in den Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission ist die geschlechtsspezifische Analyse der aktuellen Finanzlage.
  • Auch auf der Webseite von UN-Women gibt es ein Training Manual, in dem Methoden der Gender-Budgeting-Analyse erläutert werden.

Sehen:

Hören:

  • Etwas Allgemeiner: Zum Thema feministische Außenpolitik spricht Kristina Lunz, Gründerin des Centre for Feminist Foreign Policy, im Lila Podcast von Haus Eins. Dabei bespricht sie, wie in der Außenpolitik nach jahrzehntelangem Männer-Überschuss langsam Frauen- und Gender-Perspektiven Einzug erhalten, darunter auch das Thema Gender Budgeting.

Einblick in die Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene Veranstaltungen

In den letzten Jahren haben die Sachverständigen und die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle die Inhalte des Gleichstellungsberichts bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vorgestellt. Auf unserer Homepage finden Sie einen Überblick über die vergangenen Veranstaltungen.

Angesichts unseres Abschieds möchten wir Sie hier auf zwei Beiträge zum „Nachhören und -sehen“ aufmerksam machen:

  • Am 21. September fand die von der Hans-Böckler-Stiftung organisierte Labor.a unter dem Thema „Gute Arbeit in der Transformation“ statt. Die ehemalige Geschäftsstellen-Mitarbeiterin Dr. Mara Kuhl moderierte die Diskussion „Wann, wenn nicht jetzt: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen“ mit PD Dr. Alexandra Scheele (Universität Bielefeld) und Elisa Rabe (Bundesfrauensekretärin, Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten). Die Session können Sie online nachschauen.
  • Ein Vortrag von Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, Mitglied der Sachverständigenkommission, ist bei Deutschlandfunk Nova nachzuhören. Sie spricht über die Regulierung von Algorithmen. Sie finden den Vortrag  hier.

 

An dieser Stelle bleibt uns nun noch, uns von Ihnen zu verabschieden. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Jahresausklang und alles Gute!

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 22.09.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

in unserem September-Newsletter geht es um Geld. Konkret, um die Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern und den Einfluss der Digitalisierung darauf. Im Themenfokus stellen wir euch/Ihnen das neu erschienene Themenblatt zu dieser Thematik vor, das Problematiken, Chancen und Instrumente rund um die Entgeltgleichheit erläutert. Ein paar Tipps zum Weiterlesen, -hören und -schauen haben wir auch gesammelt. Außerdem können wir unter „Aktuelles“ über die Labor.a, die jährliche Konferenz der Hans-Böckler-Stiftung zu Transformationen in der Arbeitswelt, berichten. Dort hat Dr. Mara Kuhl für die Geschäftsstelle die Diskussionsrunde „Wann, wenn nicht jetzt: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen“ moderiert. In derselben Rubrik finden sich auch Infos zu einer neuen, kurzen Veröffentlichung der Geschäftsstelle auf dem Blog des Teams der Frauenbeauftragten der Freien Universität Berlin sowie Neuigkeiten zu personellen Veränderungen in der Geschäftsstelle.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Geschäftsstelle auf der Labor.a | Veröffentlichung auf dem FU-Geschlechter*Gerecht-Blog | Personelle Veränderungen in der Geschäftsstelle

Themenfokus: Digitalisierung und Entgeltgleichheit | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Einblick in die Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Veranstaltungen

Aktuelles

„Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen“ – Die Geschäftsstelle auf der Labor.a 2022

Am 21. September 2022 fand die Labor.a 2022 der Hans-Böckler-Stiftung statt. Angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Transformationsprozesse beschäftigte sich die Konferenz mit der Frage der Gestaltung einer guten Arbeitswelt. Mit dabei war auch die Geschäftsstelle des Dritten Gleichstellungsberichts, die gemeinsam mit den Frauen im DGB Bundesvorstand als Programmpartnerin die Session ‚Wann, wenn nicht jetzt: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen‘ gestaltete. Moderiert von Dr. Mara Kuhl, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, diskutierten Dr. Alexandra Scheele und Elisa Rabe als Expertinnen aus Wissenschaft und Praxis zum Thema Entgeltgleichheit und Digitalisierung.

Unsere Eindrücke von der Veranstaltung und die Zusammenfassung zentraler Diskussionspunkte gibt es jetzt im Beitrag „Wann, wenn nicht jetzt: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen – Session auf der Labor.a 2022“ auf unserer Homepage nachzulesen.

Veröffentlichung auf dem FU-Geschlechter*Gerecht-Blog

Unsere Kollegin Johanna Fuchs stellt in ihrem Beitrag „Gleichstellung und Digitalisierung“ den Dritten Gleichstellungsbericht mit einem Fokus auf den Zugang und Verbleib von Frauen in der Digitalbranche vor. Der Beitrag wurde auf dem Blog des Teams der Zentralen Frauenbeauftragen der Freien Universität Berlin „Geschlechter*Gerecht“ veröffentlicht.

Personelle Veränderungen in der Geschäftsstelle

Zum Ende dieses Monats werden uns unsere geschätzten Kolleginnen Dr. Mara Kuhl und Johanna Fuchs verlassen. Begrüßen dürfen wir ganz neu Mona Lach, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin die Geschäftsstelle vom ISS-Büro in Frankfurt aus unterstützen wird und Lea Möller, die als studentische Mitarbeiterin neu dabei ist. Außerdem ist auch die ISS-Kollegin Anne Stahlmann seit kurzem anteilig in der Geschäftsstelle beschäftigt. Wir wünschen den neuen Kolleginnen alles Gute für die nächsten Monate und verabschieden uns mit besten Wünschen von Mara Kuhl und Johanna Fuchs.

Themenfokus

Digitalisierung und Entgeltgleichheit

Digitalisierung und Entgeltgleichheit
Illustrationen von Ka Schmitz / Imke Schmidt-Sári

Die Digitalisierung stellt an sich weder die allgemein akzeptierten gleichstellungspolitischen Ziele für die Erwerbsarbeit infrage, noch löst sie die vorhandenen Probleme. Wenn aber eine aktive Gestaltung der Digitalisierungsprozesse am Arbeitsmarkt betrieben wird, hätte dieser Prozess durchaus das Potenzial, Verwirklichungschancen für alle Geschlechter zu verbessern. Wie auch in anderen Bereichen, kann die Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für Gleichstellung genutzt werden. Eines der zentralen Themen im Kontext der Erwerbsarbeit ist die Entgeltgleichheit. Der Grundsatz der Entgeltgleichheit besagt, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit gleiches Entgelt gezahlt werden muss. Wird dagegen verstoßen, liegt Diskriminierung beim Entgelt vor. Im Kontext der Digitalisierung entstehen neue Herausforderung auf dem Weg zur Entgeltgleichheit: Die Regelungen im „Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern“ (Entgelttransparenzgesetz) greifen z.B. für Betriebe in der Digitalbranche häufig gar nicht, da es sich bei ihnen oftmals um Klein- und Kleinstbetriebe handelt, die nicht vom Entgelttransparenzgesetz erfasst werden. Die zum Einsatz kommenden Prüfverfahren sind nicht standardisiert und digitalisierungsbezogene Kompetenzen werden so nicht gesichert berücksichtigt.

Einer der Knackpunkte der Entgeltgleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt ist die Bewertung von Arbeit und die Einbeziehung neuer Kompetenzanforderungen. Diese verändern sich oft direkt oder indirekt durch die Digitalisierung:

Einzelhandelsbeschäftige z.B. müssen zunehmend Digitalkompetenzen hinzugewinnen, wie die Bedienung neu eingeführter Technologien im Handel. Sie brauchen jedoch oft auch verbesserte Erklärkompetenzen, um Kund*innen die Funktionsweise neuer Geräte nahezubringen. Oder, ein zweites Beispiel: In der Verwaltung werden Vorgänge zunehmend von Bürger*innen online erledigt. Die Personen, die mit ihren Anliegen zu Terminen vor Ort kommen, hatten oft zuvor technische Probleme oder sind von der Technik überfordert. Das kann zu Frustration führen, mit der Verwaltungsangestellte dann umgehen müssen. Entsprechend sind seitens der zuständigen Verwaltungsmitarbeiter*innen aufgrund der Digitalisierung letztlich erhöhte Anforderungen an Kompetenzen im Umgang mit Menschen und im Konfliktmanagement gefordert. Um diese teilweise versteckten, sich verändernden Anforderungen angemessen miteinzubeziehen, müssen diese zunächst von Unternehmensseite ausdrücklich erfasst und dann in Arbeitsbewertung und letztlich Entlohnung berücksichtigt werden.

Um die Entgeltstruktur im Unternehmen in Hinsicht auf Geschlechtergerechtigkeit zu überprüfen, stehen bereits erprobte Instrumente zur Verfügung. Ein auch im Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht empfohlenes Instrument ist der Entgeltgleichheitscheck „eg-check.de“, der im Themenblatt anhand eines Beispiels erläutert wird. Ob solche Instrumente zur Entgeltgleichheitsprüfung in Betrieben zum Einsatz kommen, entscheidet sich aber oftmals auch an den Rahmenbedingungen. Bereits formulierte einschlägige Leitbilder, eine Finanzierung der Überprüfung durch öffentliche Mittel oder digitalisierte Prüfprogramme sind Faktoren, die dies begünstigen können und somit auch Ansatzpunkte für engagierte betriebliche Akteur*innen, wie z.B. Gleichstellungsbeauftragte und Betriebsräte, bieten können.

 

Zum Weiterlesen:

Themenblatt 15: „Digitalisierung und Entgeltgleichheit“

Kapitel  B.III.1„Arbeit und Arbeitsmarkt im digitalen Transformationsprozess“ im Gutachtenteil des Dritten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung.

Bergmann, Nadja/Pretterhofer, Nicolas/Meißner, Janis Lena/Haselsteiner, Edeltraud (2021): Auf der Suche nach versteckter technologischer Arbeit. Analyse zweier frauendominierter Dienstleistungsberufe im Kontext der Digitalisierung.

Jochmann-Döll, Andrea/Klenner, Christina/Scheele, Alexandra (2022): Entgeltgleichheit im digitalen Wandel? Eine explorative Studie zu betrieblichen Prüfungen der Entgeltgleichheit von Frauen und Männern.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

  • Das Dossier „Auf dem Weg zur Entgeltgleichheit von Frauen und Männern – Daten, Ursachen, Maßnahmen“ gibt einen umfassenden und informativen Überblick über den aktuellen Stand der Entgeltgleichheit in Deutschland. Dabei geht es nicht konkret um das Thema Digitalisierung, die Broschüre bietet jedoch eine gute Basis für detailliertere Betrachtungen. Zum Bestellen oder Download auf der Seite des BMFSFJ.
  • Die Homepage des Programms „Entgeltgleichheit fördern“ sammelt vielfältige Informationen zum Thema Entgeltgleichheit. Zudem wird hier alles rund um den German Equal Pay Award veröffentlicht, der in diesem Jahr zum ersten Mal verliehen wurde.
  • Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat Informationen zum Thema Entgeltgleichheit veröffentlicht: In diesen FAQs auf der Homepage der ADS werden die wichtigsten Fragen beantwortet.

Sehen:

Hören:

  • Die Folge 12 des „Rolle Rückwärts“-Podcast der Arbeitnehmerkammer im Land Bremen und der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) mit Tomke Claußen, Marion Salot, und Clara Friedrich beschäftigt sich unter dem Titel „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Vom Sinn und Unsinn des Entgelttransparenzgesetzes“ mit dem Thema Entgelttransparenz und –gleichheit.
  • Etwas allgemeiner zum Thema feministische Digitalpolitik: Deutschlandfunk Kultur diskutiert in der Podcastfolge „Brauchen wir eine feministische Digitalpolitik?“ die Digitalstrategie der Bundesregierung kritisch. Unter anderem dabei: Elisa Lindinger, die an einer Expertise für das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht mitgewirkt hat.

Einblick in die Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 27.07.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir starten in unsere letzte Projektphase und begleiten Sie/euch auch weiterhin mit spannenden News rund um die Themen Digitalisierung und Gleichstellung. Den Überblick über das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht und all seine Kapitel haben wir im vergangenen Newsletter abgeschlossen, doch die Geschäftsstelle hat noch die ein oder andere Veröffentlichung in der Pipeline. Diese werden wir unter der Rubrik „Themenfokus“ regelmäßig vorstellen. So gibt es in dieser Sommer-Ausgabe z.B. einen Einblick in unser neustes Themenblatt, das sich insbesondere an Gleichstellungsbeauftragte auf kommunaler Ebene richtet. Das Themenblatt zeigt auf, welche Weichenstellungen in den Kommunen notwendig sind, um die Digitalisierung in eine gleichstellungsförderliche Richtung zu lenken. Ein paar Tipps zur weiteren Lektüre und zum Anschauen zum Thema haben wir auch zusammengestellt.

Unter „Aktuelles“ gibt es dieses Mal einen Hinweis auf die Themen der 32. GFMK (Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder), die Bezug zum Gleichstellungsbericht haben. Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: GFMK

Themenfokus: Digitale Kommunen | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

GFMK nimmt vielfach Bezug auf Dritten Gleichstellungsbericht

Die 32. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK), die am 30. Juni und 1. Juli in Hamburg stattfand, unterstrich die Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts und unterstützte seine Handlungsempfehlungen. Unter anderem wurde über folgende digitalisierungsbezogene Themen gesprochen: Filter, Schönheitsideale und Klischees in Sozialen Medien; Gender Data Gap; Frauen in der Digitalbranche; Gründerinnen im IT-Bereich; Geschlechtergerechte und teilhabeorientierte Technikgestaltung; Digitale Gewalt und Diskriminierung im digitalen Raum und mangelnde Sichtbarkeit von Frauen im digitalen Raum am Beispiel von Wikipedia. Die Gesamtheit der Beschlüsse der Konferenz ist auf der GFMK-Homepage einzusehen.

Einen Überblick über weitere Reaktionen auf und Resonanz zum Dritten Gleichstellungsberichts gibt es auf der Website der Geschäftsstelle.

Themenfokus

Digitale Kommunen

Ob Smart City oder Digitalisierung im ländlichen Raum: In ganz Deutschland nutzen Städte, Gemeinden und Kommunen digitale Technologien, um zentrale Aufgaben wie z. B. Energieversorgung, Mobilität und Verwaltung zu verbessern. Durch die Digitalisierungsprozesse gerät vieles in Bewegung und es besteht die Chance, neue Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie zu mehr Geschlechtergerechtigkeit führen. Dafür müssen die beiden Querschnittsaufgaben Digitalisierung und Gleichstellung von Anfang an verschränkt gedacht und realisiert werden. Die kommunalen Gleichstellungsbeauftragten sind dabei ein wesentlicher Motor für die Entwicklung der Geschlechterverhältnisse – und für die geschlechtergerechte Digitalisierung. Sie müssen sich den Herausforderungen der Digitalisierung in besonderer Weise stellen. Welche das für Kommunen sind und was für die Kommunen an Chancen und Risiken in den neuen Technologien drin steckt, darauf gehen wir in unserem aktuellen Themenblatt Nr. 14 – Digitale Kommunen ein.

Wie immer ist die Frage der paritätischen Beteiligung von Frauen in Gremien, die über Sachfragen entscheiden, ein Knackpunkt. Wie Serviceangebote für Bürger*innen und interne Arbeitsprozesse der Verwaltung digitalisiert werden, sollte partizipativ mit und durch Frauen gestaltet werden. Die Mitsprache bei kommunalen Digitalisierungsstrategien spielt dabei eine zentrale Rolle. Denn Kommunen stellen wichtige Leistungen, auf die Bürger*innen angewiesen sind immer mehr auch digital bereit. Bei der Entwicklung der digitalen Programme und Tools, mit denen Bürger*innen zukünftig Zugriff auf Verwaltungsleistungen von Kommunen haben, sollten daher von Anfang an die unterschiedlichen Lebensrealitäten von Menschen mit unterschiedlichen Geschlechtern, Alter, Sprachkenntnissen usw. berücksichtigt werden.

Wie immer ist neben der Frage des Zugangs zu Entscheidungsmacht natürlich auch die Frage des Zugangs zu finanziellen Ressourcen – wie beispielsweise zur kommunalen Wirtschaftsförderung –entscheidend dafür, wie und für wen die Digitalisierung welche Auswirkungen haben wird. Für den ländlichen Raum ist dies eine zentrales Zukunftsthema, insbesondere wenn es um Gründungen geht. Auch Gemeinden können aktiv werden und ihre Instrumente kommunaler Wirtschaftsförderung nutzen, um weibliche Selbstständigkeit in digitalisierten Arbeitsfeldern zu fördern. Dies kann beispielsweise durch Infrastrukturkonzepte wie die Förderung von Co-Working Spaces mit Betreuungsinfrastruktur geschehen.

Neben Möglichkeiten für Weichenstellungen hin zu mehr Gleichstellung in den Kommunen insgesamt, bringt die Digitalisierung der Verwaltung auch Herausforderungen für die interne Struktur kommunaler Verwaltung mit sich. Spätestens seit der Pandemie hat das Mobile Arbeiten auch in der kommunalen Verwaltung einen Schub erhalten. Insbesondere Gleichstellungsbeauftragte sollten einen Blick auf die damit verbundenen teilweise geschlechtsspezifischen Chancen und Risiken haben und sich für entsprechende Regelungen in Dienstvereinbarungen einsetzen (die Sachverständigenkommission positionierte sich positiv zu einem Anspruch auf Mobile Arbeit und erläuterte in ihrer Positionierung die notwendigen gesetzlichen Flankierungen, um diesen gleichstellungsorientiert umzusetzen).

Die Digitalisierung der Verwaltung bringt auch neue Anforderungen an die Kompetenzen der Verwaltungsangestellten mit sich. Es ist wichtig, dass diese Kompetenzen auch finanziell anerkannt und in Fortbildungen vermittelt werden. Häufig wird in solchen Tätigkeitsbereichen von den – meist weiblichen – Beschäftigten erwartet, dass sie sich entsprechende Kompetenzen selbst aneignen. Zugleich zeigt die Statistik, dass nach wie vor Männer häufiger an Weiterbildungen teilnehmen als Frauen. Bei Weiterbildungsangeboten zum weiten Feld der digitalisierungsbezogenen Kompetenzen sollte besonders darauf geachtet werden, dass diese für unterschiedliche Personengruppen – z.B. mit und ohne Sorgeverpflichtung  – gleichermaßen zugänglich und attraktiv gemacht werden.

Last but not least geht das Themenblatt auf das Gleichstellungsdauerthema geschlechtsspezifische Gewalt ein. Im Kontext von Digitalisierung und digitaler Gewalt sind hier Kommunen als Arbeitsgeberin beim Beschäftigtenschutz in der Verantwortung.

 

Zum Weiterlesen: Themenblatt 14 – Digitale Kommunen

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen)

Lesen:

Sehen:

  • Die 26. Bundeskonferenz der kommunalen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten (BAG) des letzten Jahres setzte sich unter dem Titel „Gleichstellung digital – Grenzen überschreiten – Horizonte öffnen“ in mehreren Foren mit der Überschneidung von Gleichstellung und Digitalisierung auseinander. Die Vorträge z.B. von Prof. Dr. Jutta Allmendinger („Holzauge sei wachsam: Digitalisierung, Erwerbsbeteiligung und Karrierechancen von Frauen“) und Diskussionsforen mit Themen wie „Gender in algorithmischen Systemen: Chancen erkennen – Risiken minimieren“ oder „Beleidigung, Hass und Herabsetzung im Netz. Wie umgehen mit Hate Speech und Online-Gewalt?“ können als Videoaufnahmen auf der Konferenzwebsite nachgeschaut werden.

Einblick in die Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

Momentan macht sich das Sommerloch bemerkbar, doch wir möchten schon einmal einige spannende Veranstaltungen im September ankündigen, die niemand verpassen sollte :

  • Das Harriet Taylor Mill Institut greift im September mehrfach Themen aus dem Dritten Gleichstellungsbericht auf: Unter Beteiligung der Kommissionsvorsitzenden Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok findet am 14. September die online-Veranstaltung „Einsatz digitaler Technologien im HR Bereich – Chancen und Barrieren für Diversität und Geschlechtergerechtigkeit“ statt. Eine knappe Woche später, am 20. September wird dann im Format „Politischer Talk“ der Dritte Gleichstellungsbericht insgesamt diskutiert. Mit dabei sind auch Daniela Kluckert (Parlamentarische Staatssekretärin Bundesministerium für Digitales und Verkehr) und Lisi Maier (Co-Direktorin Bundestiftung für Gleichstellung). Anmeldung jeweils über die Veranstaltungsseiten.
  • Ebenfalls schon in den Kalender sollte die labor.a 2022, die am 21. September stattfindet. Die von der Hans-Böckler-Stiftung organisierte Konferenz befasst sich unter dem Titel „Gute Arbeit in der Transformation“ mit vielen Themen mit Gleichstellungsberichtbezug. Das Panel „Wann, wenn nicht jetzt: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für mehr Entgeltgleichheit nutzen“ wird von der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht in Kooperation mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund durchgeführt. Das gesamte Programm sowie die Anmeldung läuft über die Homepage der Hans-Böckler-Stiftung.

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Dritter Gleichstellungsbericht im Familienausschuss

Der Familienausschuss hat sich am Mittwoch den 22.06.2022 vertieft mit dem Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung zum Thema „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ befasst.

Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, ging in ihrem einleitenden Vortrag zunächst auf die Vorhaben der Bundesregierung ein, in denen die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsbericht bereits berücksichtigt sind. Dazu gehören insbesondere die Maßnahmen zur Förderung von Gründerinnen in der Digitalbranche, die konstruktive Begleitung der Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit und das geplante Gesetz gegen digitale Gewalt. Prof. Yollu-Tok begrüßte die Maßnahmen, zeigte für diese Bereiche aber auch weitergehenden Handlungsbedarf auf. Sie empfahl u.a. in der Digitalbranche strukturelle Maßnahmen nicht aus dem Blick zu verlieren und betonte Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten der Sachverständigen. So sollten Bund und Länder eine umfassende und koordinierte Förderstrategie aufbauen, um geschlechtsbezogene Barrieren in der Digitalbranche abzubauen und erfolgreiche Gründungen zu ermöglichen. Im Bereich der Plattformarbeit sind u.a. Reformen im AGG notwendig, um auch selbstständig tätige Plattformarbeiter*innen umfassend vor Diskriminierungen zu schützen. Zum Schutz vor digitaler Gewalt gehört auch, in Fachberatungsstellen, Polizei-, Strafverfolgungs- und Ordnungsbehörden sowie Justiz nachhaltige Hilfestrukturen zu schaffen und Kompetenzen in Bezug auf digitale Gewalt auf- und auszubauen.
Im zweiten Teil ihres Vortrags ging Prof. Yollu-Tok beispielhaft auf Empfehlungen für weitere Bereiche ein, in denen dringender Handlungsbedarf besteht. Dazu gehört der Schutz vor Diskriminierung bei der Entwicklung und beim Einsatz algorithmischer Systeme. Sie begrüßte die europäischen Bestrebungen für eine Verordnung zur Regulierung sogenannter Künstlicher Intelligenz. Die Handlungsempfehlungen der Sachverständigen gehen beim Schutz vor Diskriminierung jedoch weit über die dort vorgesehenen Regelungen hinaus. So sind z.B. konkrete Verfahrensregelungen für den Schutz vor Diskriminierungen notwendig. Dazu gehören u.a. die externe Kontrolle von Hochrisikosystemen sowie institutionelle Vorkehrungen zum Schutz von Betroffenen, etwa Beschwerdestellen und Beschwerderechte, einschließlich einer Verbandsklage. Anders als im Koalitionsvertrag vorgesehen, empfehlen die Sachverständigen zudem einen echten Rechtsanspruch für Mobiles Arbeiten zu verankern und diesen mit weiteren gesetzlichen Regelungen zu flankieren. Solche Regelungen sollten u.a. folgende drei Punkte beinhalten: Freiwilligkeit von mobiler Arbeit sichern, ausreichende Ausstattung des Arbeitsplatzes bereitstellen und Arbeits- und Gesundheitsschutz sicherstellen.
Abschließend wies Prof. Yollu-Tok darauf hin, dass die Neuordnung der Digitalisierungsstrategie von Anfang an mit der Querschnittsaufgabe Gleichstellung verknüpft werden sollte. Zudem sollten bewährte gleichstellungspolitische Instrumente mit den geplanten Maßnahmen verknüpft werden, also das zentrale Digitalbudget mit Gender Budgeting, den Digitalcheck in Gesetzen mit der gleichstellungsorientierten Folgenabschätzung, usw. Gremien, die sich mit Digitalisierung beschäftigen, sollten gleichermaßen mit Männern und Frauen besetzt werden. Hier empfahl sie zu prüfen, ob die Digitalgremien des Bundes als wesentliche Gremien im Sinne des Bundesgremienbesetzungsgesetzes bestimmt werden können.
Die Abgeordneten bedankten sich im Anschluss an den Vortrag noch einmal für die Arbeit der Sachverständigenkommission. In ihren Fragen gingen die Abgeordneten vor allem auf die Rolle der Bundesstiftung, offene Forschungsfragen, Erkenntnisse zu algorithmenbasierten Diskriminierungen, Gründungen in der Digitalbranche, Belastungen für die Wirtschaft, Reformen im AGG und Arbeitszeitregelungen ein.

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 21.06.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

auch in diesem Monat haben wir einiges zu berichten und es gibt gute Neuigkeiten: Die Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht wird voraussichtlich bis Ende des Jahres verlängert, wenn auch mit geringerem Stellenumfang als bisher. Kolleg*innen der Geschäftsstelle stehen daher weiter für Vorträge oder andere Anfragen zur Verfügung. Zu diesen Veränderungen in eigener Sache berichten wir in der Rubrik „Aktuelles“. Außerdem gibt es Neuigkeiten rund um die gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung und wir berichten über die UNESCO-Empfehlung zur Ethik Künstlicher Intelligenz.

In der Rubrik „Einblick ins Gutachten“ sind wir beim letzten Kapitel des Gutachtens „Strukturen und Instrumente“ angekommen. In der Zusammenfassung des Kapitels werden gleichstellungspolitische Instrumente vorgestellt sowie Empfehlungen der Sachverständigenkommission zu deren Weiterentwicklung im Zuge der Digitalisierung. Da wir nun alle Kapitel des Gutachtens vorgestellt haben, wird der Newsletter zukünftig in einem anderen, anlassbezogenen Format verschickt werden.

Während in der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht weiter zu den Themen einer geschlechtergerechten Digitalisierung gearbeitet wird, geht der Staffelstab für den Vierten Gleichstellungsbericht an die Bundesstiftung Gleichstellung über. In der Rubrik „3 Fragen an“ sprechen wir mit der Leitung der Bundesstiftung Gleichstellung über die Aufgaben der Stiftung und wie die Gleichstellungsberichterstattung in der Stiftung weitergeführt wird.

Tipps zur weiteren Lektüre und zum Anschauen zum Thema haben wir auch wieder zusammengestellt.

Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht bis Ende des Jahres verlängert | Bundestags-Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bespricht den Dritten Gleichstellungsbericht | Gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung in elektronische Gesetzgebung implementiert | Veranstaltung zur UNESCO-Empfehlung zur Ethik Künstlicher Intelligenz

Einblick in das Gutachten:  Strukturen und Instrumente | Drei Fragen an die Bundesstiftung Gleichstellung | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht bis Ende des Jahres verlängert

Die ursprüngliche Förderperiode der Geschäftsstelle im Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS e.V.) läuft zum 30. Juni 2022 aus. Voraussichtlich wird das Projekt vom BMFSFJ verlängert, sodass die Geschäftsstelle in geringerem Umfang bis Ende 2022 weiter die Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts in die Öffentlichkeit transferieren und das BMFSFJ zu Themen an der Schnittstelle von Gleichstellung und Digitalisierung beraten kann. Die Leitung des Bereichs Gleichstellung des ISS und damit auch der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht übernimmt ab dem 01.07.2022 Mirjam Dierkes. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin wird Dr. Mara Kuhl in der Geschäftsstelle bleiben sowie Johanna Fuchs als studentische Mitarbeiterin.

Die Co-Leiter*innen Sebastian Scheele und Dr. Ulrike Spangenberg werden neue Herausforderungen angehen, ebenso die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen Jutta Kühl und Dr. Johanna Storck.

Das ISS schreibt zur Zeit eine Stelle für die wissenschaftliche Mitarbeit in der verlängerten Geschäftsstelle aus. Leiten Sie diese Ausschreibung gerne an Interessierte weiter.

Bundestags-Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend bespricht den Dritten Gleichstellungsbericht

Der Dritte Gleichstellungsbericht wird am 22.06.2022 Thema in einer Sitzung des Bundestags-Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sein. Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok wird in das Gutachten einführen und Handlungsempfehlungen präsentieren. Im Anschluss ist eine Diskussion mit den Ausschussmitgliedern geplant.

Gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung in elektronische Gesetzgebung implementiert

Bei jeder gesetzlichen Regelung ist vorab zu prüfen, ob und gegebenenfalls wie die Gleichstellung der Geschlechter betroffen ist bzw. gefördert werden kann. Das schreibt die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) vor. Sie erhebt die Gleichstellung von Frauen und Männern zum durchgängigen Leitprinzip (§ 2 GGO). Dabei geht es darum, fachlich zu prüfen, ob ein Regelungsvorhaben unterschiedliche Wirkungen auf die Lebenssituationen von Frauen und Männern hat. Das BMFSFJ hat dafür bereits 2005 eine Arbeitshilfe erstellt, die 2021 überarbeitet veröffentlicht wurde (Arbeitshilfe gleichstellungsorientierte Gesetzesfolgenabschätzung nach § 2 GGO). Diese Arbeitshilfe ist kürzlich in der digitalen Anwendung zum Rechtsetzungsverfahren „E-Gesetzgebung“ als eigenständiges Modul in der Gesetzesfolgenabschätzung implementiert worden. Ebenfalls wurde sie jüngst verlinkt in der Software „eNorm“ zur Erstellung von Gesetz- und Verordnungsentwürfen.

Diese Implementierung trägt dazu bei, die gleichstellungsorientierten Gesetzesfolgenabschätzung zu stärken, wie es die Gutachten für den Dritten sowie für den Zweiten Gleichstellungsbericht fordern, und stellt einen Schritt dar in Richtung des im Koalitionsvertrag geplanten „Gleichstellungs-Checks“ künftiger Gesetze und Maßnahmen.

Veranstaltung zur UNESCO-Empfehlung zur Ethik Künstlicher Intelligenz

Die Sachverständige Prof. Dr. Claude Draude diskutierte am 25.05.2022 im Rahmen des Workshops „KI als Chance für mehr Geschlechtergerechtigkeit“  die  Empfehlung zur Ethik Künstlicher Intelligenz der UNESCO, der Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur.

Auf unserer Website finden sie einen kurzen Überblick zu der Empfehlung der UNESCO und den im Workshop diskutierten Handlungsempfehlungen an die deutsche Politik.

Einblick in das Gutachten

Gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente

Gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente
Stärkung von gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten

Moderne Verwaltung nutzt institutionelle Strukturen und Instrumente um Querschnittsaufgaben umzusetzen. Im Bereich Gleichstellung schaffen sie auch im Kontext der Digitalisierung wichtige Rahmenbedingungen, um gleiche Verwirklichungschancen durchzusetzen. Sie bilden sozusagen den „Nährboden“ für die geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung. Im letzten Kapitel des Gutachtens wird daher die Frage nach gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten aufgeworfen, die eine gleichstellungsorientierte Digitalisierung befördern und gewährleisten.

Dort, wo mit der digitalen Transformation neue Herausforderungen oder sogar Barrieren für die Gleichstellung entstehen, müssen Regierungen und die öffentliche Verwaltung bestehende gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente anpassen.

Digitalisierungs- und Gleichstellungsstrategien

Gleichstellung betrifft alle politischen Bereich und damit verbundenen Zuständigkeiten – sie ist ein Querschnittsthema. Dasselbe gilt für die Digitalisierung. Daher ist es wichtig, die beiden Querschnittsthemen Digitalisierung und Gleichstellung miteinander verschränkt zu denken und zu realisieren.

Dementsprechend empfiehlt die Sachverständigenkommission die Digitalisierungsstrategie der Bundesregierung mit der ressortübergreifenden Gleichstellungsstrategie zu verschränken.  Digitalisierungsbezogene Strategien sind systematisch auf ihre Gleichstellungswirkung hin zu untersuchen und anzupassen, beispielsweise Strategien zum Thema Künstliche Intelligenz oder digitales Lernen (z.B. KI-Strategie Deutschland oder die KMK-Strategie „Bildung in der Digitalen Welt“).

Wichtig ist, dass die relevanten Gremien, die mit Digitalisierung befasst sind und Strategien erarbeiten, geschlechterparitätisch besetzt sind. Nur dann können unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen in deren Arbeit und Entscheidungen einfließen. Dadurch werden diese wirkungsvoller und gerechter.

Gender Budgeting

Im Kontext der Digitalisierung werden erhebliche finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt. Daher ist hier das gleichstellungspolitische Instrument des Gender Budgeting relevant.  Ohne eine systematische, wirkungsorientierte und geschlechtergerechte Haushaltspolitik besteht das Risiko, dass sich bestehende geschlechtsbezogene Ungleichheiten im Zuge der Digitalisierung verfestigen oder sogar verschärfen.

Das Konjunktur- und Krisenbewältigungspaket „Corona-Folgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ ermöglichte beispielsweise, Investitionen in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung, der Sicherheit und neuer Rüstungsprojekte im Rahmen von bis zu zehn Milliarden Euro vorzuziehen. Dies kam tendenziell Branchen zugute, in denen überwiegend Männer beschäftigt sind. Für die Pflegebranche mit ihrem hohen Anteil an weiblichen Beschäftigten war im Milliardenpaket der damaligen Bundesregierung hingegen kaum etwas enthalten. Obwohl auch die Pflegebranche bei der Digitalisierung Nachholbedarf hat – und bei der Pandemiebekämpfung eine zentrale Rolle spielt.

Gesetzes- und Technikfolgenabschätzungen

Im Kontext der Digitalisierung gewinnt insbesondere die Technikfolgenabschätzung an Bedeutung, da gerade technologische Innovationen unbeabsichtigte Risiken mit sich bringen können.

Die Qualität der Technikfolgenabschätzung sollte daran gemessen werden, dass neben technischen Aspekten politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie die Menschen in ihrer Vielfalt berücksichtigt werden. Ein Beispiel sind Crash Test Dummies: Seit langem wird kritisiert, dass diese männlichen Körpern nachempfunden sind. Computersimulierte Testreihen könnten hier diverse Körper berücksichtigen, etwa die Sicherheitsbedürfnisse schwangerer Frauen. Handelsübliche Dreipunktgurte sind nicht an sie angepasst und können sogar ihren Fötus gefährden. Ein schwedischer Autohersteller bezieht solche Genderaspekte bereits bei der Entwicklung seiner Technologien ein, indem in seinen computersimulierten Testreihen u. a. „schwangere“ Dummies genutzt werden.

Wissenstransfer

Wissen zur komplexen und äußerst dynamischen digitalen Transformation liegt überwiegend in Disziplinen wie der Informatik vor. Dort sind hingegen häufig die Zusammenhänge zwischen Gleichstellung und Digitalisierung und die damit verbundenen Chancen und Herausforderungen nicht bekannt. Diese Lücke an wichtigen Schnittstellen unterstreicht die Notwendigkeit des Wissenstransfers zwischen der Informatik und der Politik, Verwaltung, Wirtschaft sowie der Zivilgesellschaft.  Die Bundesstiftung für Gleichstellung kann das für die Gesellschaft hoch relevante Wissen spezialisierter Fachgebiete u. a. für Verwaltung und Zivilgesellschaft aufbereiten.

Zum Weiterlesen:

Themenblatt 10: „Gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente stärken“

Drei Fragen an die Bundesstiftung Gleichstellung

Was bringt die Bundesstiftung Gleichstellung und wie geht es mit der Gleichstellungsberichtserstattung weiter? Dazu haben wir das Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung Lisi Maier und Dr. Arn Sauer sowie die Leiterin des Bereichs „Wissen, Beratung, Innovation“ Dr. Regina Frey befragt.

Seit Mai 2021 gibt es die Bundesstiftung Gleichstellung. Welche Aufgaben hat die Stiftung?

Lisi Maier:  Unsere grundständigen Aufgaben sind recht klar im Errichtungsgesetz beschrieben: Die Stiftung trägt Informationen zusammen, bereitet sie auf und transferiert das Wissen dahin wo es benötigt wird. Wir können je nach Bedarf auch Studien beauftragen – wir sind aber kein klassisches Forschungsinstitut, das selbst umfangreiche Untersuchungen durchführen wird. Vielmehr liegt einer unserer Schwerpunkte darin, die praktische Gleichstellungsarbeit zu unterstützen und das u.a. durch Beratung der Verwaltung, der Zivilgesellschaft, der Wissenschaft und der Wirtschaft.

Dabei probieren wir auch Neues aus, denn wir sollen laut Gesetz auch innovative Maßnahmen erproben und fördern. Auch die Vernetzung der unterschiedlichen gleichstellungspolitischen Akteur*innen stellt eine Aufgabe der Bundesstiftung Gleichstellung dar. Diese Vernetzung soll durch entsprechende Veranstaltungsformate, sowie durch unser „Offenes Haus der Gleichstellung“ ermöglicht werden. Sobald wir für die Stiftung und die Büros unserer Mitarbeitenden eine dauerhafte Liegenschaft gefunden haben, werden wir dort Konferenz- und Veranstaltungsräume, sowie Co-Working-Plätze für gleichstellungspolitische Akteur*innen zur Verfügung stellen. Da unser Aufbauteam noch auf zwei Standorte in Berlin verteilt ist, hoffen wir das es bald klappt – aber das ist auf dem Berliner Mietmarkt nicht so einfach…

Sie haben bereits das Arbeitsprogramm der Stiftung erarbeitet. Was werden die Schwerpunkte Ihrer Arbeit in den nächsten Jahren sein?

Arn Sauer: Zunächst gilt es, die Stiftung überhaupt aufzubauen. Einen Großteil unserer Energie legen wir deswegen in die Gewinnung des Personals, Beschaffung und den Aufbau interner Prozesse.

Ausgehend von dem, was Lisi Maier gerade beschrieben hat, werden wir unser Wissensangebot aufbauen – also Wissen zu Gleichstellung Schritt für Schritt aufbereiten und auf unser Internetseite stellen. Wir werden Veranstaltungen machen – zum Beispiel im Herbst den Gleichstellungstag. Vor allem aber geht es erst einmal um Bestandsaufnahmen. Wir bereiten gerade Mappings vor – also Erhebungen der verschiedenen Akteur*innen, Themen und Forschung zu Gleichstellung und Gleichstellungpreise. Dies gibt eine Orientierung über das Feld und kann mögliche Wissenslücken in Gleichstellungsthemen offenbaren. Wichtig ist uns, dass wir in gegenseitiger Verstärkung mit den bestehenden Institutionen, Personen und Wissensbeständen zusammenarbeiten.

Auf dieser Basis werden wir in einem strategischen Prozess mit unseren Organen und Gremien und darüber hinaus Schwerpunkte setzen. Wichtig ist dabei zu wissen: der Stiftungsrat verabschiedet unser Arbeitsprogramm, das auch vorher vom Stiftungsbeirat beraten wurde.

Die Geschäftsstelle Erster Gleichstellungsbericht war bei der Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V. angesiedelt, die Geschäftsstellen Zweiter und Dritter Gleichstellungsbericht beim ISS e.V., und mit dem Vierten Gleichstellungsbericht wird die Zuständigkeit an die Bundesstiftung wechseln. Wie wird die Stiftung die Gleichstellungsberichterstattung weiterführen?

Regina Frey: Es macht viel Sinn, die Geschäftsstelle an der Bundesstiftung anzudocken, denn das verspricht Konstanz und Synergien. Die Gleichstellungsberichterstattung wird einen eigenen dauerhaften Bereich in der Stiftung bilden, der jedoch eng verzahnt mit dem Bereich „Wissen, Beratung und Innovation“ und auch der Öffentlichkeitsarbeit sein wird. Auch hier wird gerade das Personal akquiriert, das dann die Arbeit konkret ausgestalten wird. Auch wir sind natürlich gespannt darauf, ob der nächste Gleichstellungsbericht wieder einen thematischen Schwerpunkt haben wird und wenn ja welchen und wen das BMFSFJ in die Sachverständigenkommission beruft. Die Bundesstiftung will die Gleichstellungsberichte jedenfalls in Zukunft in der gleichen fachlichen Qualität fortführen, wie sie die derzeitige Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht zeigt – wohlwissend, dass die Latte hier hoch liegt.

Tipps zum Thema (Lesen und Sehen):

Lesen:

Sehen:

  • Das ZDF zeigt in seiner Reihe „Digital Empire“ zurzeit den Dokumentationsfilm „Programmierte Ungerechtigkeit“ von Edith Löhle und Lena Nagel. Die Doku beschreibt anhand vieler Beispiele wie Algorithmen Menschen in Alltag und Beruf diskriminieren. Außerdem wird erklärt, was gesetzliche Regelungen wie der Data Act dagegen tun können und warum dieser nicht weit genug geht.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

 

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 11.05.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

unser Mai-Newsletter ist da! Passend zum Wirbel um den Twitteraufkauf durch Elon Musk geht es dieses Mal um Soziale Medien. Dabei beleuchtet der „Einblick ins Gutachten“ vor allem, wie Geschlechterstereotype durch Soziale Medien verstärkt werden und welche Empfehlungen die Kommission entwickelt hat, um dagegen anzugehen. Prof. Dr. Hanna Kimpe erläutert in „Drei Fragen an…“ tiefergehend, welche Rolle dabei Empfehlungsalgorithmen spielen. Passende Vorschläge zum Weiterlesen, -hören, oder –anschauen gibt´s wie immer mit dazu. Diesmal finden Sie zudem einen Hinweis auf thematisch anknüpfende Forschungsprojekte.

In der Rubrik „Aktuelles“ geht es ebenfalls um Soziale Medien: Die Geschäftsstelle hat jetzt einen Mastodon-Account. Was, wie, wo und vor allem warum können Sie in der Aktuelles-Meldung nachlesen. Die Rubrik thematisiert zudem die Verständigung von Mitgliedstaaten und Europaparlament zum Digital Services Act.

Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Einigung über Digital Services Act (DSA) | Geschäftsstelle jetzt auf Mastodon vertreten

Einblick in das Gutachten:  Geschlechterstereotype und Soziale Medien | Drei Fragen an Prof. Dr. Hanna Klimpe| Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Forschung)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Einigung über Digital Services Act

Ende April haben sich die Mitgliedsstaaten und das Europaparlament über das Gesetz für Digitale Dienste (Digital Services Act) geeinigt. Der Ende 2020 vorgelegte Entwurf für ein Gesetz über digitale Dienste zielt auf die Regulierung von Online-Plattformen. Das Gesetz ergänzt bzw. aktualisiert die alte E-Commerce-Richtlinie. Es sieht insbesondere einheitliche Haftungs‑ und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen vor. Dazu gehören auch Verfahren zur Meldung und Entfernung illegaler Inhalte, die in Deutschland bislang im Netzwerkdurchsetzungsgesetz geregelt sind. Die Ziele des Digital Services Act entsprechen Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts, wonach Plattformbetreibende u.a. bei digitaler Gewalt stärker in die Pflicht zu nehmen sind. Ein Überblick über die Inhalte und Bedeutung des DSA finden Sie z.B. im Artikel “What does the DSA say?” (25.04.2022) von Daphne Keller oder in einem ausführlichen Twitter-Thread von MEP Alexandra Geese (Bündnis 90/Die Grünen).

Mehr Informationen zu weiteren Datenregulierungsvorhaben der EU finden Sie auf unserer Homepage.

Geschäftsstelle tootet jetzt auf Mastodon

Der angestrebte Kauf von Twitter durch Elon Musk hat Wellen geschlagen. Viele sind verunsichert, wie es bei einem Kauf  auf der Plattform weitergehen würde – insbesondere in Bezug auf demokratische Grundrechte, Datenschutz und Schutz vor Hassrede; Themen, die auch vor dem Kauf schon aktuell waren. Im Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht wurden die Mechanismen, die z.B. in Form der algorithmischen Sortierung von Tweets oder dem Schalten von stereotypisierter Werbung auch Sexismus perpetuieren, ausführlich problematisiert. Wir möchten daher auf eine alternative Plattform aufmerksam machen: Mastodon. Der Nachrichtendienst ist in seinen Funktionen Twitter sehr ähnlich, basiert jedoch auf Open Source Software, verzichtet auf algorithmische Steuerung der Anzeigehäufigkeit und Reihenfolge der Toots (Equivalent zu Tweets auf Mastodon), ist dezentral angelegt und moderiert. Natürlich sind auch dort Problematiken wie Hassrede nicht automatisch ausgehebelt. Anders als bei den meisten kommerziellen Unternehmen besteht bei Mastodon jedoch auf vielen Instanzen zumindest der Anspruch, Diskriminierung durch die Moderation der Nachrichten zu minimieren und ggf. entsprechende Kommentare und Accounts zu löschen (siehe z.B. die Server-Regeln der Instanz „Mastodon social“, auf der unser Account angesiedelt ist). Ausführlichere Informationen zum Hintergrund und zur Einrichtung eines Mastodon-Profils gibt es z.B. im Artikel „Ausgezwitschert: Mastodon als zentrale Alternative zu Twitter“ und „Mastodon – das bessere Twitter?“ von Andreas Izchak Rehberg (2022) bei heise online und mobilsicher oder im Überblick „Fediverse – so geht gutes Social Media“ von Leena Simon (2021) auf dem Digitalcourage-Blog.

Unter dem Namen @gleichgerecht@mstdn.social finden Sie unseren Account bei Mastodon Social. Wir freuen uns über alle, die uns dort folgen möchten und kommende Interaktionen im Fediverse.

Einblick ins Gutachten

Geschlechterstereotype und Soziale Medien

Geschlechterstereotype und Soziale Medien
Geschlechterstereotype und Soziale Medien

Drei Fragen an Prof. Dr. Hanna Klimpe

Prof. Dr. Hanna Klimpe

Prof. Dr. Hanna Klimpe

Prof. Dr. Hanna Klimpe ist Professorin für Social Media an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW Hamburg).

 

Soziale Medien könnten die Vielfalt der Geschlechter widerspiegeln. Stattdessen transportieren sie größtenteils traditionelle Bilder von Männern und Frauen. Wie kommt es dazu?

Auch „klassische“ Massenmedien wie Fernsehen oder Zeitschriften transportieren eher stereotype Geschlechterbilder. Insofern ist es einerseits erwartbar, dass soziale Medien die traditionellen Bilder, von denen unsere gesamte Gesellschaft geprägt ist, ebenfalls widerspiegeln. Natürlich haben User*innen in sozialen Medien prinzipiell die Möglichkeit, sich individuell und komplex zu inszenieren. Eine der großen Hoffnungen von Internettheoretiker*innen wie Donna Haraway und Sherry Turkle Mitte/Ende der 1990er Jahre war, dass Menschen sich im virtuellen Raum frei von der Objektifizierung ihrer Körper inszenieren können. Im Gegenteil zeigen Studien, dass User*innen auf Selfies stärkere Stereotype reproduzieren, als sie z.B. in Werbekampagnen gezeigt werden. Dieser Druck nach Stereotypisierung trifft übrigens Männer ebenso wie Frauen, z.B. darin, den Körperidealen von Fitnessinfluencer*innen zu entsprechen.

Warum werden also in sozialen Medien traditionelle Geschlechterbilder reproduziert, obwohl jede*r im Prinzip frei ist, sich im digitalen Raum selbst zu entwerfen? Soziale Medien funktionieren über das Bedürfnis nach Anerkennung und Sichtbarkeit. Insbesondere für junge Menschen sind soziale Medien ein zentraler Ort für den Austausch mit ihren Peer Groups. Erstrebt wird positive Resonanz in Form von möglichst vielen Likes, Shares und positiven Kommentaren. Orientierung bieten Fotos und Videos von erfolgreichen User*innen, z.B. Influencer*innen, die ebenso wie in „traditioneller“ Werbung mit stereotypen Geschlechterbildern erfolgreich sind. Verknüpft mit dem Bedürfnis nach Anerkennung ist die Sorge vor Sanktionierung durch negative Reaktionen bis hin zu Cybermobbing und Hate Speech – wovon Frauen ebenso wie andere vulnerable Gruppen wie migrantisch gelesene oder behinderte Menschen überproportional betroffen sind. Diese Dynamik aus Bestätigungsbedürfnis und Angst vor Ablehnung wird durch die Funktionsweise der Algorithmen, die die erfolgreichen, auf stereotypen Darstellungen basierenden Geschlechterbilder bevorzugt empfehlen, exponentiell potenziert. Soziale Medien neigen daher dazu, bestehende Stereotype zu verschärfen.

Gleichzeitig haben sich auf sozialen Medien zahlreiche Communities gebildet, die selbstbewusst Geschlechtervielfalt darstellen. Die LGBTQIA+-Community z.B. hat für sich beansprucht, auf TikTok einen eigenen Raum geschaffen zu haben, das sogenannte „Alt-TikTok“ (Alternative TikTok). Dabei muss hinzugefügt werden, dass TikTok laut Recherchen der Tagesschau auch in Deutschland Wortfilter benutzt, um Begriffe aus der LGBTQIA+-Community wie „schwul“, „queer“, „LGBTQ“ oder „homosexuell“ zu unterdrücken. Diese Räume werden bislang zu wenig untersucht, weil sie weitestgehend Nischenphänomene bilden. Dabei wäre dies ein wichtiger Schritt, um mehr Geschlechtervielfalt auf sozialen Medien zu schaffen.

Besonders bildbasierte Plattformen wie Instagram (re-)produzieren mit ihren Empfehlungsalgorithmen geschlechtlich normierte Körperbilder.  Wie funktionieren diese Algorithmen?

Die Algorithmen richten sich zunächst natürlich nach der Strukturierung der Plattformen aus: Eine Plattform wie Instagram ist grundsätzlich auf normschöne, gefilterte Bilder ausgerichtet, TikTok auf Körperinszenierungen durch Tanz und Gesang, die aber durchaus Handlungsspielraum zulassen.

Empfehlungen erfolgen einmal über beliebte Hashtags: Je häufiger ein Hashtag verwendet wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein Foto oder Video mit diesem Hashtag im Empfehlungsfeed angezeigt wird. Dabei sind Hashtags durchaus manipulationsanfällig: So ist es z.B. in der politischen Kommunikation auf Social Media eine beliebte Strategie, Hashtags zu „kapern“, z.B. homophobe Hashtagkampagnen mit Videos von koreanischer Popmusik zu posten, so dass unter diesem Hashtag mehr Popvideos als homophobe Inhalte zu sehen sind. In der entgegengesetzten Richtung funktioniert diese Methode aber natürlich auch.

Zweitens funktionieren Empfehlungsalgorithmen durch KI-basierte Analyse von (Bewegt-)bildern, indem beliebte Körperbilder, Posen, Bewegungen etc. identifiziert und bevorzugt angezeigt werden. Dies führt natürlich dazu, dass stereotype Bilder verstärkt sichtbar gemacht und entsprechend wieder reproduziert werden. Auch hier gibt es Versuche von User*innen, dies zu unterwandern: So ist z.B. 2018 die damals 17-jährige Amerikanerin Feroza Aziz damit bekannt geworden, den Algorithmus von TikTok, der chinakritische Inhalte zensiert hat, zu überlisten, indem sie ein vermeintlich harmloses Schminktutorial produziert hat, in dem sie aber über die Unterdrückung der Uiguren gesprochen hat. Bevor der Algorithmus das Video als inhaltlich kritisch identifiziert und gelöscht hatte, war Aziz längst viral gegangen.

Grundlegend problematisch an Empfehlungsalgorithmen ist die mangelnde Geschlechterdiversität unter Programmier*innen. Algorithmen werden hauptsächlich von Männern programmiert: Der berühmte „Like“-Button auf Facebook wurde ursprünglich von Mark Zuckerberg implementiert, um die Attraktivität seiner Kommilitoninnen zu bewerten. Für geschlechterdiversere Empfehlungsalgorithmen braucht man vor allem auch mehr Frauen* mit Genderkompetenz als Programmiererinnen.

Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht empfiehlt u.a. Empfehlungsalgorithmen Sozialer Medien weniger geschlechterverzerrend und diskriminierend zu gestalten. Was sind dafür aus Ihrer Sicht die wichtigsten Stellschrauben?

Eine wichtige Stellschraube, insbesondere bei jugendlichen User*innen, wäre eine automatisierte und sorgsame Beobachtung der sogenannten Challenges, die Jugendliche oft zu extremem Verhalten animieren. Challenges sind z.B. bei anorektischen Jugendlichen sehr beliebt. Hier müssten Algorithmen diese rechtzeitig identifizieren und die Plattformen eingreifen.

Das soll aber nur ein Beispiel dafür sein, dass Plattformen stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Eine solche Kontrolle darf nicht den Unternehmen überlassen werden: Die Ethikforscherinnen Timnit Gebru und Margaret Mitchell wurden beide bei Google gekündigt, nachdem sie sexistische und diskriminierende Dynamiken in den Google-Algorithmen kritisiert hatten. Die Meta-Whistleblowerin Frances Haugen hat dabei letztes Jahr im US-Kongress detailliert Auskunft darüber gegeben, dass die Unternehmen durchaus in der Lage wären, neutrale oder diverse Inhalte auszuspielen, aber radikale Inhalte bevorzugen, weil diese eine hohe Reichweite erzeugen. Hier müssen für die Unternehmen verpflichtende juristische Grundlagen geschaffen werden.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Forschung)

Lesen:

  • Jessica Orlowicz zeigt in „Empowerment: Wo virtueller Feminismus seine Grenzen hat“ (2021), wie Feministinnen versuchen, sich im Netz zu behaupten und welchen Einfluss Algorithmen und Hassrede in Sozialen Medien auf die Möglichkeiten von Empowerment haben. Interviewt wird unter anderem Dr. Hanna Klimpe.
  • Einen besonders kritischen Blick auf die Kultur der Selbstinszenierung von Influencer*innen und Feminismus, wie er teilweise im Netz gelebt wird, wirft Astrid Exner in ihrem Artikel „Authentische Werbeflächen“ im österreichischen Magazin An.schläge.
  • Einen kurzen Blick auf die andere Seite der Medaille – TikTok als Möglichkeit für queere Jugendliche, sich auszuleben und Communities zu finden – wirft die Kolumnistin Kuku Schrapnell in „Queere Leute auf Tiktok: Checkt sie aus!“ (2020) in der A&K.
  • Auch im Neunten Familienbericht der Bundesregierung (2021) werden Soziale Medien thematisiert. In Kapitel 5.6 (S.201ff.) geht es unter anderem darum, wie Eltern ihre Kinder bei der Nutzung Sozialer Medien begleiten können, damit sie lernen, konsumierte Inhalte und die eigene Darstellung zu reflektieren und mit Risiken wie z.B. Digitaler Gewalt oder der Vermittlung stereotyper Geschlechterbilder vertraut sind.

Sehen:

  • In einem investigativ-journalistischen Experiment haben sich  Svea Eckert, Sulaiman Tadmory und Lena Kampf mit Mechanismen auf Instagram befasst, die Essstörungen befeuern. Der darauf basierende Multimedia-Beitrag kann auf der tagesschau-Seite gelesen, angeschaut und angehört werden. Ergänzend dazu wird in der Puls-Reportage „Aufgedeckt: So gefährlich ist der Algorithmus von TikTok“ gezeigt, wie der TikTok Algorithmus Inhalte wie Depression, Selbstverletzung und Suizid puscht.
  • Die MaLisaStiftung erarbeitete eine der bisher umfassendsten Studien zu weiblicher Selbstinszenierung in Sozialen Medien, die auch in das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht eingeflossen ist. Auf der Homepage der Stiftung erklären die Forscherinnen Prof. Dr. Claudia Wegener, Prof. Dr. Elizabeth Prommer und Dr. Maya Götz in kurzen Videointerviews ihre Ergebnisse.
  • Im ZDF Magazin Royal vom 8. April befasste sich Jan Böhmermann mit Sozialen Medien. Thematisiert wurden u.a. sexistische und rassistische Instagram-Filter, Schönheitsideale und deren Auswirkungen auf junge Menschen, insbesondere junge Frauen.

Hören:

  • In gleich vier Folgen in der Zeit vom 11.01.2022 bis zum 01.02.2022 beschäftigte sich auch der She Likes Tech-Podcast mit der sogenannten „Magersucht-Community“ auf Instagram und den problematischen Dynamiken auf der Plattform.

Forschung:

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Geschäftsstellenmitarbeiterin Mirjam Dierkes wird bei den Frauen-Infotagen der Stadt Ludwigsburg zum Thema „Gleich – Gestellt?! mit Schwerpunkt auf Digitalisierung in der Arbeitswelt“ am 18.05. den Dritten Gleichstellungsbericht vorstellen. Anmeldung und weitere Informationen auf der Website des Landkreis Ludwigsburg.
  • Sachverständige Prof. Dr. Indra Spieker trägt bei der Veranstaltung „Das vermessene Leben – Transformationen der digitalen Gesellschaft“ der Goethe-Universität Frankfurt am 1. und 2. Juli vor. Um ihren Vortrag „Macht durch und von Algorithmen – die Ohnmacht des Einzelnen und was die Regulierung dagegen tut“ zu hören, können Sie sich bis zum 31. Mai per Mail anmelden. Die Teilnahme ist vor Ort oder online jeweils kostenlos möglich.

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 13.04.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

unser April-Newsletter ist wie immer gut gefüllt mit spannenden Inhalten und Ankündigungen.

In der Rubrik „Aktuelles“ können wir unter anderem über die Bundestagsdebatte des Dritten Gleichstellungsberichts berichten, die am 7. April stattgefunden hat. Außerdem gibt es Neuigkeiten zu Veröffentlichungen aus der Geschäftsstelle, der Berufung einer unserer Kolleginnen zur Professorin sowie Neues zum Aufbau der Bundesstiftung Gleichstellung.

Im „Einblick ins Gutachten“ nehmen wir uns diesen Monat das Kapitel zu „Daten und Grundrechten“ vor. Neben der Zusammenfassung zentraler Inhalte gibt es eine kurze Einordnung aktuell wichtiger Gesetzesvorgänge auf nationaler und EU-Ebene im Bereich Daten und Datenschutz sowie ein ergänzendes Interview mit der Sachverständigen Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann, die auf die Zusammenhänge zwischen Gleichstellung, Diskriminierungsschutz und Daten eingeht. Natürlich haben wir auch diesmal wieder Tipps zur weiteren Lektüre, zum Hören und Sehen zusammengestellt, in dieser Ausgabe unter dem Stichwort „Bilden“ ergänzt um Tipps für die pädagogische Arbeit.

Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Bundestagsdebatte zum Dritten Gleichstellungsbericht | Dritter Gleichstellungsbericht in Leichter Sprache | Stiftungsrat und Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Gleichstellung konstituiert | Mitarbeiterin der Geschäftsstelle jetzt Professorin an der HTW | Veröffentlichung aus der Geschäftsstelle in „Geschlechtergerechtigkeit und MINT“

Einblick in das Gutachten:  Daten und Grundrechte | Drei Fragen an Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Bilden)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Bundestagsdebatte über den Dritten Gleichstellungsbericht

Der Deutsche Bundestag debattierte am 07. April 2022 über den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Es gab großes Lob für die Sachverständigenkommission und den Bericht. Besondere Beachtung in den Reden fanden die Themen Frauen in der Digitalbranche und anderen MINT-Berufen, Gründungen, Homeoffice, Algorithmendiskriminierung, Soziale Medien und Geschlechterstereotype sowie digitale Gewalt. Alle demokratischen Fraktionen waren sich über die Wichtigkeit von Weichenstellungen hin zu einer geschlechtergerechten Digitalisierung einig. In ihrer Eröffnungsrede betonte die Parlamentarische Staatsekretärin Ekin Deligöz, dass dies auch in den Haushaltsverhandlungen eine Rolle spielen müsse.

Nach Abschluss der Debatte wurde die Vorlage nun an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für Digitales und den Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Die Liveübertragung der Debatte kann auch nachträglich noch in der Mediathek des Deutschen Bundestags angeschaut werden. Einige zentrale Sprechpunkte der Rednerinnen haben wir auch auf Twitter dokumentiert. Weitere Informationen zudem in der Aktuelles-Meldung zur Bundestagsdebatte auf unserer Homepage.

Dritter Gleichstellungsbericht in Leichter Sprache veröffentlicht

Die Geschäftsstelle hat eine Broschüre mit Informationen zum Dritten Gleichstellungsbericht in Leichter Sprache veröffentlicht. Es werden sowohl die Funktion von Gleichstellungsberichten allgemein wie auch die Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts konkret zusammengefasst dargestellt. Auf unserer Homepage steht die Broschüre in Leichter Sprache zum Download zur Verfügung.

Stiftungsrat und Stiftungsbeirat der Bundesstiftung Gleichstellung konstituiert

Der Aufbauprozess der Bundesstiftung Gleichstellung ist weiter vorangegangen. Am 4. April begannen mit dem ersten Treffen des Stiftungsrates die Gremien der Stiftung ihre Arbeit. Es konstituierte sich der Stiftungsrat aus neun Mitgliedern des Deutschen Bundestags unter Vorsitz der Bundesgleichstellungsministerin, der als oberstes Organ der Stiftung in allen wichtigen Angelegenheiten, beispielsweise über das Arbeitsprogramm der Stiftung entscheidet. Auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des Stiftungsrates stand unter anderem die Berufung eines Stiftungsbeirates, der den Stiftungsrat und das Direktorium fachlich berät. Aus dem wissenschaftlichen Bereich wurden u.a. die Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, sowie Prof. Dr. Carsten Wippermann aus der Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht in den Stiftungsbeirat berufen. Auf der brandneuen Homepage der Bundesstiftung Gleichstellung sowie auf Twitter finden Sie ab jetzt aktuelle Informationen zu weiteren Entwicklungen und der Arbeit der Stiftung.

In eigener Sache: Mitarbeiterin der Geschäftsstelle jetzt Professorin an der HTW

Die Informatikerin unseres Teams, Dr. Andrea Knaut, ist seit Beginn des Monats an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Professorin für Kulturinformatik. Sie lehrt dort vor allem im neuen Studiengang Informatik in Kultur und Gesundheit. Wir freuen uns darüber sehr und wünschen ihr eine erfolgreiche Professur!

Veröffentlichung Beitrag in „Geschlechtergerechtigkeit und MINT“

Noch vor ihrem Wechsel an die HTW verfasste Dr. Andrea Knaut zusammen mit unserer Kollegin Jutta Kühl den Beitrag „Geschlechterverhältnisse in der Digitalisierung“ für den nun erschienenen Sammelband „Geschlechtergerechtigkeit und MINT: Irritationen, Ambivalenzen und Widersprüche“ , herausgegeben von Clarissa Rudolph, Anne Reber und Sophia Dollsack. Hier finden Sie eine  Leseprobe sowie das Inhaltsverzeichnis.

Einblick ins Gutachten

Daten und Grundrechte

Daten und Grundrechte
Daten und Grundrechte

Ob beim Videos schauen, der Suche nach Informationen mit Suchmaschinen oder beim Online-Shopping – bei allen Aktivitäten im Netz, besonders in den Sozialen Medien, werden Daten über unser Verhalten gesammelt. Auch das Smartphone spielt für viele Menschen inzwischen eine zentrale Rolle. Immer mehr Alltagserledigungen werden über das Internet abgewickelt. Dadurch entstehen zunehmend neue Möglichkeiten zur Sammlung von Daten. Bestimmte Mechanismen, wie z.B. die Option, Cookies auszuschalten, können die Datensammlung einschränken. Dennoch werden Daten häufig ohne Wissen der Betroffenen gesammelt und für (unbekannte) staatliche oder private Zwecke genutzt. Die Massen an Daten wecken bei Staat, privaten Unternehmen oder Individuen immer neue Begehrlichkeiten, z.B. mit Blick auf Kontrolle und Überwachung in öffentlichen und privaten Räumen. Zudem kann die unkontrollierte Sammlung und Verwendung von Daten zu Diskriminierung, Ausgrenzung und neuen Formen der Gewalt führen.

Bislang werden Datenschutz einerseits und der Schutz vor Diskriminierung bzw. die Förderung von Gleichberechtigung andererseits im Recht, in der Politik, der Verwaltung und der Wissenschaft selten zusammengedacht. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, aber auch europäische Regelungen wie die Grundrechtecharta beinhalten sowohl Regelungen zum Datenschutz als auch zu Gleichberechtigung und zum Schutz vor Diskriminierung. Das Recht auf Datenschutz wird durch zwei aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete Grundrechte gewährleistet: das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (sog. Datenschutzgrundrecht) und das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (IT-Sicherheits-Grundrecht). Auf europäischer Ebene wird der Schutz vor Überwachung und unbefugtem Datenzugriff v. a. von den Grundrechten auf Datenschutz, Familie und Kommunikationsfreiheit in Art. 7 und Art. 8 der EU-Grundrechtecharta hergeleitet. Der Schutz vor Diskriminierung und die Verpflichtung des Staats auf die Gleichberechtigung von Frauen und Männern hinzuwirken ergeben sich aus Artikel 3 Abs. 2 und 3 des Grundgesetzes. Auf europäischer Ebene entspricht dies weitgehend Art. 21 und 23 der EU-Grundrechtecharta.

Aus der rechtlichen Verankerung folgt, dass Datenschutz, Schutz vor Diskriminierung und Gleichberechtigung zusammengedacht und immer wieder neu überprüft werden müssen.  In der Praxis wird dies z.B. bei der Erstellung komplexer Persönlichkeitsprofile aus im Netz gesammelten Daten relevant. Denn: Die Sammlung und Nutzung dieser Daten über Persönlichkeitsprofile können sich auf den Zugang zu Informationen in Sozialen Medien (Stichwort Filterblasen) oder algorithmisch geschaltete Stellenanzeigen auswirken (hierzu auch mehr in unserem Newsletter zum Thema Algorithmen und Personalauswahl). Daher sind vermeintlich kostenfreie digitale Dienste, die sich durch Datenerhebung, Rekombination, Auswertung und Weitergabe gegenfinanzieren, als äußerst problematisch zu betrachten. An das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist zudem das Recht auf informationelle Selbstdarstellung gekoppelt. Dies beinhaltet die Freiheit über die Darstellung der eigenen Persönlichkeit im Netz zu bestimmen. Die Sammlung und Nutzung von Daten, die z.B. die sexuelle Orientierung einer Person offenlegen, die sich zum Schutz vor Hasskommentaren ein Pseudonym zulegt, kann beispielsweise die von Staat zu schützende informationelle Selbstdarstellung und Diskriminierungsfreiheit gefährden.

Es gibt bereits eine Reihe von nationalen und europäischen Regelungen, die diese Grundrechte schützen sollen.  Aus Sicht verschiedener Sachverständigenkommissionen gibt es jedoch Lücken. Daher unterstreicht die Sachverständigenkommission die Empfehlungen der Datenethikkommission, die DSGVO und die kommende ePrivacy-Verordnung proaktiv und gleichstellungsorientiert zu gestalten und umzusetzen. Dies beinhaltet u.a. von einer ausgreifenden staatlichen und privaten Datensammlung und -auswertung (beispielsweise Vorratsdatenspeicherung, Profilbildung, weitreichende Datenaustauschverfahren, Einrichtung zentraler Datensammelstellen) abzusehen und Software-Hersteller*innen zur Einhaltung der Verordnungen zu verpflichten. Insbesondere im Hinblick auf die Diskriminierungspotenziale algorithmischer Systeme, z.B. in Form von Profilbildung und Überwachung, ist eine umfassende Kontrolle essenziell. Öffentliche Aufträge und Institutionen sollten stets an die Förderung von Datenschutz, IT-Sicherheit und Diskriminierungsfreiheit gebunden sein. Schulen sollte z.B. die Möglichkeit gegeben werden, grundrechtskonforme Open Source Software zu nutzen, statt die Weitergabe von Daten von Schüler*innen und die Vernetzung mit kommerziellen sozialen Netzwerken in Kauf zu nehmen. Die Bildung zu Datenschutz und IT-Sicherheit ist in der schulischen Bildung sowie über den gesamten Lebenslauf zu gewährleisten. Gleichzeitig sollten Datenschutzbeauftragte und -behörden für den Zusammenhang zwischen Diskriminierung und Datenverarbeitung sensibilisiert und mit Blick auf diese Schutzfunktion angemessen ausgestattet werden.

Die Europäische Union hat bereits verschiedene Regelungen beschlossen, die die Erhebung und Nutzung sowie den Schutz von Daten betreffen. Dazu gehören z.B. die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) oder die Datenschutzrichtlinie, die u. a. durch das deutsche Telekommunikationsgesetz umgesetzt wurde.

Seit Anfang 2020 hat die EU auf der Grundlage der EU-Datenstrategie zahlreiche weitere Regelungen auf den Weg gebracht. Ein zentrales Ziel ist es, die ökonomische Wertschöpfung aus Daten, insbesondere auch für in der EU ansässige Unternehmen, zu fördern. Gleichzeitig sollen die Werte der EU berücksichtigt werden, zu denen z.B. die Grundrechtecharta zählt. Die Aktuelles-Meldung zu Datenregulierungsvorhaben der EU auf unserer Webseite gibt einen Überblick zu den aktuellen Vorhaben. Dazu gehören die Verfahren für den sog. Data Act, den Data-Governance-Act, den Digital Services Act und den Digital Market Act, sowie die E-Privacy Regulation. Die Meldung erläutert zudem kurz die bereits bestehenden europäischen Regelungen und weist auf gleichstellungsrelevante Belange hin.

Weiterlesen:

Themenblatt 13: „Daten und Grundrechte“

Überblick: Datenregulierungs-Vorhaben der EU

Hintergrundpapier: Gleichstellungsrelevante Aspekte des EU-Datengesetzes (EU Data Act)

Hintergrundpaper: Gleichstellungsrelevante Aspekte im europäischen Entwurf für ein Gesetz über Künstliche Intelligenz

Drei Fragen an Prof. Dr. Indra Spiecker gen. Döhmann

Indra Spiecker genannt Döhmann

Indra Spiecker genannt Döhmann

Prof. Dr. Indra Spiecker genannt Döhmann ist Professorin für Öffentliches Recht, Informationsrecht, Umweltrecht und Verwaltungswissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Als Sachverständige in der Kommission zum Dritten Gleichstellungsbericht hat sie ihre juristische Perspektive unter anderem in das Kapitel zu Daten und Grundrechten einfließen lassen.

 

Wieso spielt Datenschutz für den Schutz vor Diskriminierungen bzw. Gleichstellung eine so zentrale Rolle?

Datenschutz und Schutz vor Diskriminierung gehen oftmals Hand in Hand. Datenschutz ermöglicht zum einen, dass die einzelne Person Kontrolle darüber behält, wer was über sie weiß und in welchen Kontexten ihre Informationen verwendet werden. Damit kann sie Informationen, welche Diskriminierung ermöglichen oder fördern, kontrollieren. Regelungen zum Datenschutz ermöglichen zum anderen, dass Entscheidungen daraufhin überprüft werden können, ob Informationen in sie eingeflossen sind, die zum Schutz vor Diskriminierung womöglich nicht hätten verwendet werden dürfen, oder jedenfalls nicht für diese Entscheidung.

Eine besondere Herausforderung für den Datenschutz ist die Kontrolle der Daten und der Bewertungsmaßstäbe, die in automatisierte Entscheidungen einfließen. Algorithmische Systeme benötigen eine Vielzahl von Daten. Wenn ein solches System beispielsweise empfiehlt, eine Person als nicht kreditwürdig einzustufen, ist oftmals nicht ablesbar, auf welchen Informationen diese Empfehlung basiert und wie einzelne Informationen gewichtet wurden – vielleicht, weil das durchschnittliche Einkommen in der Nachbarschaft niedrig ist, vielleicht, weil die Antragstellerin alleinerziehend ist und Alleinerziehende ein besonders hohes Armutsrisiko haben oder aus einer Kombination dieser oder anderer Daten. In der Folge werden Menschen nicht anhand ihrer individuellen Merkmale, sondern anhand von Merkmalen beurteilt, die sich aus einer algorithmisch gefolgerten Gruppenzugehörigkeit ergeben. Die Möglichkeit, das eigene Leben zu gestalten nach den eigenen Vorstellungen, wird empfindlich gestört. Denn wer zum Objekt einer derartigen algorithmenbasierten, automatisierten Entscheidung wird, hat meist keine Möglichkeit, sich gegen die Entscheidung zu wehren, da kaum nachvollziehbar ist, worauf sie beruht. Als Sachverständigenkommission haben wir daher in unserem Gutachten empfohlen, personenbezogene Daten besser zu schützen, Diskriminierung zu verhindern, Transparenz in algorithmischen Systemen zu gewährleisten und datenschutzrechtliche Auskunftsansprüche zu konkretisieren.

Die Stiftung Datenschutz, deren dauerhafte Förderung im Dritten Gleichstellungsbericht empfohlen wird, befasst sich seit Anfang Februar mit dem Schwerpunkt Datenschutz und Gleichstellungs-/Antidiskriminierungsrecht. Welche Themen sollen hier bearbeitet werden?

Zunächst muss überhaupt einmal das Anti-Diskriminierungsanliegen des Datenschutzes deutlich herausgearbeitet werden. Die  „Erfinder“ des Datenschutzes haben das in den 1960er und 1970er Jahren sehr wohl mitgedacht, aber in die konkreten Regelwerke ist das dann wegen der Konzentration auf Daten und nicht auf Entscheidungen nur wenig eingeflossen. Es steckt aber in ganz vielen Vorschriften, z.B. im Schutz von „besonderen Daten“ wie Gesundheitsdaten oder im Verbot automatisierter Entscheidungen. An vielen Stellen muss man dann weitergehen und in abstrakten Formulierungen der Gesetze diesen Diskriminierungsschutz auch umsetzen: Wenn also Vorgaben für eine Risikofolgenabschätzung gemacht werden, dann muss die Diskriminierungsdimension aktiv mitgedacht werden.

Wie bewerten Sie mit Blick auf die Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts die neuen Regelungen auf EU-Ebene (Data Governance Act, Data Act)?

Die EU ist seit geraumer Zeit dabei, eine umfassende Digitalisierungsstrategie zu entwickeln. Dabei schaut sie – nach dem Kerngesetz zum Feld des Datenschutzes, der DSGVO – nun auch stark auf besondere Mächtigkeiten von einzelnen Akteuren in der Digitalisierung. Gerade ist die Einigung auf den Digital Markets Act bekannt geworden, mit dem sogenannte „Gatekeeper“, also vor allem die großen Informationsunternehmen, künftig sehr viel fairere Rahmenbedingungen für Wettbewerber schaffen müssen. Aber auch andere Gesetzeswerke wie z.B. der Data Act oder der Artificial Intelligence Act wollen für einen geordneten Umgang mit Daten und digitalen Diensten und Entscheidungen sorgen.

Allerdings wird die Diskriminierungsdimension in sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht – also jenseits der wettbewerblichen Diskriminierung – nur wenig mitgedacht. Es wird vor allem auf die ökonomischen Verwirklichungschancen durch Zugang zu Daten geblickt; welche neuerlichen Gefährdungen damit aber einhergehen können, wird noch zu sehr ausgeblendet. Diskriminierung ist durch Datenzugang grundsätzlich erleichtert, und die Kontrolle digitaler Dienste ist für den Einzelnen zunehmend schwierig. Ob ein algorithmenbasiertes Entscheidungssystem korrekte Daten verwendet und korrekte Bezüge hergestellt hat, können wir als Individuen gar nicht und selbst Fachleute oftmals kaum nachvollziehen, erst recht, wenn komplexe Künstliche Intelligenz eingesetzt wird. Das aber wäre wichtig, um sicherzustellen, dass wir die Rationalitätsversprechen von digitaler Technologie auch einfordern und umsetzen. Denn eine klug entwickelte Digitalisierung wiederholt nicht die Fehler und Schwächen von menschlichen Entscheidern wie Vorurteile und Voreinstellungen, sondern stellt menschliche Qualitäten wie Empathie und Innovationspotentiale in den Vordergrund.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Bilden)

Lesen:

Sehen:

  • Überwachung direkt übers Smartphone? Reporterin Nadine Hadad und Software-Entwickler Sebastian Bayerl vom „BR AI + Automation Lab“ programmieren Apps, um herauszufinden, ob und wie das funktioniert: „Das Abhör-Experiment: Handys können mithören!“
  • Die Verhandlungen für die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union dauerten fast drei Jahre. Die DSGVO ersetzte die teilweise veralteten nationalen Gesetze und gilt seit Mai 2018 in der gesamten EU. Der Schweizer Regisseur David Bernet hat die Entstehung der Verordnung in dem Film „Democracy“ (2019) dokumentarisch festgehalten.
  • Daten werden unter anderem oft zusammengeführt, um Voraussagen über das Verhalten einer Person zu machen. Dies geschieht auch in der Polizeiarbeit. Vor allem in den USA ist das sogenannte predictive-policing eine gängige Praxis. Monika Hielscher und Matthias Heeder haben dies in ihrem Dokumentarfilm „Pre-Crime“ (2017) kritisch in den Blick genommen.

Hören:

  • „So viele Acts, so wenig Zeit“, sagt IT-Fachanwalt Joerg Heidrich im Datenschutz-Podcast „Auslegungssache“. Die Themen sind „EU-Datenstrategie, synthetische Daten, Bias und Datenschutz“. Diskutiert werden von den vielen neuen Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission zur Datenregulierung der Data Act und der AI Act. Zu Gast: Alexandra Ebert vom Unternehmen mostly.ai.
  • Die Relevanz von Daten- und Algorithmen-basierten Prozessen nimmt immer weiter zu, bis hin zur Manipulation von Wahlen oder Entscheidungen im Strafrecht. Doch wie genau werden unsere Daten zu Entscheidungen gemacht, und geschieht das transparent, fair und im regulierten Rahmen? Keine einfachen Fragen, zumal die Algorithmen meistens gut geschützte Firmengeheimnisse sind. Damit beschäftigt sich Folge 86 von März 2022 des Podcast DigDeep.

Bilden:

  • Einer der Schwerpunkte der Bundeszentrale für politische Bildung ist die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Es finden sich auch viele Lehrmaterialien zum Thema Datenschutz und Soziale Medien, so z.B. die Ausgabe „Mein Klick – meine Verantwortung?“ (2013) der Hautnah-Arbeitsblattreihe oder die Arbeitsblatt- und Methodensammlung „Privates im Netz“ (2010) der Reihe „Schule als Talkshow“.
  • Die Internetseite www.klicksafe.de stellt diverse Materialien und Methoden zum Thema Sicherheit im Internet, Datenschutz, Cybermobbing, Soziale Medien uvm. zur Verfügung. Ob für Kinder, Eltern, Jugendliche oder Pädagog*innen – verschiedenste Zielgruppen werden mitgedacht.
  • Das jfc Medienzentrum e.V. hat eine Broschüre mit Methoden, Filmtipps und Informationen zu Big Data für die Jugendarbeit erstellt. Eine Genderperspektive ist darin bislang wenig ausgeprägt, die Materialien sind jedoch eine gute Basis zum Weiterdenken.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 21. April wird Geschäftsstellenmitarbeiterin Mirjam Dierkes bei einer Veranstaltung des Landesfrauenrats Baden-Württemberg den Dritten Gleichstellungsbericht vorstellen. Mehr Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie auf der Seite des Landesfrauenrats.
  • Wie auch im vergangenen Jahr wird die Geschäftsstelle ein Bildungszeit-Seminar für ver.di Stuttgart anbieten. Dieses Jahr wird das ganztägige Seminar, in dem es um die geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung mit Schwerpunkt Homeoffice, Vereinbarkeit und digitale Gewalt gehen wird, am 05. Mai stattfinden. Auf unserer Homepage finden Sie weitere Informationen.
  • Am 19. und 20. Mai veranstaltet die Deutsche Vereinigung für sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung (SAMF) ihre Jahrestagung mit dem Titel „Die geschlechtergerechte Gestaltung des Arbeitsmarktes – Möglichkeiten und Grenzen der Arbeitsmarktpolitik“. Mit dabei sind u.a. Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und Prof. Dr. Miriam Beblo als Vortragende. Dr. Ulrike Spangenberg wird in ihrer Funktion als Vorsitzende der Kommission Recht der sozialen Sicherung, Familienlastenausgleich des djb moderieren. Anmeldung noch bis zum 11. Mai direkt bei der SAMF.

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues vom Aufbau der Bundesstiftung Gleichstellung

Der Aufbauprozess der Bundesstiftung Gleichstellung ist weiter vorangegangen. Nachdem das Aufbauteam der Stiftung im März die Arbeit aufgenommen hat, begannen nun am 4. April mit dem ersten Treffen des Stiftungsrats auch die Gremien der Stiftung mit ihrer Arbeit.

So hat sich am 4. April 2022 der Stiftungsrat aus neun Mitgliedern des Deutschen Bundestags unter Vorsitz der Bundesgleichstellungsministerin Anne Spiegel konstituiert. Der Stiftungsrat überwacht als oberstes Organ der Stiftung die Geschäftsführung durch das Direktorium und entscheidet in allen wichtigen Angelegenheiten, beispielsweise über das Arbeitsprogramm der Stiftung. Auf der Tagesordnung der konstituierenden Sitzung des Stiftungsrates stand unter anderem die Berufung eines Stiftungsbeirates, der den Stiftungsrat und das Direktorium fachlich berät.

Der Stiftungsbeirat besteht aus Vertreter*innen der Länder, Kommunen, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft. Aus dem wissenschaftlichen Bereich wurden u.a. die Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, sowie Prof. Dr. Carsten Wippermann aus der Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht berufen.

Die Funktion des Stiftungsbeirats ist es vor allem, den Stiftungsrat und das Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung in den nächsten drei Jahren inhaltlich zu beraten. Ein Entwurf für das Arbeitsprogramm 2022 mit Namen „Aufbruch ins Jahrzehnt der Gleichstellung – die Bundesstiftung Gleichstellung nimmt ihre Arbeit auf!“ wurde auf der konstituierenden Sitzung schon von dem Direktoriumstandem aus Lisi Maier und Dr. Arn Sauer vorgestellt.

Pünktlich zur ersten Sitzung ging auch die Homepage der Bundesstiftung Gleichstellung ins Netz. Dort sowie auf Twitter finden Sie ab jetzt aktuelle Informationen zu weiteren Entwicklungen und der Arbeit der Stiftung.

Der Dritte Gleichstellungsbericht wird im Bundestag debattiert

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

Prozess der Gutachtenerstellung, Grafik Dritter Gleichstellungsbericht
Prozess der Gutachtenerstellung am Beispiel des Dritten Gleichstellungsbericht

aus aktuellem Anlass möchten wir Ihnen außer der Reihe einen kurzen Sondernewsletter senden mit einem spannenden Hinweis:

Am Donnerstag, den 7. April wird der Dritte Gleichstellungsbericht im Plenum des Deutschen Bundestags debattiert. Die Tagesordnung sieht von 11.40 Uhr bis 13 Uhr viel Zeit für die Debatte der Ergebnisse des Berichts und den weiteren Umgang mit seinen Handlungsempfehlungen vor. Im Anschluss soll der Dritte Gleichstellungsbericht an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur weiteren Beratung überwiesen werden.

Die Liveübertragung der Debatte kann als Stream auf der Seite des Deutschen Bundestags mitverfolgt werden. Danach ist sie in der Mediathek verfügbar. Schauen Sie rein!

Wir werden die Debatte auch über Twitter und im Nachgang auf unserer Homepage dokumentieren. Auf unserer Homepage finden Sie auch einige Hintergrundinformationen zu den Bestandteilen der Gleichstellungsberichte und ihrer Funktion für die politische Willensbildung und Steuerung.

 

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

EU-Kommission bereitet EU-Datengesetz vor – gleichstellungsrelevant?

Am 23. Februar 2022 hat die EU-Kommission den Entwurf eines EU-Datengesetzes vorgelegt („EU Data Act“). Er enthält Maßnahmen für eine faire und innovative Datenwirtschaft. Was heißt das und hat das etwas mit Gleichstellung zu tun?

Der Verordnungsentwurf adressiert speziell die wirtschaftliche Nutzbarmachung von Daten, die z. B. Internet-of-Things-Produkte erzeugen wie z. B. „smarte“ Staubsauger oder vernetzte landwirtschaftliche oder industrielle Geräte. Einige Ziele des Data Acts sind etwa Erleichterung des Zugangs zu und der Nutzung von Daten durch Verbraucher*innen und Unternehmen oder die Nutzung von Daten im Besitz von Unternehmen durch öffentliche Stellen in bestimmten Situationen, in denen ein außergewöhnlicher Datenbedarf besteht.

In einem Hintergrundpapier zeigen wir auf, welche gleichstellungsrelevanten Aspekte der Data Act hat.

Downloads

Deutscher Bundestag debattiert den Dritten Gleichstellungsbericht

Der Deutsche Bundestag debattiert am 07. April 2022, 11.40 Uhr den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung. Der Debatte werden ca. 70 Minuten gewidmet. Daraufhin soll die Vorlage an den federführenden Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur weiteren Beratung überwiesen werden.

 

Die Liveübertragung der Debatte kann über die Seite des Deutschen Bundestags mitverfolgt werden.

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 03.03.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

mit gleich drei feministischen Aktionstagen starten wir besonders aktiv und kämpferisch in den März. Neben dem Internationalen Frauentag, der am 8. März ansteht, gibt es mit dem Equal Care Day, der am 1. März stattgefunden hat und dem Equal Pay Day am 7. März noch zwei Aktionstage mit spezifischem Fokus. Letzteren haben wir uns zum Anlass genommen, in diesem Newsletter etwas aus der Kapitelstruktur des Gutachtens auszubrechen: Passend zum Motto „Equal Pay 4.0“ der diesjährigen Equal Pay Day-Kampagne, initiiert vom Business and Professional Women (BPW) Germany e.V, geht es im „Einblick ins Gutachten“ und dem zugehörigen Interview um das Thema Entgeltungleichheit in der digitalen Arbeitswelt.

Auch unter „Aktuelles“ gibt es dieses Mal einen thematisch passenden Hinweis: Der German Equal Pay Award wird erstmals verliehen. Zudem freuen wir uns, die Veröffentlichung der Dokumentation zur Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ zu verkünden, über die wir im Newsletter regelmäßig berichtet haben. Auch einen Hinweis auf die englische Fassung unserer Website, sowie auf eine frisch veröffentlichte Meldung und Einschätzung aus der Geschäftsstelle zur EU-KI-Verordnung finden Sie in dieser Rubrik.

Abschließend gibt es wie immer Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Dokumentation der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ veröffentlicht | Website der Geschäftsstelle jetzt auf Englisch | Die europäische KI-Verordnung: Übersicht der gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte | Erster „Equal Pay Award“ wird verliehen

Einblick in das Gutachten:  Entgeltungleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt | Drei Fragen an Andrea Jochmann-Döll | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Dokumentation der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ veröffentlicht

Die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts waren der zentrale Impuls für die Veranstaltungsreihe der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut. Doch wie können diese Empfehlungen in der Praxis umgesetzt werden?  Welche konkreten Schritte sind notwendig, um die technologischen Veränderungen im Sinne einer soziotechnischen Perspektive tatsächlich gleichstellungsorientiert zu gestalten, etwa in Bereichen wie Softwareentwicklung, Gründungsförderung oder Plattformökonomie? Das haben wir mit Akteur*innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft in fünf Gesprächen am Runden Tisch diskutiert. Über den Link auf der Website des Dritten Gleichstellungsberichts können Sie die Dokumentation der Veranstaltungsreihe herunterladen.

Website der Geschäftsstelle jetzt auch auf Englisch

Informationen rund um die Gleichstellungsberichte der Bundesregierung sowie einen Überblick über die Themen des Dritten Gleichstellungsberichts in englischer Sprache finden Sie jetzt auf der englischen Website. Auch die ins Englische übersetzten Publikationen, wie die Themenblätter und die Broschüre, sind dort zusammengestellt.

Die europäische KI-Verordnung: Übersicht der gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte des Gesetzentwurfs

Derzeit werden auf EU-Ebene Regeln für algorithmische Systeme entwickelt. Die Geschäftsstellenmitarbeiterin Dr. Andrea Knaut hat Prozess, Ziel und Inhalt des Gesetzentwurfs in einer Aktuelles-Meldung auf unserer Website zusammengefasst. Die prinzipielle Stoßrichtung des Entwurfs für ein Europäisches Gesetz über Künstliche Intelligenz ist im Sinne des Dritten Gleichstellungsberichts. Im Detail gehen die Handlungsempfehlungen des Gutachtens jedoch an vielen Punkten über die derzeitig vorgesehenen Regelungen hinaus. In der Übersicht der wesentlichen gleichstellungs- bzw. diskriminierungsrelevanten Aspekte des Gesetzentwurfs über Künstliche Intelligenz werden die entsprechenden Empfehlungen im Dritten Gleichstellungsbericht zu diesen Themen neben das aktuelle Vorhaben gestellt. Der Gesetzentwurf wird auch zivilgesellschaftlich viel diskutiert. Die Geschäftsstelle hat für Sie ausgewählte Kritikpunkte zivilgesellschaftlicher Organisationen am Gesetzentwurf mit Bezug zum Schutz vor Diskriminierung und Verwirklichungschancen, unabhängig vom Geschlecht zusammengefasst.

Erster „Equal Pay Award“ wird verliehen

Morgen, am 4. März 2022 verleiht Bundesgleichstellungsministerin Anne Spiegel erstmalig den German Equal Pay Award. Der Preis wird im Rahmen des BMFSFJ-Unternehmensprogramms „Entgeltgleichheit fördern“ vergeben. Mit dem Wettbewerb sollen Unternehmen ausgezeichnet und öffentlich vorgestellt werden, die sich in besonderer Weise für Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern engagieren. Zur Jury, die über die Verleihung entscheidet, gehört auch ein Mitglied der Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht: Prof. Dr. Miriam Beblo, die ihre langjährige Expertise zur Bekämpfung von Entgeltungleichheit einbringt. Auf der Website des Programms „Entgeltgleichheit fördern“ gibt es mehr Informationen, sowie den Livestream zur hybriden Veranstaltung am 4. März.

Einblick ins Gutachten

Entgeltungleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt

Gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit. Diese Forderung ist mit der Digitalisierung der Arbeitswelt keineswegs obsolet geworden. Die altbekannten geschlechtlichen Strukturierungen des Arbeitsmarktes und deren Auswirkungen auf Löhne und Einkommen sind weiterhin wirkmächtig. Frauen und Männer arbeiten nach wie vor in unterschiedlichen Branchen und Berufen und Frauen unterbrechen oder reduzieren häufiger ihre Erwerbstätigkeit, um Kinder oder Angehörige zu betreuen. Zudem sind Frauen in Führungspositionen nach wie vor deutlich unterrepräsentiert. Dies alles trägt zum Gender Pay Gap bei, der noch immer bei 18 Prozent liegt.

Das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Digitalisierung diese Strukturen keineswegs einebnet oder sie gar automatisch in Luft auflöst. Vielmehr muss die Digitalisierung der Arbeitswelt bewusst geschlechtergerecht gestaltet werden. Sonst droht sich das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern durch die Digitalisierung noch zu vergrößern.

Dies lässt sich mit Blick auf die Digitalbranche illustrieren:

Die Branche gehört zu den Treiberinnen der Digitalisierung, mit kontinuierlich wachsender Bedeutung. Allerdings ist der Anteil der weiblichen Beschäftigten in den IKT-Berufen mit ca. 17 Prozent nach wie vor sehr gering. Frauen profitieren damit wenig von den Einkommenschancen in dieser sich positiv entwickelnden Branche. Vielmehr besteht die Gefahr, dass sich der branchenübergreifende Gender Pay Gap vergrößert, wenn Frauen von positiven Lohnentwicklungen in der Digitalbranche abgeschnitten bleiben.

Mit dem geringen Anteil in der Digitalbranche sind Frauen ausgerechnet in einer Branche wenig vertreten, in der der Gender Pay Gap mit durchschnittlich 7 Prozent erheblich niedriger ist als in anderen Branchen. Nicht unter den Tisch fallen darf jedoch: Auch hier besteht Handlungsbedarf, denn je kleiner das Unternehmen desto höher der Gender Pay Gap – und kleine und mittlere Unternehmen sind in der Digitalbranche ausgesprochen häufig.

„Ungerechter Lohn verschwindet [auch] nicht, wenn mehr Frauen programmieren“ erläuterte Felicitas Wilke in einem ZEIT-Artikel (2018). Gerade die Geschichte der Softwareentwicklung zeigt, wie sehr geschlechtliche Zusammensetzung einer Branche und Entlohnung zusammenhängen, so Rhaina Cohen im Atlantic-Artikel (2016)  ˮWhat Programming’s Past Reveals About Today’s Gender-Pay Gap“. Der Frauenberuf Computer (Rechnerin) galt zu Beginn der Computergeschichte als eine leichte Bürotätigkeit und wurde nur mäßig entlohnt. Clive Thompson berichtete im Smithsonian Magazine (2019) über “The Gendered History of Human Computers”: Zwar bezahlten Institutionen wie die NASA Rechnerinnen in den 1950ern mehr, als sie in anderen Bürotätigkeiten erhalten hätten und stellten auch Mütter ein. Das unsichtbar gemachte Vermächtnis der Frauen, die Männer sicher auf den Mond schickten, wurde jedoch erst Dekaden später anerkannt. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts – seitdem mehr Männer die IT-Branche eroberten – stiegen Prestige und Bezahlung.

Die Sachverständigen empfehlen u.a. das Entgelttransparenzgesetz zu überarbeiten. Dabei, so die Sachverständigenkommission, sollten die betrieblichen Berichtspflichten im Hinblick auf Gleichstellung und die Prüfpflichten bzgl. der betriebseigenen Entgeltregelungen weiterentwickelt werden. Gesetzliche Regelungen sollten z.B. Standards für Berichte und Prüfverfahren einfordern, Verbindlichkeit herstellen sowie auch für kleinere Unternehmen gelten. Damit würde auch die Digitalbranche mit ihrer spezifischen Größenstruktur besser erfasst.  95% der Betriebe in der Digitalbranche sind Kleinst- oder Kleinbetriebe, für die das Entgelttransparenzgesetz nicht gilt.

Um mehr Frauen für die Digitalbranche zu gewinnen, sie dort aber auch zu halten und ihren Aufstieg zu fördern, empfiehlt die Sachverständigenkommission, Arbeitskultur und Arbeitsorganisation so zu verändern, dass sie auf die Bedürfnisse einer vielfältigen Mitarbeiterschaft ausgerichtet sind – insbesondere auch auf solche mit Sorgeverantwortung. Denn hier handelt es sich nach wie vor zumeist um Frauen. „Fix the company – not the women!“ So die auf den Punkt gebrachte Empfehlung des Gutachtens.

Die mit der Digitalisierung einhergehenden Veränderungen sollten auch außerhalb der Digitalbranche zum Anlass genommen werden, die Bewertung von Arbeitsplätzen und deren Bezahlung genauer unter die Lupe zu nehmen. Damit Arbeit gerecht entlohnt wird und gleicher Lohn für gleiche und gleichwertige Arbeit erzielt werden kann, muss Arbeit zunächst gerecht bewertet werden. Mit der Digitalisierung haben sich Arbeitsanforderungen und -belastungen in vielen Berufsfeldern verändert. Solche (neuen) digitalisierungsbezogenen Anforderungen und Belastungen müssen unabhängig z.B. von überholten Berufs- und Tätigkeitsvorstellungen oder Geschlechterstereotypen erfasst und bewertet werden.

Das von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Projekt „Entgeltgleichheit im Wandel?“ knüpft an die Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichtes an. Dr. Christina Klenner, PD Dr. Alexandra Scheele und Dr. Andrea Jochmann-Döll untersuchen u.a., welche Bedeutung die Digitalisierung von Arbeit für Entgeltgleichheit und deren Überprüfung in Betrieben hat. Für unseren Newsletter beantwortet Dr. Andrea Jochmann-Döll drei Fragen zu den Ergebnissen des Projekts.

Weiterlesen:

Themenblatt 3: „Digitalisierte Wirtschaft: Arbeitsmarkt – Digitalisierung – Geschlechterverhältnisse“

Themenblatt 7: „Digitalbranche: Gleichstellungsorientierte Arbeitskulturen und Arbeitsmethoden“

Drei Fragen an Dr. Andrea Jochmann-Döll

Dr. Andrea Jochmann-Döll

Dr. Andrea Jochmann-Döll

Dr. Andrea Jochmann-Döll ist Wissenschaftlerin und Beraterin; sie betreibt das Forschungs- und Beratungsbüro GEFA (Gender.Entgelt.Führung.Arbeit).

Für ihre Studie haben Sie und ihre Kolleginnen unter anderem vier Betriebe untersucht, die eine Prüfung der Entgeltgleichheit vorgenommen haben. Was unterscheidet diese vier Betriebe von den vielen Betrieben, die eine solche Prüfung bisher nicht vorgenommen haben?

Unsere Studie hat explorativen Charakter. Deshalb haben wir keine repräsentative Auswahl von Betrieben vorgenommen, sondern gezielt Betriebe gesucht, die Prüfungen der Entgeltgleichheit vorgenommen haben. Wir haben sie dort gefunden, wo es engagierte Personen im Betriebsrat gibt, die trotz knapper Ressourcen der Frage der Entgeltgleichheit eine hohe Bedeutung beimessen – und zwar aufgrund ihrer gleichstellungspolitischen Überzeugungen. Dieses besondere Engagement einzelner betrieblicher Akteur*innen scheint das zentrale Unterscheidungsmerkmal zu anderen Betrieben zu sein, in denen Entgeltgleichheit nicht auf die Agenda gesetzt wird. Hierin gleichen sich jedenfalls die von uns untersuchten Betriebe. Zugleich scheint sich positiv auszuwirken, wenn auch der Arbeitgeber gleichstellungs- oder diversity-orientierte Leitbilder verfolgt und sich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren will.

Auch wenn in keinem der untersuchten Betriebe die Entgeltgleichheit im umfassenden Sinne und modellhaft geprüft wurde, waren die Betriebsräte in allen vier Betrieben davon überzeugt, dass eine Überprüfung notwendig ist. Deshalb setzten sie sich unter den gegebenen Bedingungen und Restriktionen für Entgeltgleichheit ein. So wurde in einem Betrieb erfolgreich für eine bessere Entlohnung frauendominierter Arbeitsplätze gekämpft, obwohl der Tarifvertrag über 30 Jahre alt ist und völlig veraltete Tätigkeitsbeschreibungen enthält. Seine Aktualisierung scheiterte am Desinteresse der Arbeitgeberseite. In einem zweiten Betrieb wurden Analysen durchgeführt, die dem Betriebsrat allerdings wenig aussagekräftig erschienen und in deren Folge keine Veränderungen von Entgelten im Betrieb erfolgt sind. In den beiden anderen Betrieben wurde zwar eine Prüfung der Entgeltgleichheit angestrebt, jedoch liegen noch keine Prüfergebnisse vor, da entweder die Prüfungen durch Ressourcenmangel ins Stocken geraten sind, oder sich das gesamte Entgeltsystem noch in der Verhandlung zwischen Betriebsrat und Arbeitgeberseite befindet, da kein Tarifvertrag gilt.

 

Inwiefern macht die zunehmende Digitalisierung von Betrieben eine Prüfung der Entgeltungleichheit umso notwendiger?

Durch Digitalisierungsprozesse verändern sich Tätigkeiten, Arbeitsaufgaben, Arbeitsinhalte und die Organisation der Arbeit in Unternehmen auf unterschiedliche Weise. Als Konsequenz daraus verändern sich auch die Anforderungen und Kompetenzerwartungen an die Beschäftigten. Diese wiederum dienen als Basis der Arbeitsbewertung und Entgeltfindung. Aus der Forschung wissen wir, dass eine mangelnde Berücksichtigung wesentlicher Anforderungen an frauendominierte Tätigkeiten zu ihrer Unterbewertung und vergleichsweise zu geringen Bezahlung führt. Dies gilt es für die digitalisierte Zukunft zu verhindern.

Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass Veränderungen durch die Digitalisierung eher als Evolution, denn als Revolution wahrgenommen werden – also als langsame, fast schleichende Veränderungen. Dies kann jedoch dazu führen, dass veränderte Anforderungen als alltäglich und selbstverständlich wahrgenommen („schleichende Alltäglichkeit“) und deshalb als neue professionelle Anforderungen übersehen werden. Damit bleiben sie möglicherweise bei der Bewertung und Vergütung von Arbeit unberücksichtigt – und führen zu neuen Unterbewertungen.

In einem unserer untersuchten Betriebe wurden im Zuge der Digitalisierung einige Tätigkeiten anspruchsvoller und vielfältiger. Dies traf insbesondere für frauendominierte Arbeitsplätze in der Verpackung zu. So sind hier durch den Einsatz von Maschinen nicht nur die Anforderungen an Planungs-, Organisations-, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit gestiegen, sondern die Beschäftigten müssen auch mehr Verantwortung für die Produktionsanlagen und den Produktionsablauf übernehmen. Durch die Intervention des Betriebsrates konnte ein Teil der Beschäftigten als Maschinenführer*innen qualifiziert und höher eingruppiert werden. Außerdem hat sich der Betriebsrat erfolgreich dafür stark gemacht, dass die gestiegenen Anforderungen an die Anlagenleiter*innen mit einer dauerhaften Zulage honoriert wurden.

In einem anderen Untersuchungsbetrieb wurde der aktuell zu beobachtende Wegfall von Routinetätigkeiten in der Verwaltung, im Personalbereich und im Bereich Finanzen zunächst als positives Ergebnis der Digitalisierung gesehen. Es wurden jedoch auch neue und steigende Anforderungen an geistige Flexibilität und Bereitschaft zu lebenslangem Lernen, Umgang mit Stress und Selbstreflexion beobachtet. Ob es gelingt, diese neuen Anforderungen eingruppierungsrelevant zu berücksichtigen und der Gefahr der Dequalifizierung und langfristigen Senkung des Entgeltniveaus erfolgreich zu begegnen, ist jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Der geltende Tarifvertrag bietet hierfür jedenfalls auf den ersten Blick keine Anhaltspunkte, denn danach ergibt sich die Eingruppierung aus dem formalen Ausbildungsniveau in Kombination mit Verantwortung und Entscheidungsspielraum.

 

Die Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht empfiehlt u.a. Änderungen im Entgelttransparenzgesetz. Beispielsweise sollen die im Gesetz vorgesehenen Prüfverfahren zur Entgeltregelung angepasst werden. Auf was wäre vor dem Hintergrund der Digitalisierung bei einer solchen Neuregelung besonders zu achten?

Was die Verfahren zur Prüfung der Entgeltgleichheit betrifft, haben wir drei Herausforderungen identifiziert, denen sie sich stellen müssen: Erstens stellen aktuelle Tätigkeitsbeschreibungen noch mehr als bislang eine notwendige Grundlage seriöser Prüfungen der Entgeltgleichheit im Sinne diskriminierungsfreier Entlohnung dar. Das gilt für betriebliche Eingruppierungsgrundlagen und für Tarifverträge gleichermaßen. Prüfungen der Entgeltgleichheit müssen also bereits bei den Leitlinien und den Rhythmen der Aktualisierung von Tätigkeitsbeschreibungen beginnen. Die zweite Herausforderung besteht darin, veränderte Anforderungen im kognitiven Bereich, im Bereich psychischer Belastungen und in Bezug auf die Verantwortung der Einzelnen angemessen, differenziert und geschlechtsneutral abzubilden. Hier besteht noch arbeitswissenschaftlicher Forschungsbedarf. Als dritte Herausforderung ergibt sich aus beiden Feststellungen, dass eine Modernisierung vieler Tarifverträge auf die Tagesordnung gestellt werden müsste. Zentral wäre dabei zu überprüfen, ob alle veränderten Anforderungen und Belastungen an den Arbeitsplätzen durch die tariflichen Orientierungs-, Richt- oder Niveaubeispiele erfasst werden. Die Geschlechtsneutralität und Diskriminierungsfreiheit der Tätigkeitsbeschreibungen und der anschließenden Arbeitsbewertung wäre eine wesentliche Anforderung.

Doch nicht nur an die Prüfverfahren selbst, auch an die Rahmenbedingungen ihrer Anwendung sind Forderungen zu erheben. So hat unsere Analyse gezeigt, dass es unabdingbar ist, die Verbindlichkeit der Prüfung deutlich zu erhöhen, und zwar erstens im Hinblick auf die Durchführung der Prüfung, zweitens im Hinblick auf verbindliche Anforderungen an die (idealerweise zertifizierten) Prüfverfahren und drittens im Hinblick auf die Einbeziehung der Tarifverträge in eine verbindliche Prüfung. Außerdem halten wir es für unerlässlich, dass auch Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten zu einer Prüfung der Entgeltgleichheit verpflichtet werden müssen.

Die Erkenntnisse aus unserer Untersuchung stehen somit im Einklang mit den Empfehlungen, die die Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht für das Handlungsfeld Entgeltgleichheit ausspricht. Und auch der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission für eine neue Richtlinie der EU zur Entgeltgleichheit sieht eine größere Verbindlichkeit für die Berichterstattung über Entgeltdifferenzen und das Ergreifen von Maßnahmen zur Gewährleistung der Entgeltgleichheit vor, wie beispielsweise durch die Einführung einer geschlechtsneutralen Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung.

Zum Weiterlesen:

Die Studie ‚Entgeltgleichheit im Digitalen Wandel‘ von Andrea Jochmann-Döll, Christina Klenner und Alexandra Scheele erscheint demnächst als Working Paper bei der Hans-Böckler-Stiftung.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

  • Im Magazin zum Equal Pay Day 2022 der EPD-Kampagne widmen sich verschiedene Autor*innen dem Thema Equal Pay 4.0 aus unterschiedlichen Perspektiven. Beispielsweise spricht Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok über faire Kompetenzbewertung und faire Arbeitsbewertungsverfahren, die notwendig für gerechte Bezahlung sind. Der Soziologe Tom Heilmann stellt die Frage, ob eine Aufwertung der Krankenpflege im Zuge der Digitalisierung möglich ist und Dr. Martin Gruber-Risak beschreibt, was in der Plattformwirtschaft für die Gleichstellung getan werden kann.

Sehen:

  • Im Jahr 1946 programmierten sechs brillante Frauen den ersten rein elektronischen Rechner. Die Arbeit der Frauen blieb jedoch absolut unsichtbar und damit vermutlich – trotz der Tragweite des Projekts – schlecht bezahlt. Die 20-minütige Dokumentation „The Computers“ von Kathy Kleiman macht diese Frauen sichtbar und zeigt einmal mehr, dass zu den wichtigsten Programmierer*innen nicht nur Männer gehören. Der Film kann auf vimeo.de ausgeliehen oder als DVD bestellt werden ($)
  • Ein Klassiker ist der britische Film „We Want Sex“ (Originaltitel: Made in Dagenham) von Nigel Cole aus dem Jahr 2010. Der Film basiert weitgehend auf Tatsachen und beschreibt wie eine Arbeiterin des Ford-Werks von Dagenham unverhofft Vorkämpferin für Equal Pay wird und zum britischen Equal Pay Act von 1970 beiträgt. Der Film kann auf verschiedenen Plattformen gestreamed werden ($).

Hören:

  • Warum gleicher  Lohn keine private Verhandlungssache ist, besprechen die Juristinnen Selma Gather und Dr. Dana Valentiner in der 22. Folge des Podcast Justitias Töchter. Als Gesprächspartnerin ist u.a. Prof. Dr. Nora Markard eingeladen, die als Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. erklärt, warum von rechtlichen Instrumenten kaum Gebrauch gemacht wird und was sich ändern müsste, um Entgeltgleichheit zu erreichen.
  • Im Podcast „Feminismus und Computerkram“  bringt die Organisation heart of code Hackerinnen zusammen, um über Technik und Hacker*innenspaces zu sprechen. In Folge 3 geht es z.B. um das nach wie vor präsente Stereotyp des männlichen Hackers und wie dagegen angekämpft werden kann.
  • In Folge 12 des Podcast „Rolle rückwarts“ sprechen Tomke Claußen und Dr. Marion Salot mit dem Fachanwalt für Arbeitsrecht Jan Scholand über das Entgelttransparenzgesetz. Unter anderem geht es um ein wichtiges Urteil in Bezug auf gleiche Bezahlung, das Scholand 2021 erstreiten konnte.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email [gleichstellungsbericht@iss-ffm.de] an uns wenden.

Veranstaltungen zu Equal Pay 4.0:

Weitere Veranstaltungen:

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 08.02.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

die Februar-Ausgabe unseres Newsletters beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit gleichstellungsrelevanten Fragen rund um die Plattformökonomie und gibt Ihnen damit einen Einblick in das Kapitel „Digitale Wirtschaft“ des Sachverständigengutachtens. Passend zum Kapitelthema konnten wir Mariya Vyalykh von der IG Metall gewinnen, die uns drei Fragen zur Arbeit der Crowdworking-Ombudstelle beantwortet hat.

Unter „Aktuelles“ können wir Ihnen diesen Monat die Veröffentlichung unserer Themenblätter auf Englisch verkünden. Die beliebten Dokumente können so auch über den deutschsprachigen Raum hinaus verwendet werden, beispielsweise im Kontext der zurzeit stattfindenden Verhandlungen rund um eine Plattform-Richtlinie der EU. Zudem finden Sie in dieser Rubrik einen kurzen Bericht des Roundtables zu geschlechtsbezogener digitaler Gewalt, der die Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ am 12.1. abschloss und Hinweise auf den Equal Care Day und den Equal Pay Day, die beide Anfang März anstehen.

Abschließend gibt es wieder Hinweise auf vergangene und Ankündigungen zukünftiger Veranstaltungen, die spannend für Sie sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Themenblätter in englischer Übersetzung veröffentlicht | Fünfter Roundtable zum Thema Digitale Gewalt hat stattgefunden | Equal Care Day am 1. März | Equal Pay Day am 7. März

Einblick in das Gutachten: Gleichstellung in der Plattformarbeit | Drei Fragen an Mariya Vyalykh | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Themenblätter in englischer Übersetzung veröffentlicht

Wir freuen uns, dass jetzt alle 13 Themenblätter zum Dritten Gleichstellungsbericht ins Englische übersetzt wurden. Sie handeln im Einzelnen von den folgenden Themen:

  • Fact Sheet 1: „Digitalisation and Gender Equality – How are digitalisation and gender equality connected?“
  • Fact Sheet 2: „Technology Design: Gender-responsive and non-discriminatory technology design“
  • Fact Sheet 3: „Digital Economy: Labour market – Digitalisation – Gender relations“
  • Fact Sheet 4: „Remote Work: Opportunities and risks of remote work for the reconciliation of paid work and unpaid care work“
  • Fact Sheet 5: „Algorithms and Discrimination: Digitalised discrimination“
  • Fact Sheet 6: „Social Media: Gender stereotypes on social media“
  • Fact Sheet 7: „Digital Industry: Gender equality-oriented working cultures and methods“
  • Fact Sheet 8: „Business Formation / Startups: Female founders in the digital industry“
  • Fact Sheet 9: „Education: Digitalisation-related competence“
  • Fact Sheet 10: „Structures and Instruments: Strengthening gender equality policy structures and instruments“
  • Fact Sheet 11: „Gender Equality in the Platform Economy
  • Fact Sheet 12: „Digital Violence: A new quality of gender-based violence“
  • Fact Sheet 13: „Data and Basic Rights: Data collection and discrimination“

Sie können die Themenblätter auf unserer Website herunterladen.

Veranstaltungsreihe mit fünftem Roundtable zu digitaler Gewalt abgeschlossen

Der fünfte Roundtable unserer Veranstaltungsreihe widmete sich am 12. Januar dem Thema geschlechtsbezogene digitale Gewalt. Impulsvorträge hielten Dr. Regina Frey (Gender-Institut für Gleichstellungsforschung) und Jenny-Kerstin Bauer vom bff (Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland). Anschließend diskutierten Expert*innen der Hilfeinfrastruktur gegen Gewalt gegen Frauen, der Medien sowie aus Beratungsorganisationen die Frage, wie die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts konkretisiert werden können sowie weitere notwendige Schritte im Kampf gegen digitale Gewalt: Heike Herold (Frauenhauskoordinierung e.V.), Tim Baumann (freier Radiojournalist), Maria Fischer (FrauenComputerZentrumBerlin e.V.) und Verena Haisch (Rechtsanwältin für HateAid und Mitglied im djb – Deutscher Juristinnenbund).

Mit dem fünften Roundtable ist die Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut abgeschlossen. Zur Veranstaltungsreihe haben sich über 400 Teilnehmende aus Wissenschaft, Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Politik & Verwaltung registriert. Wir freuen uns sehr über das hohe Interesse, das unsere Erwartungen bei weitem übertroffen hat; zumal viele der Registrierten an mehreren Roundtables teilnahmen. 37 Personen haben durch Inputs oder als Gast der Gesprächsrunden beigetragen und die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts diskutiert. Wir danken den Kooperationspartner*innen, allen Beteiligten und allen Teilnehmenden für die Zusammenarbeit, die spannenden Beiträge und das große Interesse. Zudem danken wir dem BMFSFJ für die Förderung der Veranstaltungsreihe. Mit ihren Registrierungsdaten können Sie sich weiterhin auf der Veranstaltungswebsite einloggen und beispielsweise Präsentationen nachlesen. Derzeit erarbeitet die EAF eine Dokumentation der Veranstaltungsreihe. Wir informieren Sie hier natürlich über das Erscheinen.

Equal Care Day am 1. März

Am 1. März findet der Aktionstag „Equal Care Day“ statt, mit dem die Initiative Equal Care Day auf den Wert der Sorgearbeit und die Folgen ihrer ungleichen Verteilung hinweist.

Der Zweite Gleichstellungsbericht der Bundesregierung stand unter dem Titel „Erwerbs- und Sorgearbeit gemeinsam neu gestalten“ und berechnete erstmals den Gender Care Gap: Frauen leisten statistisch 52,4 % mehr private Sorgearbeit als Männer. Anschließend an den Zweiten Gleichstellungsberichte führte das Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e.V. 2018-2020 das „Gender Care Gap Projekt“ durch, in dem ein Forschungsbericht Einflussfaktoren auf den Gender Care Gap und Instrumente für seine Reduzierung darstellte. Der Dritte Gleichstellungsbericht stellte dem mit dem Gender Care Share einen weiteren Indikator zur Seite, um Aussagen auch auf Haushaltsebene treffen zu können. Der Gender Care Share misst den Anteil, den Frauen innerhalb von Paarhaushalten an der informellen Sorgearbeit leisten. Er liegt im Durchschnitt aller gemischtgeschlechtlichen Paare in Deutschland bei 66 Prozent (2017). Auch in den Berufen der erwerbsförmigen Sorgearbeit sind mehrheitlich Frauen tätig.

Der seit 2016 jährlich stattfindende Equal Care Day bringt der Sorgearbeit Sichtbarkeit und fordert solidarische nachhaltige Lösungen ein. Auf der zentralen hybriden Veranstaltung am 1.3., 9-18 Uhr spricht u.a. Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Mitglied der Sachverständigenkommission für den Zweiten Gleichstellungsbericht.

Equal Pay Day am 7. März

Knapp eine Woche später, am 7. März, wird der Equal Pay Day stattfinden, dieses Jahr unter dem Motto „Equal pay 4.0 – gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt“. Bei der Kick-Off-Veranstaltung im Oktober sprach Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok u.a. mit der Organisatorin der Kampagne Uta Zech über Entgelt(un)gleichheit in der digitalisierten Wirtschaft. Hier finden Sie ein Video der Veranstaltung.

Zum Equal Pay Day organisiert auch der deutsche Juristinnenbund eine überregionale Veranstaltungsreihe. Der Auftakt findet bereits morgen Abend statt. Dr. Katarina Barley, MdEP spricht über die Möglichkeiten und Herausforderungen den Gender Pay Gap auf europäischer Ebene zu schließen. Auf einem Padlet finden Sie Informationen zur Veranstaltung und vorbereitende Informationen zu Equal Pay in Europa zusammengestellt. Einschlägig zum Thema Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten ist auch die Veranstaltung der Reihe am 22. Februar, 19-20:30 Uhr mit PD Dr. Alexandra Scheele. Sie wird dort eine neue Studie vorstellen u.a. zur Frage, wie der digitale Wandel die Bewertung von Arbeit beeinflusst und wie sich dies auf die Entgeltgleichheit auswirkt. Eine Anmeldung ist bis zum 22.02.2022 möglich.

Im unserem März-Newsletter werden wir sie vertieft über das Thema Entgelt(un)gleichheit in der digitalisierten Arbeitswelt informieren.

Einblick in das Gutachten

Gleichstellung in der Plattformarbeit

Plattformökonomie, neue Formen von Arbeit und Geschlechterverhältnisse

Es gibt inzwischen zahlreiche Plattformen zur Vermittlung von Arbeit, die als click-, cloud-, crowd- oder auch gig work bezeichnet wird. Dabei werden sowohl Arbeiten vor Ort vermittelt, beispielsweise Reinigungsdienste, Gartenarbeit, Liefer- und Fahrdienstleistungen, als auch ortsunabhängige digitale Arbeiten, wie zum Beispiel Übersetzungen, Grafikdesign, Programmierung oder Texterstellung.

Mit Plattformarbeit werden vielfältige Versprechungen verbunden, was neue Verwirklichungschancen v. a. für Frauen betrifft. Chancen werden insbesondere in den niedrigschwelligen, räumlich und zeitlich flexiblen Erwerbs- und Zuverdienstmöglichkeiten gesehen, die es erleichtern können, Erwerbs- und Sorgearbeit zu vereinbaren oder den Wiedereinstieg ins Erwerbsleben zu schaffen.

Jedoch deuten Studien aus den USA sowie ganz aktuell des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) schon jetzt darauf hin, dass Plattformarbeit mit zahlreichen gleichstellungsrelevante Risiken und Nachteile einhergehen kann. Gleichstellungspolitische Probleme des traditionellen Arbeitsmarktes wie unzureichende soziale Absicherung, Entgeltunterschiede, ungleiche Verteilung von Sorgearbeit oder Gewalt finden sich auch im Kontext von Plattformarbeit wieder – unter erschwerten Rahmenbedingungen. Zudem bringt Plattformarbeit neue Problematiken mit sich wie z.B. die Verschleierung von Ungleichheiten durch die für Plattformarbeit typischen algorithmenbasierten Management-Systeme.

Plattformarbeit wird meist als (solo-)selbstständige Arbeit eingeordnet. Dies wirkt sich auf die Geltung der gesetzlichen Bestimmungen zum Mindestlohn, zum Kündigungsschutz, zur sozialen Absicherung sowie zum Schutz vor Diskriminierung z.B. durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz aus. Gerade für Soloselbständige im Niedriglohnbereich, bei denen es sich häufig um Frauen handelt, sind vor allem die langfristigen Risiken in Bezug auf die soziale Absicherung groß. Plattformarbeit setzt somit den problematischen bestehenden Trend hin zu prekären, ungenügend abgesicherten Arbeitsverhältnissen fort.

Auch in der Plattformarbeit besteht das Risiko, dass Frauen und Männer unterschiedlich bezahlt werden. Studien weisen darauf hin, dass die unterschiedliche Bezahlung neben Einflüssen der Ungleichverteilung von Sorgearbeit z.B. ebenso wie auf dem regulären Arbeitsmarkt mit der Bewertung von frauen- und männerdominierten Tätigkeiten zusammenhängt. Zudem kann die Funktionsweise von Bewertungsmechanismen (Reputationen) und automatisierten Rankingsystemen auf den Plattformen strukturelle Ungleichheiten reproduzieren oder verstärken. Denn Bewertungen von Auftraggeber*innen spiegeln häufig gesellschaftlich vorhandene Vorurteile und Stereotype wieder: So erhalten Frauen oft weniger oder schlechtere Bewertungen als Männer. Wer mehr gute Bewertungen erhalten hat, wird wiederum vom Algorithmus höher gerankt und hat so mehr Chancen, weitere Aufträge zu erhalten oder besser bezahlt zu werden (Um mehr über die Diskriminierungsrisiken algorithmischer Systeme zu erfahren, können Sie unseren Newsletter zum Thema Algorithmen nachlesen). Offen ist bislang, inwieweit es sich bei den Unterschieden in der Bezahlung um (rechtliche) Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts (oder der Herkunft) handelt. In Diskussionen um Entgeltunterschiede in der Plattformarbeit werden die Unterschiede vielmehr pauschal auf gesellschaftliche Ungleichheiten zurückgeführt. Inwieweit die Kriterien für die Bewertung und Bezahlung von Plattformarbeit und die daran anknüpfenden algorithmischen Systeme diskriminierend sind, wird demgegenüber kaum thematisiert.

Viele Plattformarbeiterinnen sind zudem sowohl bei online- als auch bei offline-Diensten von (digitaler) Gewalt betroffen. Durch die Arbeit in privaten Räumen (beispielsweise bei Reinigungsdienstleistungen), die Anonymität der Kontaktaufnahme und die Furcht vor negativen Bewertungen haben etwaige Übergriffe eine neue Qualität (mehr Informationen zu digitaler Gewalt in unserem letzten Newsletter). Aufgrund der Unsicherheit der Tätigkeit, des schwachen rechtlichen Status der Arbeiter*innen und der kurzen Dauer der Tätigkeit werden Grenzüberschreitungen oftmals nicht als solche wahrgenommen oder eher toleriert. Anders als in vielen Unternehmen gibt es auf Plattformen außerdem meist keine Ansprechpersonen, die bei Gewaltfällen unterstützen.

Eine der zentralen Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission ist die Klärung des rechtlichen Status von Plattformarbeitenden. Unabhängig vom rechtlichen Status muss Platt­formarbeitenden zudem eine eigenständige, existenzsichernde und diskriminierungsfreie Arbeit ermöglicht werden, beispielsweise durch Anwendung des Allgemeinen Gleichstellungsgesetzes und Anspruch auf Entgeltgleichheit. Dazu gehören auch Unterstützungsmechanismen wie z.B. Beschwerdestellen im Fall von Diskriminierungen.

Ohne soziale Absicherung wird Plattformarbeit – insbesondere für Frauen – zu einer Sackgasse im Lebensverlauf. Besonders sichtbar wird diese Notwendigkeit im Bereich der Pflege, in dem die Lücke öffentlicher Versorgung durch „Plattformisierung“ gefüllt wird. Über entsprechende Plattformen können pflegerische und betreuerische Dienstleistungen gebucht werden. Der Status als Selbstständige ist hier besonders verbreitet. Insbesondere Migrantinnen, die aufgrund von Mehrfachdiskriminierung und teilweise prekärem Aufenthaltsstatus häufig weniger Ausweichoptionen haben, sind dabei mit den prekären Bedingungen und der Risikoverlagerung auf Plattformarbeitende konfrontiert. Ein möglicher Weg aus der Prekarisierung könnten öffentliche bzw. staatlich organisierte Plattformen sein, die im Bereich der Sorgearbeit vorbildliche Rahmenbedingungen für plattformvermittelte Arbeit schaffen. Dies könnte mit dem bereits im Zweiten Gleichstellungsbericht vorgeschlagenen Gutscheinsystem für haushaltsnahe Dienstleistungen verknüpft werden, das im aktuellen Koalitionsvertrag enthalten ist.

Der Koalitionsvertrag thematisiert auch explizit Plattformarbeit. Die Bundesregierung will mit dem Blick auf gute und faire Arbeitsbedingungen bestehendes Recht überprüfen und Datengrundlagen verbessern. Dies soll zum einen über den Dialog mit Plattformbetreibenden, Plattformarbeiter*innen und Sozialpartnern erreicht werden. Zum anderen will die Koalition europäische Regelungsvorhaben konstruktiv begleiten bzw. unterstützen. Dazu gehört insbesondere der aktuelle Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit, der u.a. Änderungen bei der Feststellung des rechtlichen Status von Plattformarbeiter*innen vorsieht (hier ein Überblick zu den Inhalten mit Bezug zu den Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts). Dazu gehört aber auch der aktuelle Vorschlag für eine Verordnung zur Regulierung algorithmischer Systeme (Gesetz über Künstliche Intelligenz/Artificial Intelligence Act), die auch für den Einsatz von algorithmischen Systemen in der Plattformarbeit gilt. Bislang fehlt es hier aber u.a. noch an den von der Sachverständigenkommission geforderten konkreten Regelungen zum Schutz vor Diskriminierung und Rechten für die vom Einsatz dieser Systeme betroffenen Menschen. Ein Überblick zu den Inhalten mit Bezug auf Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission wird zurzeit in der Geschäftsstelle erstellt und im nächsten Newsletter aufgegriffen werden.

 

Weiterlesen:

Themenblatt 11: Gleichstellung in der Plattformökonomie.

Drei Fragen an Mariya Vyalykh

Mariya Vyalykh

Mariya Vyalykh

Ein Beispiel für die oben angesprochenen institutionellen Unterstützungsmechanismen sind Beschwerde- und Ombudsstellen. Die IG Metall hat eine solche Ombudsstelle für Crowdworker*innen eingerichtet. Mariya Vyalykh vom Projekt Crowdsourcing im IG Metall Vorstand berichtet uns aus der Arbeit der Ombudsstelle.

Die IG Metall hat eine Ombudsstelle für Crowdworking-Plattformen eingerichtet, um die Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitenden zu verbessern. Können Sie uns die Arbeit der Ombudsstelle kurz beschreiben?

Die Ombudsstelle versteht sich als Vermittlerin zwischen Crowdworker*innen und Plattformen, die den Code of Conduct für bezahltes Crowdworking unterschrieben haben. Der Code of Conduct hat das Ziel, gute Standards für die Arbeitsbedingungen auf den Plattformen zu schaffen und beizubehalten. Die unterzeichnenden Plattformen verpflichten sich beispielsweise freiwillig zu fairer Bezahlung, einer klaren Beschreibung der vergebenen Aufgaben und einem fairen, neutralen Prozess für Beschwerden von Seiten der Crowdworker*innen.

Mit der Entwicklung des Code of Conducts kam die Idee auf, eine unabhängige Schlichtungsstelle einzurichten. Diese soll die Selbstverpflichtung des Codes noch wirksamer machen und potentielle Konflikte fair lösen. Die Ombudsstelle arbeitet ehrenamtlich.  Sie ist derzeit besetzt mit einer Richterin des Arbeitsgerichts Frankfurt als neutrale Vorsitzende, Vertretern des Deutschen Crowdsourcing Verbands e.V., einer Vertreterin einer Plattform, die den Code of Conduct unterschrieben hat, sowie Vertreter*innen des IG Metall Vorstands aus dem Projekt Crowdsourcing. Außerdem sind zwei Crowdworker vertreten. Die Administration läuft über die IG Metall.

Crowdworker*innen, die sich auf einer Plattform ungerecht behandelt fühlen, können ein Online-Formular ausfüllen und ihr Problem ausführlich beschreiben. Die Administration anonymisiert die Fälle und teilt sie der Ombudsstelle mit.

Die Ombudsstelle diskutiert die Fälle und fasst formelle Beschlüsse. Diese werden an die Plattform und an die Beschwerdeführer*in geschickt. Gesucht werden dabei vorrangig einvernehmliche Lösungen. Wenn ein Fall komplizierter ist,  werden mehrere Stellungnahmen von beiden Seiten eingeholt und evaluiert, um die beste Lösung zu finden.

Mit welcher Art von Fällen können sich Plattformarbeitende an die Ombudsstelle wenden? Inwiefern spielt bei den Fällen direkte oder indirekte Diskriminierung z.B. bezogen auf Geschlecht, Herkunft oder Sprache eine Rolle?

Bisher wurden von der Ombudsstelle ca. 110 Fälle bearbeitet. Die gemeldeten Fälle bezogen sich dabei häufig auf falsche, verspätete oder fehlende Zahlungen, Streitigkeiten um die Annahme von Aufträgen oder Schwierigkeiten mit der Authentifizierung von internationalen Ausweisen.

Fälle von Diskriminierung wurden bisher noch nicht an die Ombudsstelle herangetragen. Plattformarbeiter*innen können sich aber natürlich auch in Fällen von Diskriminierung an die Ombudsstelle wenden. Beispielsweise wenn sie denken, dass sie wegen ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft schlechter bezahlt werden, seltener Aufträge bekommen oder Übergriffe erleben, ohne dass die Plattform aktiv wird. Der respektvolle Umgang zwischen Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen ist Teil der Grundsätze des Code of Conduct. Die Ombudsstelle setzt sich daher auch für den Schutz vor Diskriminierung ein.

Wie kann die Ombudsstelle praktisch wirken, um die Arbeit auf Plattformen gerechter zu gestalten?

Die Beschlüsse der Ombudsstelle sind nicht rechtlich verbindlich. Das wäre extrem kompliziert, da der Code of Conduct eine Selbstverpflichtung ist. Die Plattformen sind zudem in verschiedenen Ländern ansässig, sodass es sich um mehrere Länder und Rechtslagen handeln würde. Die Bindung der Plattformen an den Code of Conduct ist jedoch stark. Die Plattformen nehmen die Ombudsstelle als sehr seriös wahr. Bisher sind die Plattformen bei Konfliktfällen den Entscheidungen der Ombudsstelle immer gefolgt. Der Code of Conduct in Verbindung mit der Ombudsstelle hat somit das Potential für faire Bedingungen zu sorgen.

Unser Wunsch ist, dass alle Crowdworker*innen und Soloselbstständige sich an eine unabhängige Schlichtungsstelle wenden können. Bisher gilt das nur für die Crowdworker*innen auf Plattformen, die den Code of Conduct unterschrieben haben. Alle Crowdworker*innen und Soloselbstständigen sowie alle Plattformen würden von so einer allgemeinen Schlichtungsstelle profitieren. Der bestehende Code of Conduct für bezahltes Crowdworking kann jedoch nicht alle Plattformen annehmen. Viele Plattformen entsprechen bisher nicht dem hohen Standard des Codes. Außerdem sind die Plattformen sehr unterschiedlich. Lieferdienstplattformen bräuchten, zum Beispiel, eine eigene Ombudsstelle. Die Probleme auf diesen Plattformen unterscheiden sich teilweise stark von den Problemen auf ortsungebundenen Plattformen.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

  • Was es mit dem erwähnten Vorschlag der Europäischen Kommission zur Regulierung von Plattformarbeit auf sich hat, erklärt HSI-Direktorin Dr. Johanna Wenckebach im Böckler-Impuls „Plattformen in die Pflicht nehmen“ (2022).
  • Die aktuelle Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen (EIGE) „Artificial intelligence, platform work and gender equality“ (27.01.2022) gibt einen umfassenden Einblick in die Arbeitsbedingungen und geschlechtsbezogene Ungleichheiten in der Plattformarbeit. Dazu wurden u.a. 5000 Plattformarbeitende in zehn Ländern der EU (wenngleich ohne Deutschland) befragt. Zudem werden Regulierungen der Plattformarbeit auf europäischer und nationaler Ebene vorgestellt und bewertet.
  • Der EUROFOUND Policy Brief „Initiatives to improve conditions for platform workers: Aims, methods, strengths and weaknesses“ (02.12.2021) stellt u.a. den deutschen Crowdsourcing Code of Conduct vor.
  • Die Denkfabrik Digitale Arbeitsgesellschaft hat für das BMAS Vorschläge erarbeitet, wie die Rechte von Plattformtätigen gestärkt werden können. Auf der Website sind die Artikel zur Plattformökonomie zusammengestellt, einschließlich der Eckpunkte des BMAS für „Faire Arbeit in der Plattformökonomie“.
  • Der Sammelband „Plattformkapitalismus und die Krise der sozialen Reproduktion“ (Verlag Westfälisches Dampfboot, 2021), herausgegeben von Moritz Altenried, Julia Dück und Mira Wallis behandelt u.a. vergeschlechtlichte Ungleichheit in plattformvermittelter Sorgearbeit, Potenziale und Grenzen kooperativer Ansätze im Kontext der Plattformökonomie und die Entwicklung der Hausarbeit im digitalen Kapitalismus.

Sehen:

  • Die Arte-Dokumentation „Arbeit auf Abruf: Digitale Tagelöhner“ (2020) zeigt den Alltag in verschiedenen Bereichen der Plattformarbeit und wirft einen Blick in die Zukunft.
  • Der Spielfilm „Sorry, we missed you“ von Ken Loach beschreibt anhand einer englischen Familie Facetten der Gig-Economy und Plattformökonomie. Der Film zeigt u.a. wie die Vorteile von flexiblem und selbstbestimmtem Arbeiten dem zunehmenden Druck auf die Plattformarbeiter*innen gegenüberstehen. Zu streamen über verschiedene Online-Plattformen ($).

Hören:

  • Dr. Johanna Wenckebach, Direktorin des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeits- und Sozialrecht, sprach im Podcast der Hans Böckler Stiftung „Systemrelevant“ (Folge 35, Dez 2020) über Herausforderungen und Möglichkeiten der rechtlichen Bewertung und Regulierung von Crowdwork. Dabei geht es insbesondere auch um den Richtlinienvorschlag der Europäischen Kommission zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit.
  • Im April 2021 diskutierte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil in Folge 9 seines Podcast „Das Arbeitsgespräch“ mit Philip Huffmann, CEO und Mitgründer von Helpling, zum Thema Faire Plattformarbeit. Es geht um faire Bezahlung, sozialen Schutz und Mitbestimmung von Beschäftigten auf Plattformen. Auf der Seite finden Sie auch weitere Informationen des BMAS zur Plattformökonomie.

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 16.1. stellte die Geschäftsstellenmitarbeiterin Jutta Kühl den Dritten Gleichstellungsbericht bei einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen Mittelfranken vor.
  • Am 20.1. lud die Gleichstellungsstelle des Kreises Herford zum Frauenauftakt 2022. Dort referierten Jutta Kühl über den Dritten Gleichstellungsbericht sowie Romy Stühmeier vom Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit. (Pressemitteilung)
  • Ebenfalls am 20.01.2022 sprach die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Yollu-Tok im Kolloquium des Instituts für Arbeitsmarktforschung zu Problemfeldern der geschlechtergerechten Gestaltung der Digitalisierung und den Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts.

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 10.01.2022

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir wünschen Ihnen allen ein hoffnungsvolles, frohes und vor allem gesundes Jahr 2022 und hoffen, Sie hatten einen guten Start.  Die Geschäftsstelle hat Kraft getankt und widmet sich zu Beginn des Jahres direkt einem weiteren wichtigen Thema: Der geschlechtsbezogenen digitalen Gewalt. Wie immer finden Sie im Newsletter eine kurze Einführung in das entsprechende Kapitel des Gleichstellungsberichts, die von interessanten Einblicken der Juristin Anke Stelkens zum Thema Bekämpfung von Hassrede ergänzt wird. Zudem kündigen wir den thematisch passenden, letzten Roundtable der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ an: Er findet am Mittwoch, 12.01., 16 Uhr statt und wird sich dem Thema digitale Gewalt widmen. Auch das Themenblatt 12 „Digitale Gewalt“ wurde jetzt veröffentlicht und wird zusammen mit dem Themenblatt 13 „Daten und Grundrechte“ in der Rubrik „Aktuelles“ angekündigt. Wie immer weisen wir zuletzt kurz auf einige vergangene und kommende Veranstaltungen hin, an denen wir beteiligt sind oder die anderweitig von Interesse sein könnten.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Neue Themenblätter veröffentlicht | Fünfter Roundtable zum Thema Digitale Gewalt

Einblick in das Gutachten:  Geschlechtsbezogene digitale Gewalt | Drei Fragen an Anke Stelkens | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Neue Themenblätter veröffentlicht

  • Digitale Gewalt begründet eine neue Qualität geschlechtsbezogener Gewalt. Darum geht es in diesem Newsletter, aber auch im neuen „Themenblatt 12: Digitale Gewalt“. Dort wird erklärt, in welchen unterschiedlichen Formen diese in Erwerbsarbeit und Öffentlichkeit, in Politik und Ehrenamt, im sozialen Nahraum oder im Öffentlichen Raum auftritt.  Welche Auswirkungen hat die digitale Gewalt und wie kann sie bekämpft werden? Wer nach dem Newsletter neugierig geworden ist, kann im prägnanten Themenblattformat mehr erfahren.
  • Im Themenblatt 13 „Daten und Grundrechte“ geht es um den Zusammenhang zwischen Datenschutz und IT-Sicherheit auf der einen Seite und Diskriminierungsfreiheit auf der anderen Seite. Beides muss zusammengedacht werden, um gleiche Verwirklichungschancen für alle, unabhängig vom Geschlecht, zu gewährleisten. Das Themenblatt stellt die passenden Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission gebündelt vor.

Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Am 14. Dezember fand der vierte Roundtable „Gleichstellung in der digitalisierten Arbeitswelt“ der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut statt. Nach zwei Impulsvorträgen durch die Sachverständige Prof. Dr. Katja Nebe und Maren Heltsche vom Deutschen Frauenrat diskutierten Referentinnen von Gewerkschaft, Wissenschaft und Frauenorganisationen. Mit 48 Teilnehmenden stieß die Veranstaltung auf reges Interesse.

Der letzte Roundtable der Reihe beschäftigt sich mit dem Thema „Geschlechtsbezogene digitale Gewalt“. Am Mittwoch, den 12.01. ab 16:00 Uhr werden die Expertinnen Dr. Regina Frey (Gender-Institut für Gleichstellungsforschung) und Jenny-Kerstin Bauer vom bff (Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland) mit Impulsvorträgen den Anfang machen. Anschließend diskutieren Expert*innen der Hilfeinfrastruktur gegen Gewalt gegen Frauen, der Medien sowie aus Beratungsorganisationen die Frage, wie die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts konkretisiert werden können.

Wenn Sie an der Roundtable-Veranstaltung teilnehmen möchten, können Sie sich über die Veranstaltungswebsite registrieren. Eine Registrierung genügt für die gesamte Veranstaltungsreihe; falls Sie sich also bereits für das Kick-Off oder frühere Roundtables registriert haben, können Sie sich mit diesen Daten auch für den kommenden Roundtable einloggen.

Einblick in das Gutachten

Geschlechtsbezogene digitale Gewalt

Viele Formen und Instrumente, mit denen geschlechtsbezogene Gewalt heute ausgeübt wird, wurden erst mit der Digitalisierung möglich. Daher kann von einer neuen Qualität geschlechtsbezogener Gewalt gesprochen werden, die neue Herausforderungen mit sich bringt. Ein Phänomen, welches in den letzten Jahren vermehrt sichtbar gemacht und diskutiert wurde, ist die Hassrede (Hate Speech) in Sozialen Medien, der viele Politikerinnen und Aktivist*innen, aber auch Gleichstellungsbeauftragte ausgesetzt sind. Hassrede würdigt Menschen gezielt aufgrund persönlicher Merkmale wie Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung oder rassistischer Zuschreibungen herab und ist eine Form der geschlechtsbezogenen digitalen Gewalt, die insbesondere in Politik und Ehrenamt häufig auftritt. Digitale Gewalt kann allerdings auch über Hassrede hinaus in verschiedenen Lebensbereichen auftreten: Im sozialen Nahraum werden z.B. im Kontext von Partnerschaftsgewalt die Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle durch Spy- und Stalkerware erweitert oder es wird damit gedroht, persönliche Daten („Doxing“), Bilder oder Aufnahmen („Revenge Porn“) öffentlich zu machen. Im öffentlichen Raum werden intime Fotos oder Aufnahmen ohne das Wissen und Einverständnis der aufgenommenen Personen gemacht und daraufhin im Internet veröffentlicht oder verkauft (Bsp. „Upskirting“). Im Erwerbsleben sind vor allem Frauen und queere Personen von sexueller Belästigung betroffen. Durch digitale Kommunikationsmittel wie Mailprogramme oder Soziale Medien kann diese in Form von Cyber Harrassment, wie z.B. das Versenden ungewünschter sexueller Inhalte oder Bilder, noch um die digitale Dimension erweitert werden. Journalist*innen oder Influencer*innen, deren Arbeitsbasis digitale Medien sind, sind dabei umso angreifbarer.

Die neue Qualität digitaler Gewalt liegt auch in den Besonderheiten, die ihr durch bestimmte Eigenschaften des Netzes zukommen: Daten sind langlebig („Das Netz vergisst nichts“), leicht replizierbar und (kom­merziell) schnell verbreitbar. Raum- und Zeitbarrieren werden durchbro­chen. Anonymität und Identitätsdiebstahl erschweren die Verfolgung von Übergriffen, Internationalität und Verschleierungsmöglichkeiten fordern die Regulierung und Rechtsverfolgung heraus. Diese Besonderheiten gilt es bei ihrer Bekämpfung zu berücksichtigen.

Betroffene stehen oft dem Problem gegenüber, dass sowohl bei Beratungsstellen als auch bei der Polizei zu wenig Wissen über die Spezifika digitaler geschlechtsbezogene Gewalt vorhanden ist. Wissen und Kompetenzen in diesem Feld sollten bei Behörden und Beratungsstellen, aber auch in der allgemeinen Öffentlichkeit gestärkt werden. Dafür schlägt die Sachverständigenkommission im Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht vor, bestehende zivilgesellschaftliche Initiativen nachhaltig zu fördern und auszuweiten. Außerdem sollten die Arbeitsbedingungen der Berater*innen durch Fortbildungs- und Supervisionsmöglichkeiten verbessert werden und der Aufbau entsprechender Kompetenzen und Sensibilität auch bei Mitarbeitenden der Sicherheitsbehörden in Aus-, Fort- und Weiterbildungen integriert werden.

Die neue Regierungskoalition möchte die Istanbul-Konvention „auch im digitalen Raum und mit einer staatlichen Koordinierungsstelle vorbehaltlos und wirksam um[setzen]“ (S. 114), so der Koalitionsvertrag.  Um eine gute Wissensbasis für diese Vorhaben zu schaffen, braucht es verlässliche Daten. Der Forschungsbedarf ist groß, denn bislang gibt es keine Prävalenzstudie zu geschlechtsbezogener digitaler Gewalt. Neben der Beauftragung einer solchen Studie empfiehlt die Sachverständigenkommission, messbare Indikatoren für die Erfassung und das Monitoring geschlechtsbezogener digitaler Gewalt zu entwickeln.

Rechtliche Regelungen müssen überprüft und an neue Formen der Gewalt angepasst werden, die den bisherigen Definitionen von z.B. Beleidigungsdelikten oder sexueller Belästigung oft nicht vollkommen entsprechen, da diese die digitale Dimension nicht einschließen.

Diskriminierungssensibilität und insbesondere Gewaltprävention sollten allerdings auch schon in der Technikgestaltung mitgedacht werden (dem Thema Technikgestaltung für eine geschlechtergerechte Digitalisierung war unser Newsletter im Juli 2021 gewidmet). Gewalt- und Überwachungsgefahren (beispielsweise bei „Smart Home“-Technologien) sollten im Entwicklungsprozess identifiziert und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Gleichzeitig könnten Technologien auch vermehrt zur Bekämpfung von z.B. Hassrede genutzt werden: Die Sachverständigenkommission empfiehlt beispielsweise die Förderung von Forschungsvorhaben zu hybriden oder algorithmengesteuerten Verfahren zur Aufdeckung von Hasskommentaren. Letztendlich müssen hier jedoch vor allem die Anbieter Sozialer Medien selbst rechtlich in die Pflicht genommen werden. Ein Präzedenzfall hierfür könnte die Verurteilung von Twitter zur Zahlung von 6000 Euro Entschädigung an eine Journalistin sein. Im folgenden Interview spricht Anke Stelkens mit uns über weitere Herausforderungen und Ansatzpunkte im Bereich Hassrede.

Drei Fragen an Anke Stelkens

Anke Stelkens

Anke Stelkens

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Aktiv werden)

Lesen:

  • Das Policy Paper des Deutschen Juristinnenbunds „Das Netz als antifeministische Radikalisierungsmaschine“ (2021) beschreibt die Gefährdungen von Grundrechten und Demokratie, die durch eine antifeministische virtuelle Radikalisierung entstehen, und zeigt verschiedene rechtliche Ansätze auf, diesen Gefährdungen zu begegnen.
  • Mit dem Leitfaden „Hass im Netz ist nicht Teil des Jobs“ (2021) gibt die Organisation „Hate Aid“ vor allem Kommunalpolitiker*innen einen Leitfaden  zum Umgang mit digitaler Gewalt und Hass im Netz an die Hand. Doch auch anderen können die darin aufgeführten Einordnungen und Ansprechpartner*innen eine Unterstützung sein.
  • Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat zusammen mit Prof. Dr. Nivedita Prasad das Buch „Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung – Formen und Interventionsstrategien“ (2021) veröffentlicht. Es ist als Open Access-Publikation auch online verfügbar.
  • Vor zwei Tagen hat Margarete Stokowski in einem Essay für den SPIEGEL auf das Thema Hassrede aufmerksam gemacht: „Der Hass wird brandgefährlich, wenn er das Netz verlässt“ zeigt eindringlich, wie ernst das Problem zu nehmen ist und was getan werden sollte, um Hassrede zu bekämpfen.
  • Unsere Kolleginnen am ISS von der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen  veröffentlichen einmal monatlich das „EU-Monitoring“. In der Novemberausgabe wurden dort anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen auch einige Studien zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt vorgestellt. Wenn Sie das Monitoring regelmäßig erhalten möchten, fragen Sie unter Angabe Ihres Namens und Ihrer Organisation per Mail an.

Sehen:

Hören:

  • Selma Gather und Dana Valentiner  haben sich im djb-Podcast „Justitias Töchter“ schon mit dem Thema Hate Speech befasst: In der Januar 2021-Folge stellen sie rechtspolitische Forderungen dazu vor.
  • In der Podcast Reihe „Games und Politik“ (2020) des Deutschlandfunk geht es in sieben Folgen um die gesellschaftlichen Dimensionen von Gaming. Auch die Themen Gewalt im Allgemeinen und geschlechtsspezifische Gewalt im Spezifischen finden Beachtung. In Folge Sechs wird explizit das Thema Geschlechterbilder und Sexismus in der Gamingszene behandelt.

Aktiv werden:

  • Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat die Initiative Marie-Munk ins Leben gerufen. Erstes Ziel der Initiative ist es, einen Entwurf für ein Digitales Gewaltschutzgesetz zu erarbeiten.
  • Die Initiative „HateAid“ hat eine Petition mit Forderungen an die EU für ein sicheres Internet ohne Gewalt formuliert.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 20.01.2022 wird die Geschäftsstellenmitarbeiterin Dr. Mara Kuhl die Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts beim Frauenauftakt 2022 des Kreises Herford vorstellen. Anmelden können Sie sich auf der Veranstaltungsseite.

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 09.12.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

in unserem letzten Newsletter für dieses Jahr beschäftigen wir uns mit dem Themenfeld Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb in der digitalisierten Gesellschaft und Wirtschaft. Im „Einblick ins Gutachten“ wird erklärt, was genau mit „digitalisierungsbezogenen Kompetenzen“ gemeint ist, warum diese wichtig sind und wie sie mit Genderkompetenz und der soziotechnischen Perspektive zusammenhängen. Prof. Dr. Helene Götschel gibt uns im „3 Fragen an…“-Format Einblick in ihre Arbeit an dieser Schnittstelle an der Universität Darmstadt.

Auch eines der drei neuen Themenblätter befasst sich mit digitalisierungsbezogenen Kompetenzen (Themenblatt 9). Die beiden weiteren Neuveröffentlichungen setzen sich mit den gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten (Themenblatt 10) und Gleichstellung in der Plattformökonomie (Themenblatt 11) auseinander. Unter „Aktuelles“ finden Sie zudem die Ankündigung des vierten und letzten Roundtables dieses Jahres zur „Digitalisierten Arbeitswelt“, sowie einen kurzen Rückblick auf bisherige Veranstaltungen der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“.

Ebenfalls interessant könnte für viele die Aktuelles-Meldung zum Koalitionsvertrag sein. Dieser wurde von Mitgliedern der Geschäftsstelle nach den Überschneidungspunkten mit den Empfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts hin gegengelesen. Mehr Details finden Sie unten bzw. auf unserer Homepage.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Neue Themenblätter veröffentlicht | Vierter Roundtable zum Thema Digitalisierte Arbeitswelt | Koalitionsvertrag veröffentlicht

Einblick in das Gutachten: Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb | Drei Fragen an Prof. Dr. Helene Götschel | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Neue Themenblätter veröffentlicht

  • Passend zum Thema des Newsletters wurde das Themenblatt 9 „Bildung: Digitalisierungsbezogene Kompetenzen“ veröffentlicht. In einer sich digitalisierenden Gesellschaft ist es essenziell, dass alle über die nötigen Kompetenzen verfügen, um Wandel mitgestalten zu können. Oft werden dabei digitalisierungsbezogene Kompetenzen und Genderkompetenz nicht zusammengedacht. Warum dies wichtig ist und wie dies z.B. in der Lehre umgesetzt werden kann, wird in diesem Themenblatt erläutert. Mit dabei auch der Fragenkatalog „Wissen, Wollen, Können“, der Lehrenden Orientierung bieten kann.
  • Gleichstellung ist eine Querschnittsaufgabe – um gleiche Verwirklichungschancen für alle sicherzustellen braucht es langfristig angelegte gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente. Das Themenblatt 10 „Strukturen und Instrumente: Gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente stärken“ setzt sich mit der Verzahnung dieser Querschnittsaufgabe mit dem Feld der Digitalisierung auseinander. Als „Nährboden“ für eine geschlechtergerechte Digitalisierung werden insbesondere Gender Budgeting, eine gleichstellungsorientierte Gesetzes- und Technikfolgenabschätzung und der institutionelle Wissenstransfer im Themenblatt vorgestellt.
  • Ebenfalls frisch veröffentlicht ist das Themenblatt 11 „Gleichstellung in der Plattformökonomie“. Darin wird mit dem Mythos von Plattformen als Motor für neue Verwirklichungschancen für Frauen aufgeräumt und aufgezeigt, aus welchen Gründen das „Arbeiten auf Abruf“ auch Risiken für die Gleichstellung birgt. Fragen rund um den Status und die Versicherung von Plattformarbeitenden müssen geklärt werden. Und diese sollten konsequenter vor Diskriminierung und digitaler Gewalt geschützt werden, damit Risiken minimiert und Chancen real nutzbar werden.

Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Bislang fanden schon drei Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut statt: Auf einer ersten Veranstaltung am 11. November ging es um das Thema diskriminierungsfreie Technikentwicklung und – gestaltung. Am 24. November sprach eine Expert*innenrunde über geschlechtergerechte Förderungen von Gründungen in der Digitalbranche. Am 7. Dezember wurden die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts zu Gleichstellung in der Plattformarbeit diskutiert.

In diesem Newsletter dürfen wir Ihnen nun schon den vierten Roundtable am 14. Dezember zum Thema digitalisierte Arbeitswelt ankündigen. Starten wird die Veranstaltung mit zwei Kurzinputs: Prof. Dr. Katja Nebe aus der Sachverständigenkommission zum Dritten Gleichstellungsbericht wird Ergebnisse und Empfehlungen des Berichts zum Thema vorstellen. Im Anschluss wird Maren Heltsche, Vorstandsmitglied im Deutschen Frauenrat (DF), diese kommentieren und einen kritischen Blick auf die nach wie vor ungleich verteilten Verwirklichungschancen in der digitalisierten Arbeitswelt werfen.

Anschließend werden wir mit Akteur*innen aus dem Feld der praxisnahen Umsetzung und Gestaltung ins Gespräch kommen, um weiter an Umsetzungsideen der Handlungsempfehlungen des Gutachtens zu arbeiten.

Wenn Sie an einer Roundtable-Veranstaltung teilnehmen möchten, können Sie sich über die Veranstaltungswebsite registrieren. Eine Registrierung genügt für die gesamte Veranstaltungsreihe; falls Sie sich also bereits für das Kick-Off oder frühere Roundtables registriert haben, können Sie sich mit diesen Daten auch für die kommenden Roundtables einloggen.

Koalitionsvertrag der neuen Regierung veröffentlicht

Die zukünftige Regierung strebt die umfassende Digitalisierung der Verwaltung an und auch in allen anderen Politikbereichen wird die Digitalisierung eine Rolle spielen. Gleichzeitigt setzen sich die Koalitionsparteien zum Ziel, die Gleichstellung bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Ob dieses Ziel erreicht werden kann, hängt auch davon ab inwiefern bestehende Ungleichheiten bei der angedachten digitalen Transformation berücksichtigt werden.

Mit Blick auf die geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung haben wir uns für Sie in einem ersten Schritt den Koalitionsvertrag angeschaut und für ausgewählte Bereiche mit den 101 Handlungsempfehlungen des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht der abgeglichen. Sie finden den Text auf unserer Homepage.

Einblick in das Gutachten

Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb

Anforderungen an Kompetenzen und Kompetenzerwerb

Spätestens seit der Coronapandemie hat die Digitalisierung alle unsere Lebensbereiche durchdrungen. Um in dieser digitalisierten Gesellschaft und speziell auf dem Arbeitsmarkt  zurechtzukommen und die Veränderungsprozesse mitzugestalten zu können, benötigen alle Menschen digitalisierungsbezogene Kompetenzen. Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht spricht sich daher dafür aus, dass digitalisierungsbezogene Anforderungen als Querschnittsaufgabe in allen Bildungsangeboten mitgedacht und mit Genderkompetenz verbunden werden. Das ist z.B. auch für den im Koalitionsvertrag angestrebten Ausbau der digitalen Bildung, der Weiterentwicklung der Nationalen Weiterbildungsstrategie sowie der Förderung von Medienkompetenzen relevant.

Digitalisierungsbezogene Kompetenzen erschöpfen sich nicht in der Fähigkeit, bestimmte Computerprogramme zu bedienen oder den PC im Büro mit dem W-LAN-Drucker verbinden zu können. Zu den erforderlichen Kompetenzen gehört ein Verständnis von Funktionsweise, Programmierung und Grenzen informationstechnischer Systeme, aber auch z.B. Kenntnisse zum Daten- und Persönlichkeitsschutz und zum Umgang mit Gefahren im digitalen Raum. Um das zu erreichen, empfiehlt die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht beispielsweise, soziotechnische Perspektiven im Schulfach Informatik zu verankern. Das heißt ein Verständnis dafür zu vermitteln, dass und wie Technik und Gesellschaft zusammenhängen.

Die Digitalisierung ist ebenso wie die Gesellschaft durch Geschlechterverhältnisse geprägt. Dies findet sich auch im Bildungssystem wieder: In der Schule werden z. B. Geschlechterfragen in Bezug auf die MINT-Fächer oftmals nicht ausreichend reflektiert. Wenn Lehrkräfte das Interesse und die Leistung von Mädchen im Schulfach Mathematik weniger anerkennen, hat dies einen negativen Einfluss auf das Selbstbild der Mädchen. Das wirkt sich wiederum auf die weiteren Bildungswege aus: Studierende in den Ingenieurswissenschaften (inkl. Informatik) sind trotz vieler Programme und Initiativen zu drei Vierteln männlich. Und noch schlechter sieht es in Ausbildungsberufen wie Industriemechaniker*in oder Fachinformatiker*in aus. Um Barrieren, die z.B. durch Geschlechterstereotype entstehen abzubauen, muss digitalisierungsbezogene Genderkompetenz in die Qualifizierung von Lehrkräften aller Bildungsbereiche implementiert werden, so die Sachverständigenkommission.

Lücken gilt es auch in der Weiterbildung zu schließen. Männer nehmen nach wie vor häufiger an Weiterbildungen teil als Frauen. Zudem nehmen Männer an ökonomisch besser verwertbaren Weiterbildungen teil und häufiger an betrieblicher Weiterbildung. Frauen nutzen eher kommerzielle Weiterbildungsangebote und tragen dabei die Kosten auch häufiger selbst. Digitale Weiterbildungsangebote, wie Online-Kurse und Lernmaterialien, die als Open Educational Ressources (OER) verstärkt auch unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, bieten eine Chance, die „Weiterbildungs-Lücke“ zu schließen.  Zu Qualität und Nutzung von OER liegen allerdings, auch aus Gleichstellungsperspektive, kaum Befunde vor. Hier gilt es Wissenslücken zu schließen, sowie Projekte und Träger zu fördern, die qualitativ hochwertige OER geschlechtergerecht zur Verfügung stellen.

Bisher fehlt es im Bereich der digitalisierungsbezogenen Kompetenzen noch an ausreichend öffentlichen Angebote, die sich an Frauen und andere unterrepräsentierte Gruppen richten. Jedoch gibt es eine Reihe von gemeinwohlorientierten Anbieter*innen, die mit ihren Kursen und Workshops zum Thema Programmierung und Digitalisierung explizit Mädchen/Frauen, trans und nicht-binäre Personen adressieren (z.B. „Code Curious“ oder „Django Girls“). Andere bieten Beratung, Coaching oder Weiterbildung für Frauen und Organisationen an und legen dabei einen Schwerpunkt auf IKT- und Medienkompetenzen (z.B. FrauenComputerZentrumBerlin). Die Sachverständigenkommission empfiehlt diese gemeinwohlorientierten Anbieter*innen zu fördern sowie weitere Angebote aufzubauen.

Welche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen besonders wichtig sind und wie diese z.B. an Hochschulen vermittelt werden können, erklärt Prof. Dr. Helene Götschel in unserem „Drei Fragen an…“- Format.

Drei Fragen an Prof. Dr. Helene Götschel

Prof. Dr. Helene Götschel

Prof. Dr. Helene Götschel

Der Dritte Gleichstellungsbericht betont die Wichtigkeit, digitalisierungsbezogene Kompetenzen und Genderkompetenz im Kontext von (Weiter)Bildung zusammenzudenken. Gender- und diversity-reflektierte Hochschullehre in MINT-Fächern ist auch einer der Schwerpunkte Ihrer Arbeit. Wie kann diese Verknüpfung in Hochschulcurricula praktisch umgesetzt werden?

Gerade in MINT-Fächern konzentrieren sich leider viele Lehrende ausschließlich auf die Vermittlung von Fachwissen, dies führt zu einer unreflektierten Verbreitung wirkmächtiger Geschlechternormen und hegemonialer Technikbilder. Einstellungen der Lehrenden, Motivation der Lernenden, der soziokulturelle Kontext sowie Kommunikation und Interaktion sind nur einige der Faktoren, die eine wichtige Rolle spielen. Dies gilt bereits für die analoge Lehre, verstärkt sich jedoch nochmals in digitalen Settings, wie sie derzeit wegen der Pandemie häufig sind. So führt der verdichtete Einsatz von digitalen Lernmaterialien, Lernplattformen, Videokonferenzsystemen und digitalen Prüfungsformaten bei Studierenden der MINT-Fächer zur Überforderung und Vereinsamung, hängt Studierende mit Familienpflichten oder geringer technischer Ausstattung ab, schafft durch massive Reizüberflutungen neue Hürden für Studierende mit Beeinträchtigungen (wie ADHS, Hörschädigung). Diesen Aspekten muss auf praktischer Ebene aktiv entgegengewirkt werden, z.B. durch eine die Lehrveranstaltung begleitende Awareness-Assistenz.

An der TU Darmstadt gelingt das Zusammendenken in Ansätzen. In der MINT-Lehramtsausbildung für Gymnasiallehrkräfte etwa wird zusätzlich zu pädagogischen Fähigkeiten und fachwissenschaftlichen Inhalten ein attraktives Lehrangebot zum pädagogischen Verstehen von Naturwissenschaften und Nachhaltigkeit, pädagogischen Handlungskompetenzen in einer von Digitalisierung und Mediatisierung geprägten Kultur, technikphilosophischen Fragen zur Wechselwirkung von technologischen und soziokulturellem Wandel sowie zur Anwendung von Analyse-Techniken (z.B. Data Mining) vermittelt. Gender- und Diversity-Kompetenzen werden im Vernetzungsbereich als Querschnittsaufgaben gesehen, was letztlich bedeutet, dass ihre Vermittlung vom Vorwissen und Engagement der Dozierenden abhängig ist.

Welche strukturellen Hindernisse stehen der Umsetzung dieser Vision an Universitäten entgegen und wie lassen sich diese überwinden?

Lassen Sie mich das wieder mit Bezug auf die pandemiebedingte Digitalisierung der Hochschullehre beantworten: Studierende sind, wenn nicht z.B. Einschränkungen durch die aktuelle Lebenssituation, finanzielle Sorgen oder körperliche Beeinträchtigungen dem entgegenstehen, dem digitalen Wandel an der Hochschule gegenüber grundsätzlich aufgeschlossen.

Anders sieht es auf Ebene der Lehrenden aus. Digitale Lehre erfordert neue Lehrziele, Lernbegleitung statt Wissensvermittlung, erfordert eine andere Didaktik sowie Gender- und Diversity-Kompetenz, um neue Ausschlüsse zu erkennen und zu verhindern. Universitätsangehörige können sich Unterstützung durch e-Learning-Zentren holen. Dass Kurse wegen zu geringer Teilnahmezahl nicht zustande kommen, muss nicht unbedingt am Desinteresse der Zielgruppe liegen. Es kann auch der Überlastungssituation geschuldet sein und verweist meines Erachtens auf ein strukturelles Problem. Eine zweistündige Schulung zu online-Prüfungen oder LINK-Sammlungen zu Best Practice Beispielen ersetzen nicht den langfristigen kollegialen Austausch und eröffnen keinen Raum, um durch Scheitern zu lernen. Gender & Diversity Aspekte bleiben so auf der Strecke. Veränderungsprozesse müssten längerfristig angelegt sein. Dies würde den beteiligten Akteur*innen ermöglichen, forschend zu lernen und Anforderungen an Digitalisierungsprozesse und ihre Tools zu stellen, z.B. welche Formen von Kommunikation und Austausch ein Videokonferenzsystem unterstützen, welche Aktionen eine Lernplattform anbieten sollte, welches Design Vielfalt adressieren und dabei implizite Biases und stereotypisierende Ansprachen vermeiden könnte. Hochschulen müssten entsprechende fachübergreifende Projekte auf den Weg bringen.

Digitalisierung spielt auch in Schulen eine immer größere Rolle- seit Beginn der Pandemie mussten viele Schulen auf digitale Formate umstellen. Doch auch schon vorher wurden digitale Medien im Unterricht eingesetzt oder es gab z.B. Informatik als Schulfach. Bislang fehlt es oft an soziotechnischen und gendersensiblen Herangehensweisen. Welche Kompetenzen sind in diesem Kontext insbesondere für Lehrkräfte, die später Informatik oder andere MINT-Fächer unterrichten, wichtig? Wo sehen Sie Herausforderungen?

Die Diskussion zur Digitalisierung im Schneckentempo an Schulen wird meist sehr technikzentriert geführt. In der Corona-Krise war regelmäßig zu hören, es fehle an Tabletts für Schüler*innen, an schnellem Internet für Schulen und an technischen Kompetenzen bei Lehrkräften. Didaktische Kompetenzen dagegen wurden kaum thematisiert. Im wissenschaftlichen Diskurs überwiegen Einschätzungen, dass sich digitale Medien besonders gut zur Individualisierung und Differenzierung des Unterrichts eignen würden, während mahnende Stimmen darauf hinweisen, dass sich längst nicht alle Lehr- und Lernprozesse digital abbilden ließen und die beim online Lernen erzeugten Daten kommerziell zur Privatisierung, Standardisierung und Automatisierung von Bildung genutzt würden. Angehende Lehrkräfte in MINT-Fächern sollten die vielfältigen Meinungen und Motivationen im Diskurs um Digitalisierung einordnen, sowie die Nutzung digitaler Medien im jeweiligen Fachunterricht aus didaktischer Perspektive begründen und reflektieren können. Gleichzeitig müsste es Teil ihrer Professionalisierung sein, das wirkmächtige Geschlechternormen und hegemoniale Technikbilder transportierende „hidden curriculum“ des digitalen wie analogen MINT-Fachunterrichts sichtbar machen und durchkreuzen zu können.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

Sehen:

  • Thema Sichtbarkeit und Vorbilder: Im Spielfilm „Hidden Figures“ (2016) geht es um die (Un)Sichtbarkeit der Beiträge von drei afroamerikanischen Mathematikerinnen (Katherine Johnson, Dorothy Vaughan und Mary Jackson) zu den NASA-Programmen der 60er Jahre und ihren Kampf gegen den Sexismus und Rassismus, mit denen sie kontinuierlich konfrontiert sind. Der Film kann auf gängigen Streamingplattformen kostenpflichtig angeschaut werden.

Hören:

  • In Folge 3 des D21-Podcast „Digitaler Anstoß“ (Oktober 2021) sprechen Lajla Fetic von der Bertelsmann Stiftung (Co-Project Lead „Ethik der Algorithmen“) und Sandy Jahn von der Initiative D21 darüber, welche Digitalkompetenzen in einer sich digitalisierenden Gesellschaft wichtiger werden und wie diese in der Gesellschaft verteilt sind.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.

  • Am 25. Mai vertrat Dr. Andrea Knaut als Geschäftsstellenmitarbeiterin die Ergebnisse des Gleichstellungsberichts in der von der Gesellschaft für Informatik organisierten Diskussionsveranstaltung „Diskriminierende KI? Risiken algorithmischer Entscheidungen in der Personalauswahl“ . Nun wurde ein Arbeitspapier mit spannenden Beiträgen und Bezügen zum Gleichstellungsbericht als Dokumentation des Austauschs veröffentlicht.
  • Im Jahr 2021 haben die Sachverständigen und die Mitglieder der Geschäftsstelle über 80 Vorträge zum Dritten Gleichstellungsbericht gehalten. Außerdem ist die von EAF, HTMI und Geschäftsstelle organisierte Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ mit dem Kick-Off und den ersten vier Roundtables gestartet.

Wir freuen uns, nach einer kurzen Winterpause im kommenden Jahr auf weiteren spannenden Veranstaltungen die Ergebnisse des Berichts vorstellen zu dürfen. Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 17.11.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

Newsletter, Themenblatt, Roundtable – diesen November dreht sich bei uns inhaltlich alles rund um das Thema geschlechtergerechte Förderung für Gründungen in der digitalen Wirtschaft. Für diese Ausgabe des Newsletters haben wir im thematischen Teil den Sachverständigen Prof. Thomas Gegenhuber befragen dürfen. Im Interview sowie im voranstehenden Einblick in das Gutachtenkapitel wird erklärt, welchen Hürden Frauen, die in der Branche gründen wollen, sich entgegenstellen müssen und wie diese Hürden abgebaut werden könnten. Wer dadurch neugierig geworden ist, kann sich im neu veröffentlichten Themenblatt Nummer 8 nochmal genauer informieren. Zwei weitere neue Themenblätter, die unter „Aktuelles“ angekündigt werden, beschäftigen sich mit den Themen Soziale Medien und Geschlechterstereotype (Themenblatt 6) und Arbeitsmethoden und -kulturen in der Digitalbranche (Themenblatt 7).

In der gleichen Rubrik finden Sie diesen Monat auch die Einladung zu unserem zweiten Roundtable, das ebenfalls dem Thema Gründungen in der Digitalbranche gewidmet ist, sowie die Information zum kürzlich benannten Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung, wovon einige von Ihnen sicher schon über andere Wege erfahren haben.

Zu guter Letzt, wie immer, Hinweise zu ausgewählten Veranstaltungen rund um die Schnittstelle Gleichstellung und Digitalisierung.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

 

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Neue Themenblätter veröffentlicht | Zweiter Roundtable zur geschlechtergerechten Förderung von Gründungen in der digitalen Wirtschaft | Neues Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung

Einblick in das Gutachten: Gründungen in der digitalen Wirtschaft | Drei Fragen an Prof. Dr. Thomas Gegenhuber | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Neue Themenblätter veröffentlicht

In diesem Newsletter können wir die Veröffentlichung von gleich drei neuen Themenblättern ankündigen:

  • Themenblatt 6 „Soziale Medien: Geschlechterstereotype in Sozialen Medien“ macht deutlich, auf welche Weise Soziale Medien oft zur Verstärkung von Geschlechterstereotypen beitragen und wie die Faktoren Produktions- und Finanzierungskultur, Empfehlungsalgorithmen und Digitale Gewalt darauf Einfluss nehmen. Es werden auch Accounts, Seiten und Initiativen vorgestellt, die dieser Tendenz entgegenwirken, indem sie z.B. queeres Leben sichtbar machen oder einen positiven Bezug zum eigenen Körper vermitteln.
  • Das Themenblatt 7 „Digitalbranche: Gleichstellungsorientierte Arbeitskulturen und Arbeitsmethoden“ dreht sich rund um die Digitalbranche. Es wird ein genauer Blick auf Arbeitskultur und Arbeitsmethoden in der Branche und deren Zusammenhänge mit Geschlechterverhältnissen geworfen. Dabei geht es unter anderem um folgende Fragen: Wie können Unternehmensstrukturen gleichstellungsfördernder werden, anstatt Frauen dazu zu bringen, sich an bestehende Strukturen anzupassen? Können agile Methoden dabei helfen? Worauf sollte geachtet werden?
  • Das Themenblatt 8 „Gründungen: Gründerinnen in der Digitalbranche“ geht der Unterrepräsentation von Gründerinnen in der Digitalbranche nach. Es zeigt die Barrieren auf, denen Gründerinnen begegnen, wie z.B. der durch Stereotype erschwerte Weg zu Gründungskapitel oder mangelnde Sichtbarkeit, und präsentiert ausgewählte Handlungsempfehlungen des Gutachtens zum Abbau dieser Barrieren.

Zweiter Roundtable zur geschlechtergerechten Förderung von Gründungen in der digitalen Wirtschaft

Am 11. November fand der erste Roundtable der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut statt. Das Thema diskriminierungsfreie Technikentwicklung und -gestaltung stieß auf reges Interesse: 66 Personen aus dem Feld kamen zusammen, um engagiert und fachkundig über die Handlungsempfehlungen des Gutachtens zu diskutieren.

Am 24. November, wie gehabt 16-18 Uhr virtuell, geht es mit dem nächsten Roundtable weiter: Der zweite Roundtable wird sich mit dem Thema Gründungen in der digitalen Wirtschaft beschäftigen. Das Programm startet mit zwei kurzen Fach-Impulsen von Dr. Katja von der Bey von der „WeiberWirtschaft“ sowie Lisa Gradow, Gründerin, Investorin und Vorständin im Bundesverband Deutsche Start-Ups, zu den Anforderungen an eine geschlechtergerechte Förderung von Gründerinnen in der digitalen Wirtschaft.  Anschließend werden wir mit Akteur*innen aus dem Feld der praxisnahen Umsetzung und Gestaltung ins Gespräch kommen, um weiter an Umsetzungsideen der Handlungsempfehlungen des Gutachtens zu arbeiten.

Der dritte Roundtable wird sich dann am 7. Dezember dem Thema Plattformarbeit widmen.

Wenn Sie an einer Roundtable-Veranstaltung teilnehmen möchten, können Sie sich über die Veranstaltungswebsite registrieren. Eine Registrierung genügt für die gesamte Veranstaltungsreihe; falls Sie sich also bereits für das Kick-Off registriert haben, können Sie sich mit diesen Daten auch für die Roundtables einloggen.

Neues Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung nimmt Arbeit auf

Am 1. November haben Lisi Maier und Dr. Arn als  Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung ihre Arbeit aufgenommen. Lisi Maier war bislang unter anderem als stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrats aktiv. Dr. Arn Sauer war zuvor unter anderem wissenschaftlicher Mitarbeiter für Gender Mainstreaming im Umweltbundesamt. Für den Dritten Gleichstellungsbericht hat er zusammen mit Diana Hummel und Immanuel Stieß eine Expertise zum Thema Technikfolgenabschätzung und Geschlecht verfasst. Wir wünschen dem Direktorium einen guten Start in diese verantwortungsvolle Aufgabe!

Einblick in das Gutachten

Gründungen in der Digitalwirtschaft

Gründungen in der Digitalwirtschaft

Gründungen in der Digitalbranche und in der digitalen Wirtschaft beeinflussen die digitale Transformation maßgeblich. In der Branche werden beispielsweise Apps entwickelt, die uns den Alltag erleichtern sollen, Algorithmen geschrieben, die versprechen die Personalauswahl in Betrieben zu erleichtern oder Maschinen gebaut, die mit Hilfe von Robotik die Pflege von Kranken erleichtern. Jedoch gründen Frauen in diesen Bereichen weitaus seltener ein eigenes Unternehmen als Männer. Laut Zahlen des Mikrozensus waren im Jahr 2018 4,4 Prozent der in der IKT-Branche arbeitenden Frauen selbständig; für Männer ist dieser Wert doppelt so hoch.

Für Gründungen in der Digitalbranche und in der digitalisierten Wirtschaft gilt bezüglich geschlechtsbezogener Problemfelder vieles, was auch für andere Branchen zutrifft. Zentrale Probleme sind beispielsweise die unzureichende soziale Absicherung von Selbstständigen mit wenig Einkommen, unzureichende Regelungen bezüglich des Mutterschutzes aber auch Benachteiligungen aufgrund von Stereotypen und geschlechtsbezogenen Zuschreibungen. Diese Problemfelder verstärken sich in der stark männerdominierten Digitalbranche.

Wenngleich es bisher wenige geschlechtsbezogene Analysen zu digitalisierungsbezogenen Gründungen gibt, ermöglicht der jährlich erscheinende Female Founders Monitor des Bundesverband Deutsche Startups Einblicke in geschlechtsbezogene Ungleichheiten im Bereich der Start-Up-Gründung, beispielsweise beim Zugang zu Finanzkapital. Größere Kapitalaufnahmen gehören demnach für Gründerinnen noch zur Ausnahme: Nur 5,2 % der weiblichen Teams haben bereits 1 Million Euro an Kapital oder mehr erhalten – bei den Männerteams sind es dagegen 27,8 %. Der Monitor zeigt zudem, dass Männer deutlich häufiger durch sogenannte „Business Angels“, also Geschäftsleute oder Investor*innen, mit Know-how, aber auch Kapital unterstützt werden. Ähnliches gilt für Risikokapital und selbst staatliche Fördermittel bekommen Männerteams etwas häufiger als Frauenteams.

Die Sachverständigenkommission geht davon aus, dass aufgrund bestehender Geschlechterstereotype, z.B. bei Investor*innen oder Jury-Mitgliedern von Förderwettbewerben, eine systematische Ungleichbehandlung von männlichen und weiblichen Personen, die gründen, stattfindet.  In der deutschen Förderlandschaft mangelt es zudem an Maßnahmen zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und Konzepten, die eine gleichstellungsorientierte Verteilung finanzieller Mittel bei Gründungsförderungen gewährleisten, z. B. durch die Besetzung von Entscheidungsgremien.

Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat Handlungsempfehlungen entwickelt, die darauf abzielen Gründer*innen in der digitalisierten Wirtschaft geschlechtergerecht zu fördern. Das bedeutet beispielsweise

  • Förderprogramme explizit für Gründerinnen in der Digitalbranche zu konzipieren
  • diskriminierungsfreie und gleichstellungsorientierte Vergabekriterien zu entwickeln, die auch Quotenregelungen bei der Vergabe von Fördermitteln vorsehen sollten
  • Netzwerke, die Frauen als Risikokapitalgeberinnen mobilisieren zu fördern und zu erweitern

Der Sachverständige Prof. Dr. Thomas Gegenhuber spricht im folgenden Interview darüber, was  Frauen die Gründung eines Start-Ups erschwert und erläutert weitere Empfehlungen für eine geschlechtergerechte Förderlandschaft.

Drei Fragen an Prof. Dr. Gegenhuber

Thomas Gegenhuber

Prof. Dr. Thomas Gegenhuber

 

Prof. Dr. Thomas Gegenhuber ist Professor für Managing Socio-Technical Transitions an der Johannes Kepler Universität Linz. Als Mitglied der Sachverständigenkommission hat er entsprechend seiner Expertise unter anderem zum Thema Gründungen gearbeitet.

 

 

Frauen gründen seltener ein eigenes Unternehmen als Männer. Bei Gründungen als Start-Up liegt der Anteil noch einmal deutlich unter dem Anteil von Existenzgründungen insgesamt. Laut Start-Up-Monitor sind es nur 18 Prozent. Was erschwert Frauen die Gründung eines Start-Ups?

Dafür gibt es mehrere Gründe, die zusammenspielen. Ein zentraler Faktor ist immer noch das Rollenbild: Unternehmertum (bewusst hier nicht geschlechtergerecht formuliert) wird männlich gedacht. Die Bilder, die da im Kopf entstehen, sind männliche Einzelkämpfer, die nur alleine durch ihre Willenskraft, Arbeiten rund um die Uhr und gegen alle Widerstände wirtschaftlichen Erfolg erzielen. Verbreitete Vorstellungen über Silicon Valley verstärken dieses Bild.

Weitere Gründe sind die Schwierigkeit, Unternehmer*innentum und Familie zu vereinbaren, und die Hürde, die Frauen haben, Fremdkapitel zu gewinnen. Gerade bei letzterer sind gängige Stereotypen zentraler Faktor – dazu kann ich Forschung von Malin Malmström (Professorin an der Luleå University of Technology) empfehlen.

Für Start-Ups spielen Investor*innen, die das Unternehmen mit sogenanntem Risikokapital unterstützen, eine große Rolle.  Gründerinnen sitzen bei Veranstaltungen wie zum Beispiel Pitch-Days, auf denen Gründer*innen um Investor*innen werben, häufig reinen Männergruppen gegenüber. Was bewirkt das und gibt es bereits Ansätze die Investorenlandschaft zu diversifizieren?

Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Die Forscherin Alyson Wynn an der Stanford Universität legt in ihrer Forschung dar, dass man sich zwar schnell einig ist, dass Stereotypen aufgelöst werden sollen, aber es unklar ist, wer dafür verantwortlich ist. Ein Ansatzpunkt sind Investor*innennetzwerke, die nur aus Frauen bestehen und das Thema bewusst angehen. Dieses Engagement ist wichtig um zu zeigen: es geht auch anders.

Auch verschiedene staatliche Förderprogramme unterstützen Gründer*innen mit finanziellen Mitteln. Berücksichtigen diese Programme, dass Frauen bei einer Gründung häufig zusätzlichen Herausforderungen gegenüberstehen oder oft mit einer anderen, z.B. gemeinwohlorientierten Motivation, gründen?

Ich möchte hier einen Punkt von der ersten Frage aufgreifen. Welche Art von Unternehmer*innentum wollen wir haben? Im Sinne eines sozio-technischen Ansatzes sollten wir Unternehmer*innentum breiter denken und die Fragen stellen, welche Werte sollen geschaffen werden. Vor dem Hintergrund eines Green New Deals und anderer Herausforderungen (z.B. Corona-Krise, Belebung der Innenstädte, Bewältigung der Herausforderungen in der Pflege) sollten wir auch Unternehmer*innentum stärker unterstützen, das sich nachhaltigem Wirtschaften verpflichtet. Die Sachverständigenkommission schlägt der Bundesregierung z.B. einen nationalen Aktionsplan Soziotechnischer Innovationsstandort Deutschland vor. Auch das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland hat dazu wichtige Forderungen erarbeitet.

Darüber hinaus scheint es mir wichtig, dass alle Entscheidungsgremien von staatlichen Fördergeber*innen bzw. bei Kreditvergaben zu 50 % mit Frauen besetzt werden. Das stärkt das soziale Kapital von Frauen, das wiederum in Netzwerke eingebracht werden kann.

Zum Weiterlesen:

Malmström, Malin/Johansson, Jeaneth/Wincent, Joakim (2017): Gender Stereotypes and Venture Support Decisions: How Governmental Venture Capitalists Socially Construct Entrepreneurs’ Potential. In: Entrepreneurship Theory and Practice 41 (5), S. 833–860, https://doi.org/10.1111/etap.12275.

Wynn, Alison T. (2019): Pathways toward change. Ideologies and Gender Equality in a Silicon Valley Technology Company. In: Gender and Society 20 (10), S. 1–25, https://doi.org/10.1177/0891243219876271.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

Sehen:

  • Im Videopodcast „Menschen, Arbeit, Zukunft“ (06.11.2021) spricht der Staatsrat der Stadt Bremen Kai Stührenberg mit Lisa Ringen von Digital Media Women über Herausforderungen für Frauen in der Digitalbranche.

Hören:

  • Im Podcast „She Likes Tech“ von NDR Info sprechen Tech-Journalistinnen Eva Köhler und Svea Eckert jede Woche mit Top-Expertinnen für IT-Themen, unter Anderem werden viele Gründerinnen vorgestellt. Neue Folgen gibt es wöchentlich.
  • Was passiert, wenn nur weiße Männer coden? Und warum gründen nicht auch mehr andere Personen in der Tech-Branche? Diesen Fragen geht die erste November-Folge „Gender und IT“ des „Lila Podcasts“ mit Laura Laugwitz nach.
  • Der Podcast „Fe.Male Founders“ stellt inspirierende Entwicklungs- und Erfolgsgeschichten und Projekte von Gründerinnen vor, so zum Beispiel Start-Ups aus der Medizintechnik oder im Bereich Energieinfrastruktur.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor. Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die Veranstaltungen. Im Folgenden werden einige davon vorgestellt. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 20. November wird der Dritte Gleichstellungsberichts in China vorgestellt: Dr. Ulrike Spangenberg hält einen Vortrag bei der virtuell stattfindenden 5. Deutsch-Chinesischen Konferenz zu Geschlechtergleichstellung und Entwicklung der Friedrich-Ebert-Stiftung China.
  •  Am 26. und 27 November findet die dritte KI& Wir Convention statt. Es soll unter anderem darum gehen, wie „KI Literacy“, also eine grundlegende Kompetenz in Sachen Künstlicher Intelligenz verbreitet werden kann. Mitglied der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Stephan Höyng wird in einem Panel zum Thema KI & Diversität die Perspektive des Gutachtens vorstellen. Programm und Anmeldung gibt es auf der Veranstaltungsseite.

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 21.10.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

in unserem Oktober-Newsletter geben wir Ihnen einen Einblick in das Gutachten-Kapitel zu Algorithmen in der Personalauswahl. Zusätzlich zur Einführung in die Kapitelinhalte geht die Sachverständige Prof. Dr. Katja Nebe im Format „Drei Fragen an…“ konkret auf die Herausforderungen und Handlungsoptionen von Betriebs- und Personalräten ein. Passend dazu möchten wir Sie auf die Veröffentlichung des Themenblatts „Algorithmen und Diskriminierung“ hinweisen.

Wir freuen uns, Ihnen nach dem Kick-Off-Event der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“, die von der EAF in Kooperation mit uns und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut organisiert wird, vom erfolgreichen Start der Reihe berichten zu können. Auch zum ersten Roundtable „Technikgestaltung“ möchten wir herzlich einladen, mehr Informationen im entsprechenden Abschnitt unter „Aktuelles“. Dokumentationen vergangener Veranstaltungen und Anmeldemöglichkeiten zu kommenden Events finden Sie wie immer am Ende des Newsletters.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Aktuelles

Themenblatt 5 „Algorithmen und Diskriminierung“ veröffentlicht

Diesen Monat wird ein weiteres Themenblatt veröffentlicht:

  • Das Themenblatt 5 „Algorithmen und Diskriminierung“ erläutert die Risiken des Einsatzes algorithmischer Systeme in der Entscheidungsfindung an Beispielen wie Personalauswahl oder Patient*innenbetreuung. Vor allem wird kurz und knackig darauf eingegangen, warum solche Systeme diskriminieren und was dagegen getan werden kann.

Kick-Off-Veranstaltung „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ voller Erfolg

Am 10. September startete die Veranstaltungsreihe zum Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht mit beachtlichen über 200 Anmeldungen. Nach der Begrüßung führten Kommissionsvorsitzende Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und die Leitung des Referats Grundsatzfragen Gleichstellung im BMFSFJ Angelika Engstler in die Bedeutung und Inhalte des Dritten Gleichstellungsberichts ein. Im Anschluss fanden sechs Diskussionsrunden zu den Themen Technikentwicklung, Gründungen, Plattformökonomie, Arbeitswelt, Vereinbarkeit und Digitale Gewalt mit den anwesenden Stakeholdern statt. Die Teilnehmenden finden eine Dokumentation der Veranstaltung auf der Veranstaltungsseite.

Zu den dort andiskutierten Themenkomplexen werden innerhalb der nächsten Monate fünf Roundtable-Veranstaltungen stattfinden, in denen die Handlungsempfehlungen des Gutachtens vertieft diskutiert und – jenseits der Wiederholung der Problemfokussierung – konkrete nächste Schritte zu ihrer Umsetzung erarbeitet werden sollen. Die Roundtables sind eine Gelegenheit für Akteur*innen in Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gemeinsam darüber ins Gespräch zu kommen, wie die Digitalisierung im jeweiligen Themenbereich geschlechtergerecht gestaltet werden kann.

Die Daten und Themen der fünf Roundtables bis Mitte Januar sind auf der Website der Veranstaltungsreihe https://digitalisierung-geschlechtergerecht.org/ zu finden.

Erster Roundtable zu Technikentwicklung und -gestaltung der Reihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Der erste Roundtable zum Thema „Diskriminierungsfreie Technikentwicklung und -gestaltung“ wird am 11. November von 16 bis 18 Uhr digital stattfinden. Zu Beginn wird Prof. Dr. Claude Draude, eine der Sachverständigen des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht, darlegen, welche Pflöcke für eine geschlechtergerechte Technikentwicklung eingeschlagen werden müssen. Rosmarie Steininger, Initiatorin des vom BMAS geförderten Projekts „KIDD – KI im Dienste der Diversität“, wird in einem weiteren Kurzinput den Fokus auf die Frage legen, welche Vorschläge im KIDD-Projekt für partizipative und inklusive Prozesse zur Einführung von Künstliche-Intelligenz-Systemen entwickelt werden. Anschließend werden Akteur*innen aus dem Feld der praxisnahen Umsetzung und Gestaltung ins Gespräch kommen und gemeinsam an Handlungsoptionen feilen. Wenn Sie im Feld arbeiten und sich für Gleichstellung und Diskriminierungsfreiheit in der Technikgestaltung einsetzen, laden wir auch Sie herzlich zu diesem Roundtable ein. Bitte registrieren Sie sich dafür über die Veranstaltungswebsite.

Abschlusssitzung der Sachverständigenkommission

Die Sachverständigenkommission trat am 24.9. noch einmal zu einer Abschlusssitzung zusammen, die Gelegenheit zum Rück- und Ausblick bot. Nachdem die meisten Arbeitssitzungen der Kommission während der Gutachtenerstellung im vergangenen Jahr digital stattfinden mussten, war es schön, nun abschließend noch einmal mit der Sachverständigenkommission, der Geschäftsstelle und den Vertreter*innen des Ministeriums physisch zusammenzukommen.

Einblick in das Gutachten

Von Algorithmen ist oft im Zusammenhang mit Sozialen Medien und Filterblasen die Rede. Die Berechnungen und Prognosen algorithmischer Systeme spielen jedoch auch in anderen Bereichen des Lebens und Arbeitens eine zunehmende Rolle, unter anderem in der Suche nach und Entscheidung über Personal. So hilft z. B. Software beim Sourcing, dem Durchsuchen von Karriereportalen wie LinkedIn oder Xing, um passende Kandidat*innen für eine Stelle zu finden oder Arbeitsuchenden bestimmte Stellen anzuzeigen. Digitale Tools zum Bewerber*innen-Screening filtern die Personen aus dem Pool heraus, die laut Berechnungen am besten ins Team oder zu einer Stelle passen. Und Videoanalyse-Software kann dazu genutzt werden, Bewerbungsgespräche nach psychologischen Vorgaben auszuwerten, den Bewerber*innen bestimmte Persönlichkeitsmerkmale zuschreiben und entsprechende Vorschläge für die Auswahl machen.

Oft wird derartige Software mit der Hoffnung eingesetzt, menschliche Vorurteile zu umgehen und Prozesse objektiver zu gestalten. Bei all diesen Schritten bestehen beim Einsatz algorithmischer Systeme jedoch erhebliche Diskriminierungsrisiken in Bezug auf das Geschlecht. Auch rassistische und klassistische Diskiminierung, Diskriminierung aufgrund von Behinderung, der Religionszugehörigkeit, des Alters oder der sexuellen Orientierung können durch Software reproduziert werden. So werden manche Stellen beispielsweise eher Männern als Frauen angezeigt (Gender Targeting) oder Software wie ein Videoanalyse-Programm bewertet Bewerbungsgespräche anders, wenn die interviewte Person ein Kopftuch trägt.

Diskriminierung kann aus unterschiedlichen Gründen in algorithmische Systeme einfließen und durch diese reproduziert werden. In der Entwicklung fließen die Vorannahmen der Entwickler*innen mit ein. Es mangelt oft an Expertise zu Diskriminierungsrisiken, um dies zu verhindern. Meist sind die Testgruppen für die Software die häufig homogenen Entwickler*innenteams und es fehlt die Einbeziehung der später betroffenen Personen. Dadurch oder durch verzerrte Datensätze, mit denen das algorithmische System trainiert wird, sind oft auch die Vorschläge und Prognosen verzerrt. Teilweise sind aber auch die Zielsetzung und Modelle, an denen sich die Entwicklung orientiert, Grund für diskriminierende Effekte: Wird ein Programm z. B. daraufhin trainiert, zu den Menschen im Team ähnliche Bewerber*innen als passender zu bewerten, bleiben Teams systematisch homogen.

Oft werden vorhandene Diskriminierungsrisiken durch den Mythos von Neutralität und Objektivität der Technik verschleiert. Zudem sind die Gründe für Prognose und Vorschläge algorithmischer Systeme im Nachhinein meist weder für die Personen, die sie einsetzen, noch für Personen, die dadurch bewertet werden, vollkommen nachvollziehbar.

Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat Handlungsempfehlungen entwickelt, die dafür sorgen sollen, dass Diskriminierungen verhindert werden. So empfiehlt die Kommission beispielsweise, Systeme immer einer Risikoprüfung zu unterziehen, etwa durch Aufsichtsbehörden wie bspw. Landesdatenschutzbeauftragte oder Landesämter für Gewerbeaufsicht bzw. Arbeitsschutz mit zusätzlichen Kapazitäten. Datenschutzfolgeabschätzungen sollten verpflichtend werden und Software entwickelnde Unternehmen sollen für größtmögliche Transparenz hinsichtlich der Funktionsweise der Software sorgen, indem sie technische Spezifikationen, Programmiervorgaben, Anforderungskataloge, Dokumentationen und Quellcodes offenlegen. Geschlechtsbezogene Daten oder andere geschützte Kategorisierungen sollen nur in Ausnahmefällen verarbeitet werden dürfen. Die Auskunftsansprüche über den Einsatz algorithmischer Systeme sollen insbesondere für Arbeitnehmende und Bewerber*innen konkretisiert werden. Um Arbeitnehmer*innen davon zu entlasten, bei Verstößen gegen ihre*n Arbeitgeber*in vorzugehen und um Kompetenzen und Ressourcen zu bündeln, sind Antidiskriminierungsstellen und -verbände mit weiteren Kompetenzen und Befugnissen auszustatten, konkret z. B. mit einem Verbandsklagerecht. Zudem sollen Betriebs- und Personalräte entsprechend geschult werden, sodass sie über ausreichende digitalisierungsbezogene Kompetenzen verfügen. Die Sachverständige Prof. Dr. Katja Nebe geht im folgenden Interview im Detail auf die Herausforderungen für Betriebe ein und erläutert rechtliche und betriebliche Handlungsoptionen.

3 Fragen an: Prof. Dr. Katja Nebe

Prof. Dr. Katja Nebe

Prof. Dr. Katja Nebe

Prof. Dr. Katja Nebe ist Professorin der Rechtswissenschaften mit Schwerpunkt Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Sie brachte Ihre Expertise als Kommissionsmitglied ins Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht ein.

 

1. Was macht das Thema „Algorithmen und Personalauswahl“ aus Ihrer Sicht so wichtig für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen?

Eine nachhaltige Unternehmensführung hängt von einer guten und vorausschauenden Personalplanung ab. Die Personalauswahl selbst macht einen beachtlichen Teil der Personalplanung aus, nicht nur bei der Einstellung und damit beim Zugang zur Arbeit, sondern auch bei Beförderungen, bei der Inanspruchnahme von Qualifizierungen, aber auch bei einer eventuellen Reduzierung von Personal, sprich bei Personalabbau. Der Einsatz neuer Auswahlmethoden muss daher sehr aufmerksam bedacht werden.

Denn Personalauswahlentscheidungen werden auf der Grundlage verschiedenster Daten zur fachlichen und persönlichen Eignung, aber auch anhand sozialer Gesichtspunkte getroffen. Mit der computergestützten Datenverarbeitung lassen sich Daten von und über Personen in großer Menge schnell zusammenstellen und auswerten. Hierin wird die Chance gesehen, dass Auswahlentscheidungen neutral und ohne von Menschen gemachte diskriminierende Einflüsse zustande kommen. Aber auch hier gilt „Traue keiner Statistik“, denn auch ein automatisierter Rechenprozess kann Verzerrungen enthalten, je nachdem, welche Daten in die Berechnung einbezogen oder wie gewichtet werden.

Die Rechenverfahren, also die Algorithmen digitaler Personalauswahlsysteme werden zunehmend komplexer. Dazu gehören auch sogenannte selbstlernende Rechensysteme, die auf der Basis selbstständiger Verknüpfungen schier unzähliger Daten ein Auswahlergebnis ausgeben. Je nachdem, auf welche Daten ein solcher Algorithmus zugreifen kann und welche Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Daten bisher statistisch besonders häufig waren, wird das Risiko stereotyper und damit auch diskriminierender Entscheidungen größer.

Beide Seiten, Arbeitgeber*innen wie Arbeitnehmer*innen, müssen ein sehr hohes Interesse an soliden Auswahlprozessen haben. Entsprechend sensibel und planvoll müssen daher neue Methoden, auch technische und technologische, hinsichtlich ihrer Einflüsse auf Auswahl und Ergebnis abgeschätzt und fortlaufend überprüft werden.

2. Wie können Interessenvertretungen von Arbeitnehmer*innen sicherstellen, dass durch algorithmische Systeme niemand rassistisch, wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt wird (§1 AGG)?

Auf zweierlei Wegen – einmal prozedural, d. h. Interessenvertretungen können Einfluss auf die Entscheidungsprozesse nehmen. Das beginnt schon bei der Mitsprache bei der Planung über den Einsatz neuer Methoden, also auch bei der Entscheidung über algorithmische Systeme. Bei Bedarf können sich Betriebsräte externen Sachverstand besorgen. Insoweit hat das Mitte Juni diesen Jahres in Kraft getretene Betriebsrätemodernisierungsgesetz die Rechte des Betriebsrats gestärkt.

Und dann muss natürlich auch geschaut werden, welche Technologie eingesetzt werden soll. Nicht nur Betriebs- und Personalräte, ebenso Schwerbehindertenvertretungen, Gleichstellungsbeauftragte usw. sind dem Querschnittsthema „Diskriminierungsschutz“ verpflichtet. Das ergibt sich u.a. aus § 17 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Sollen also Algorithmen bei welcher personenbezogenen Auswahlentscheidung auch immer eingesetzt werden, müssen die Interessenvertretungen bei etwaigen Diskriminierungsrisiken den Arbeitgeber auffordern, den Einsatz zu unterlassen. Je unüberschaubarer ist, welche Datenquellen bei der algorithmischen Berechnung genutzt werden, umso größer ist das Risiko verzerrender Wirkungen. Diesen muss vorgebeugt werden. Im besten Fall kommen Interessenvertretungen mit dem Arbeitgeber im Wege von Kollektivvereinbarungen über den Einsatz geprüfter Systeme und eine laufende Wirkungskontrolle überein. Für die Abwägung des Für und Wider des Einsatzes eines algorithmischen Systems kommt z. B. der Prüfleitfaden zum Einsatz von KI im Personalmanagement von AlgorithmWatch in Frage. Bestehende Systeme können mit dem Reflexionskatalog des Gerd-Modells, das eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Softwareentwicklung unterstützt, hinterfragt werden.

3.       Auf EU-Ebene wurde Ende April dieses Jahres ein Entwurf für ein „Gesetz über Künstliche Intelligenz“ (KI-VO-E) vorgelegt. Auch KI-Algorithmen, die im Personalbereich genutzt werden, sollen reguliert werden. Sind die dort vorgeschlagenen rechtlichen Rahmenbedingungen geeignet für einen Diskriminierungsschutz von Arbeitnehmer*innen?

Die Rahmenbedingungen enthalten einige gute Ansatzpunkte, die auch dem Diskriminierungsschutz dienen können. Der Regulierungsvorschlag fußt auf einem risikobasierten Ansatz, der sich an den Grundwerten der Union – zu denen die Geschlechtergleichstellung und die Diskriminierungsfreiheit gehören – orientiert. Der Verordnungs-Entwurf sieht gestufte Vorkehrungen vor; so sind für solche KI-Systeme, bei denen nur ein geringes oder minimales Risiko gesehen wird, auch nur wenige verbindliche Anforderungen formuliert. Im Wesentlichen soll bei diesen Systemen durch freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter Übereinstimmung, also Compliance mit den Anforderungen der KI-VO-E erreicht werden (Art. 69 KI-VO-E). Der Deutsche Juristinnenbund e.V. hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf zu Recht darauf hingewiesen, dass das zu wenig ist: in der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass Freiwilligkeit im Hinblick auf die Geschlechtergleichstellung und den Diskriminierungsschutz nicht ausreicht, vor allem dann nicht, wenn die Maßnahmen mit Aufwand und Kosten verbunden sind.

Für Systeme im Bereich Beschäftigung sieht der Entwurf ein „hohes Risiko“, nicht jedoch ein Risiko auf höchster Stufe (das hieße ein „unannehmbares Risiko“) für KI in Personalentscheidungen vor. Damit wäre die Folge kein Verbot, sondern nur strenge Schutzvorgaben.  Ich habe Zweifel, ob angesichts der bisherigen Dynamik durch den hohen Angebotsdruck das notwendige Schutzniveau erreicht wird. Auf jeden Fall stellen sich für alle Beteiligten erhebliche Herausforderungen für eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Personalplanung.

Zum Weiterlesen:

Die Auswertung „Machine-Learning-Anwendungen in der betrieblichen Praxis“ von Andree Thieltges (2020) zeigt Handlungsmöglichkeiten für Interessensvertretungen anhand von Regelungspunkten aus insgesamt 29 abgeschlossenen Betriebs- und Dienstvereinbarungen.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Spielen)

Lesen:

Sehen:

  • Jan Böhmermann beschäftigte sich in der ZDF-Magazin-Royale-Folge vom 10. September mit „Künstlicher Intelligenz“ und ließ diese auch für einige Minuten die Sendung übernehmen. Die Sendung kann in der ZDF-Mediathek angeschaut werden.

Hören:

  • Der Podcast „In Machines We Trust — A show about the automation of everything“ von MIT Technology Review behandelt in vier Folgen das Thema Algorithmen und Automatisierung im Recruiting. Es gibt spannende Hintergründe zu aktuellen Entwicklungen, Interviews mit Entscheider*innen von Jobplattformen und Start-Ups, Job-Consulting-Firmen und NGOs.

Spielen:

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Die Veranstaltung „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten – Herausforderungen jetzt annehmen“ des Ministeriums für Gleichstellung und Justiz und des Ministeriums für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung des Landes Sachsen-Anhalt fand am 26. Mai mit Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Prof. Dr. Katja Nebe und Dr. Andrea Knaut aus der Geschäftsstelle statt. Die ausführliche Dokumentation der Veranstaltung wurde jetzt veröffentlicht.
  • Am 08.10. ist die Kampagne 2022 zum Equal Pay Day gestartet. Das Thema dieses Mal ist „Equal pay 4.0 – gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt“. Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok stellte passend dazu das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht vor. Berichtet wurde z.B. bei SheWorks.
  • Am 28.10. veranstaltet das Lübecker Frauenbüro eine Digitalveranstaltung zum Thema „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten – Handlungsansätze vor Ort entwickeln“. Prof. Dr. Miriam Beblo wird dort vortragen. Anmeldung hier.
  • Ebenfalls am 28.10. findet ein Spitzengespräch zwischen Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und dem Vorstandsvorsitzenden des AWO Bundesverbandes e.V. Prof. Dr. Jens M. Schubert statt. Eine Anmeldung ist bis zum 25.10.2021 hier möglich.

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

Mastodon: @gleichgerecht@mstdn.social

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 07.09.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir freuen uns sehr, Sie in diesem Newsletter zur Kick-Off-Veranstaltung der Reihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ am 10. September einladen zu können. Wir starten online um 10 Uhr am Freitag mit spannenden Impulsen und Diskussionsrunden zu den Themen des Gleichstellungberichts. In den folgenden Monaten wird es dann fünf Roundtables geben, über die wir Sie selbstverständlich informieren werden. Mehr Details und den Link zur Anmeldung finden Sie unter „Aktuelles“.

Der inhaltliche Fokus des Newsletters liegt diesen Monat auf dem Thema Vereinbarkeit, mit Schwerpunkt auf den Expertisen, Hearings und Beiträgen des Gutachtens zum Thema Mobiles Arbeiten. Auf eine kurze Zusammenfassung und Einordnung der Inhalte, die im Prozess der Gutachtenerstellung von der Sachverständigenkommission und anderen Expert*innen erarbeitet wurden, sowie weitere Lese-, Hör- und Sehtipps können Sie sich im Abschnitt „Einblick in das Gutachten“ freuen.

Ganz unten dann, wie jeden Monat, Hinweise auf Dokumentationen vergangener Veranstaltungen sowie Links zu noch kommenden für Sie möglicherweise interessanten Events.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Veranstaltungsreihe zum Dritten Gleichstellungsbericht startet am Freitag, 10. September | Dritter Gleichstellungsbericht aus der Druckerei eingetroffen

Einblick in das Gutachten: Mobiles Arbeiten und Vereinbarkeit | Kompakt: Expertisen und Hearings zum Thema | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Veranstaltungsreihe zum Dritten Gleichstellungsbericht startet am Freitag, 10. September

Die EAF Berlin lädt mit ihren Kooperationspartner*innen Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung dazu ein, die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsbericht mit Vertreter*innen aus der Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu diskutieren und anwendungsorientiert weiterzuentwickeln. Am 10. September findet von 10-13 Uhr die digitale Auftaktveranstaltung statt. Daran werden sich bis Januar 2022 fünf themendifferenzierte Roundtables anschließen, über die wir Sie hier im Newsletter selbstverständlich auf dem Laufenden halten werden.

Zentrale Leitfragen beim Kick-Off werden sein: Welche Handlungsempfehlungen sollten für eine zeitnahe Umsetzung in den Roundtables vertieft diskutiert werden? Welche Aufgaben müssen in der nächsten Legislaturperiode dringend für eine geschlechtergerechte Digitalisierung erledigt werden? Welche weiteren Handlungsempfehlungen sind nötig?  Welche Akteur*innen sind gefragt, um diese Handlungsempfehlungen Realität werden zu lassen?

Wir möchten Sie herzlich dazu einladen dabei zu sein. Die Teilnahme ist kostenlos. Wir bitten um Anmeldung auf der Website der Veranstaltungsreihe.

Dritter Gleichstellungsberichts aus der Druckerei eingetroffen

Mittlerweile ist die Print-Version des Dritten Gleichstellungsberichts aus der Druckerei eingetroffen. Sie kann beim BMFSFJ kostenfrei bestellt werden. Zum Download steht er unter derselben Adresse ebenfalls zur Verfügung.

Einblick in das Gutachten

Mobile Arbeit und Vereinbarkeit

Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit

Digitale Endgeräte wie Laptops oder Smartphones ermöglichen es in vielen Berufen, zumindest einen Teil der Arbeit außerhalb der Arbeitsstätte zu erledigen (Mobiles Arbeiten). Dadurch eröffnet Mobiles Arbeiten gerade für Menschen mit Sorgeverantwortung neue Chancen, Beruf und Sorgearbeit aufeinander abzustimmen. Gleichzeitig beinhalten die digital vermittelten Möglichkeiten der besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit auch Risiken. Eine ständige berufliche Erreichbarkeit auf dem Handy außerhalb des Arbeitsplatzes kann, ebenso wie private Erreichbarkeit während der Arbeitszeit, z. B. leicht zu Stress und in der Folge zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Der schmale Grad zwischen Chance und Gefahr der mobilen Erreichbarkeit wird am Beispiel der Pflege von Angehörigen deutlich: Durch Telepflege und digitale Technik in der Wohnung können sich pflegende Angehörige jederzeit per Smartphone über die Situation zuhause informieren lassen. Dies mag sie bei ihrem Vereinbarkeitsspagat entlasten. Gleichzeitig ist das Verschwimmen der Grenzen gerade zwischen häuslicher Pflege und Erwerbsarbeit kritisch zu sehen. Studien zeigen, dass Erwerbsarbeit für pflegende Angehörige oft eine bewusst genutzte Selbstsorgeressource für die Bewältigung der Pflegesituation darstellt.

In ihrem Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht hebt die Sachverständigenkommission daher hervor, dass eine kluge Regulierung gefragt ist, um die Chancen flexiblen Arbeitens – hinsichtlich der Arbeitszeit und des Arbeitsortes – für die bessere Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche zu nutzen. Dies betrifft zum einen den Rechtsanspruch auf Mobiles Arbeiten, flankiert durch Schutzmechanismen für die Arbeitnehmer*innen. Zum anderen betrifft es eine „vereinbarkeitsfördernde“ Gestaltung der Arbeitszeit: Die Sachverständigenkommission empfiehlt ein Recht auf Wahlarbeitszeit einzuführen, das eine zeitlich flexible Regelung für die Gestaltung der täglichen Arbeitszeit insgesamt, aber auch „Vereinbarkeitspausen“ während der Arbeitszeit ermöglicht. Zudem muss über die Arbeitszeiterfassung sichergestellt sein, dass die Arbeitszeit auch bei Mobilem Arbeiten den Anforderungen des Arbeitszeitrechts entsprechend erfasst wird. Ideal wäre, eine solche Regelung im Tarifvertrag oder in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zu treffen.

Kompakt: Expertisen und Hearings zum Thema

Bereits vor der Pandemie beschäftigte sich die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht mit dem Mobilen Arbeiten als einem zentralen Thema der digitalisierten Arbeitswelt. Im Prozess der Gutachtenerstellung wurden Expertisen beauftragt, in denen einzelne Aspekte genauer analysiert wurden. Zudem fanden Hearings statt, auf denen Forschende und Stakeholder vertieft diskutieren konnten und so zur Arbeit der Sachverständigenkommission beitrugen. Hier werden die für Mobiles Arbeiten und Vereinbarkeit relevanten Expertisen und Hearings in Kürze zusammengefasst. Die potentiellen Folgen des mobilen Arbeitens für die Aufteilung von Erwerbs-und Sorgearbeit sowie die geschlechtsbezogenen Gesundheitsrisiken standen bei den Analysen für das Gutachten im Vordergrund.

Expertise: Erwerbsarbeit, Geschlecht und Entgrenzung – Auswirkungen auf die Gesundheit

Carsten Brück und Michael Gümbel haben in einer Expertise für das Gutachten detailliert herausgearbeitet, was es bedeutet, wenn bisher vertraute Grenzen von Raum und Zeit im Arbeitsleben fluide werden. Insbesondere die Gesundheit der Menschen haben sie dabei in den Blick genommen. Sie stellten z.B. fest, dass das Wegfallen von Pendelzeiten sich insbesondere bei Frauen positiv auf die Gesundheit auswirken kann. Bei Frauen sind lange Wegstrecken tendenziell häufiger mit gesundheitlichen Problemen verbunden als bei Männern. Jedoch nennen Brück und Gümbel auch die Herausforderungen für den Arbeitsschutz, die mit dem Mobilen Arbeiten einhergehen: u.a. die ständige Erreichbarkeit, das Nichteinhalten von Pausenzeiten, die Länge und Lage der Arbeitszeiten sowie emotionaler Stress, z.B. hervorgerufen von elektronischer Leistungsüberwachung.

 

Hearing: Entgrenzte Erwerbsarbeit und interessierte Selbstgefährdung

Über Gesundheitsrisiken und ihre Geschlechteraspekte sprach auch Dr. Yvonne Lott in einem Expert*innen-Hearing für das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht. Sie führte aus, dass bei verschwimmenden Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und Privatleben sowohl Männer als auch Frauen zu gesundheitlicher Selbstgefährdung neigen, wenn Schutzmechanismen fehlen. Es gibt jedoch Unterschiede: Männer, die zu Hause arbeiten, sind mit einem großen Maß an Arbeitsintensität und Mehrarbeit konfrontiert. Die Selbstgefährdung geht auf die bezahlte Erwerbsarbeit zurück. Frauen hingegen weiten im Homeoffice ihre Sorgearbeit aus; ihre Selbstgefährdung geht auf die unbezahlte Sorgearbeit zurück.

 

Expertise: Auswirkungen der Ort-Zeit-Flexibilisierung von Erwerbsarbeit auf informelle Sorgearbeit

Die von den Sachverständigen bei Claire Samtleben, Dr. Kai-Uwe Müller und Dr. Yvonne Lott in Auftrag gegebene Expertise beschäftigte sich (vor der Pandemie) mit den Auswirkungen des Homeoffice auf die Aufteilung von Sorgearbeit in heterosexuellen Partnerschaften. Die Autor*innen beschreiben, dass die Nutzung von Homeoffice durchaus das Potential für eine gerechtere Verteilung von Sorgearbeit innewohne: So führe die Nutzung von Homeoffice in den betrachteten Paarhaushalten im Durchschnitt zu einer Ausweitung informeller Sorgearbeit bei beiden Geschlechtern. Gleichzeitig sei der Zusammenhang bei Frauen jedoch ausgeprägter, und somit ebenso die Gefahr einer Retraditionalisierung von Geschlechterrollen im Haushalt gegeben: Frauen erhöhen mit dem Homeoffice ihre informelle Sorgearbeit um etwa 1,7 Stunden, während dies bei Männern nur um etwa 0,6 Stunden pro Woche der Fall sei. Der relative Anteil der Frauen steigt demnach sogar, der Gender Care Gap erhöht sich also.

 

Expertise: Covid-19, Gender und Digitalisierung

Befragungen der Hans-Böckler-Stiftung zeigen, dass vor Einsetzen der Pandemie ca. vier Prozent der Beschäftigten überwiegend oder ausschließlich zu Hause arbeitete. Die Pandemie hat zu einem starken Schub für das Mobile Arbeiten gesorgt. Aktuell arbeiten ca. 15 Prozent der Beschäftigten zumindest teilweise von zu Hause. Dr. Nicole Shephard hat in einer Expertise für die Sachverständigenkommission den Wissensstand zur thematischen Schnittstelle zwischen Covid-19, Gender und Digitalisierung zusammengestellt. Bezogen auf die Verschiebung der Erwerbsarbeit in den digitalen Raum beschreibt sie unter anderem, wie sich bei der digitalen Kommunikation, z.B. im Homeoffice, diskriminierende Kommunikationsmuster verstärken können. Machtverhältnisse in der Gesprächskultur können sich zum Beispiel in Videokonferenzen noch stärker äußern als in einer Offline-Sitzung. Das betrifft zum Beispiel ungleiche Sprechzeiten, Unterbrechungen oder unterschiedliche Verarbeitung nonverbaler Kommunikation.

  • Shephard, Nicole (2021): Covid-19, Gender und Digitalisierung. Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung.

 

Positionierung: Rechtsanspruch auf Mobiles Arbeiten

Im Zuge der Pandemie haben viele Arbeitgeber*innen Homeoffice für ihre Beschäftigten ermöglicht. Klare betriebliche Regelungen, die z.B. dafür sorgen, dass die notwendigen Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit oder Gesundheitsschutz eingehalten werden, stehen jedoch häufig noch aus. Auch der gesetzliche Anspruch auf Mobile Arbeit dürfte in der nächsten Legislaturperiode weiterhin Thema sein. Die Sachverständigenkommission formulierte in einem Positionspapier im Oktober 2020 einen konkreten Vorschlag für eine gesetzliche Regelung für das Mobile Arbeiten. Dieser sieht einen Rechtsanspruch auf Mobiles Arbeiten vor, flankiert von Gesetzen, die den Arbeits-und Gesundheitsschutz, den Datenschutz, die Versicherung sowie die steuerliche Absetzbarkeit regeln. Der Rechtsanspruch für die Arbeitnehmenden geht dabei über den aktuellen Referentenentwurf des Gesetzes zum Mobilen Arbeiten , den das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Anfang 2021 vorgelegt hat, hinaus. Die Sachverständigen plädieren dafür, dass der Wunsch nach Mobiler Arbeit von Arbeitgeber*innen nur aus dringenden betrieblichen Gründen abgelehnt werden kann. Diese Regelung gleicht dem Anspruch auf Elternzeit oder Teilzeit.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

  • Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) listet auf einer Infoplattform eine Vielzahl an Studien zum Mobilen Arbeiten. Die Hans-Böckler-Stiftung fasst auf ihrer Website Studien der Stiftung zu Homeoffice und Mobiler Arbeit zusammen.
  • Philipp Frohn gibt im ada-magazin Tipps für ein gelungenes hybrides Arbeiten im Team: „Die Zukunft ist hybrid“.
  • Die „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ stellt im Homeoffice ABC relevante Informationen von A wie „Agiles Arbeiten“ bis Z wie „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ zusammen.
  • Die Bundestagswahlen stehen an. Daher haben verschiedene Stiftungen und Organisationen die Programme der Parteien auf gleichstellungspolitische Themen überprüft. Die MaLisa-Stiftung hat diese Wahlsynopsen, Dokumente, Tools und Prüfsteine zusammengestellt.

Sehen:

  • Der Deutsche Frauenrat hat die Spitzenkandidat*innen von CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/ Die GRÜNEN, FDP und DIE LINKE in Video-Interviews – den DF-Küchengesprächen – zu ihren gleichstellungspolitischen Konzepten und Vorhaben befragt. Sehenswert ist auch der Trailer mit Maren Kroymann: „Gleichstellung ist keine Glückssache“.
  • Julia Friedrichs Dokumentation „HERstory: „Über Jahrhunderte erzählten und deuteten Männer Geschichte, schrieben HISTORY, waren Maß und Norm für Wissenschaft, Rechtsprechung und Ingenieurskunst“. In der vierteiligen Dokumentation wird gezeigt, wie es im Extremfall sogar tödlich sein kann, wenn die Hälfte der Menschheit im toten Winkel bleibt. Online abrufbar in der ARD Mediathek.

Hören:

Rechnen:

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

 

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 12.08.2021

Sehr geehrte am Dritten Gleichstellungsbericht Interessierte,

diesen Monat beschäftigt sich der Newsletter schwerpunktmäßig mit dem Thema Digitalisierung der Wirtschaft. Unter der Rubrik „Einblicke ins Gutachten“ wird vorgestellt, welche Einflüsse der Digitalisierung derzeit in der Arbeitswelt sichtbar sind und inwiefern diese sich anhand von Geschlechterlinien unterscheiden. Darum und um konkrete Ansätze, um die Digitalisierung der Arbeitswelt sowie konkret das Mobile Arbeiten geschlechtergerechter zu gestalten, geht es auch in den beiden neuen Themenblättern „Digitalisierte Wirtschaft“ und „Mobiles Arbeiten“, die unter „Aktuelles“ verlinkt sind. Der thematische Schwerpunkt des Newsletters wird zudem durch „3 Fragen an Nadja Bergmann“ ergänzt, die aus ihren Forschungsprojekten zum Themenkomplex Arbeitsbewertung, digitale Kompetenzen und Gleichstellung in Österreich berichtet.

Wie immer weisen wir zudem auf Aktuelles rund um den Gleichstellungsbericht hin: Insbesondere das Kick-Off der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ zu den Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts, das am 10. September stattfinden wird. Wir informieren Sie zudem über weitere vergangene und zukünftige spannende Veranstaltungen.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Veranstaltungsreihe zum Dritten Gleichstellungsbericht startet am 10. September | Neue Themenblätter „Digitalisierte Wirtschaft“ und „Mobile Arbeit“ | Gedruckte Exemplare des Dritten Gleichstellungsberichts bestellbar

Einblick in das Gutachten: Arbeit und Arbeitsmarkt im digitalen Transformationsprozess | Neues aus der Forschung: 3 Fragen an Nadja Bergmann | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Veranstaltungsreihe zum Dritten Gleichstellungsbericht startet am 10. September

Das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht enthält 101 Handlungsempfehlungen, wie die Digitalisierung geschlechtergerecht gestaltet werden kann. Daran wollen wir mit einer Veranstaltungsreihe anschließen: Die EAF Berlin, das Harriet Taylor Mill-Institut für Ökonomie und Geschlechterforschung und die Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht laden gemeinsam dazu ein, die Handlungsempfehlungen gemeinsam zu diskutieren, weiterzuentwickeln und sie nachhaltig zu verankern. Wir möchten mit Ihnen Erfahrungen und Wissen im Themenfeld Digitalisierung und Gleichstellung austauschen und konkrete Aufträge an entscheidungsfähige Akteur*innen z.B. in Politik und Wirtschaft formulieren. Die Kick-Off-Veranstaltung findet am 10. September, 10 bis 13 Uhr statt. In Kürze finden Sie weitere Informationen zur Anmeldung und dem Programm auf der Homepage der EAF. Bis Januar 2022 folgen dann fünf Roundtables, die sich nochmal genauer mit den Themen Technikentwicklung, Unternehmensgründung, Plattformarbeit, Arbeitswelt und digitale Gewalt beschäftigen. Alle Veranstaltungen finden online statt.

Neue Themenblätter „Digitalisierte Wirtschaft“ und „Mobile Arbeit“

Auch diesen Monat veröffentlichen wir wieder zwei neue Themenblätter:

Im Themenblatt 3 „Digitalisierte Wirtschaft: Arbeitsmarkt – Digitalisierung – Geschlechterverhältnisse“ wird der Einfluss der Digitalisierung auf die Geschlechterverhältnisse in der Arbeitswelt aufgezeigt. Es werden zwei zentrale Hebel vorgestellt, die bedacht werden sollten, um die Weichen in Richtung Gleichstellung zu stellen: Kompetenzerwerb und die Veränderung von Arbeitsbewertungen.

Das Themenblatt 4 „Mobiles Arbeiten: Chancen und Risiken Mobiler Arbeit für die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit“ beschäftigt sich mit den Chancen und Risiken Mobiler Arbeit für die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit. Insbesondere wird dabei auch dem Switchen – dem Hin- und Herschalten zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit – als einer der Herausforderungen bei Mobilem Arbeiten Aufmerksamkeit geschenkt.

Gedruckte Exemplare des Dritten Gleichstellungsberichts bestellbar

Nachdem bislang ausschließlich Print-Exemplare des Gutachtens zum Dritten Gleichstellungsbericht verfügbar waren, befindet sich nun der gesamte Dritte Gleichstellungsbericht im Druck. Sie können Print-Exemplaren bereits jetzt beim BMFSFJ bestellen und werden sie dann frisch aus dem Druckerei kostenfrei zugeschickt bekommen. Zum Download steht er unter der selben Adresse bereits zur Verfügung.

Einblick in das Gutachten

Arbeit und Arbeitsmarkt im digitalen Transformationsprozess

Arbeit und Arbeitsmarkt im digitalen Transformationsprozess

Die Digitalisierung hat in der Arbeitswelt große Umwälzungen in Gang gesetzt. In nahezu jedem Berufsfeld bringt sie Veränderungen für die dort Beschäftigten mit sich – von der Verwendung digitaler Tourenplanungssoftware in der ambulanten Pflege über den Einsatz von Industrierobotern in der Produktion bis hin zur Nutzung digitaler Medien im Schulunterricht.

Neue Technologien können Arbeitsabläufe verbessern, Beschäftigte von körperlicher Arbeit entlasten oder auch Vereinbarkeitsmöglichkeiten erweitern (Stichwort Mobile Arbeit). Sie bringen aber auch Risiken mit sich. Inzwischen wird zwar nicht mehr befürchtet, dass menschliche Arbeitsplätze in gesamtwirtschaftlich großem Ausmaß durch Computer und computergesteuerte Maschinen ersetzt werden. Dennoch ist das Substituierbarkeitspotenzial für bestimmte Berufe, Tätigkeiten und Positionen sehr unterschiedlich. Daher ist jeweils ein genauer Blick auf die Chancen und Risiken von digitalisierungsgetriebenen Veränderungen erforderlich, insbesondere, da der Arbeitsmarkt entlang von Geschlechtergrenzen strukturiert ist. Berufswahl, Karrierechancen und vertragliche Rahmenbedingungen bezüglich des Arbeitsumfangs unterscheiden sich nach wie vor stark nach Geschlecht – und schon deswegen liegt es nahe, dass Frauen und Männer in konkreten Fällen von Digitalisierung unterschiedlich betroffen sind.

Die Digitalisierung löst strukturelle Arbeitsmarktungleichheiten zuungunsten von Frauen nicht „automatisch“ auf. Vielmehr muss der Digitalisierungsprozess selbst auf vielen Ebenen geschlechtergerecht gestaltet werden. Das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht fokussiert dazu unter anderem die betriebliche Ebene und die gesetzlichen Rahmenbedingungen.

Als wichtiger Hebel werden leistungs- und geschlechtergerechte Arbeitsbewertungsverfahren ausgewiesen, nicht zuletzt, weil sie dazu beitragen können, den Gender Pay Gap (18 % im Jahr 2020) zu verringern. Stellen- und Tätigkeitsbeschreibungen sowie eine angemessene Erfassung der von den Beschäftigten angeforderten Kompetenzen sind dafür die Grundlage. Sie müssen in Hinsicht auf digitalisierungsbezogene Entwicklungen aktualisiert werden. Zum Beispiel heißt das, sehr genau hinzuschauen, welche digitalisierungsbezogenen Kompetenzen Beschäftigten auf bestimmten Stellen tatsächlich abverlangt werden – dies können neben rein technischen Fachkompetenzen auch etwa Kommunikationskompetenz oder eine reflektierte Mediennutzungskompetenz sein. Die Sachverständigenkommission weist darauf hin, dass insbesondere Kompetenzen von Beschäftigten in „Frauenberufen“ wie z.B. in der Pflege oftmals unterbewertet werden. Sie fordert dazu auf, sicherzustellen, dass Arbeitsbewertungssysteme und damit die Entlohnung unter den Bedingungen der Digitalisierung diskriminierungsfrei sind. Hier ist auch die Beteiligung von betrieblichen Interessensvertretungen wie Betriebsräten und Gleichstellungsbeauftragten gefragt. Um die betrieblichen Aktivitäten zu flankieren, empfiehlt die Sachverständigenkommission zudem Änderungen im Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG).  Neuregelungen sollten z.B. bestimmte Standards für die im Gesetz vorgesehenen Berichte zur Gleichstellung und für die Prüfverfahren zur Entgeltregelung einfordern. Außerdem sollten sie mehr Verbindlichkeit herstellen sowie auch für kleinere Unternehmen gelten, die in der digitalen Wirtschaft häufig vorkommen.

Neues aus der Forschung – Drei Fragen an Nadja Bergmann, L&R Sozialforschung

Mag.a Nadja Bergmann forscht als Leiterin des Instituts L&R Sozialforschung in Wien unter anderem in den Feldern Arbeitsmarkt, Digitalisierung und Gender. Für das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht hat sie zusammen mit Dr. Irene Pimminger die Expertise „Gleichstellungsrelevante Aspekte der Digitalisierung der Arbeitswelt in Deutschland“ verfasst. In einem kurzen schriftlichen Interview berichtet sie uns unter anderem aus aktuellen Projekten rund um digitale Kompetenzen, Arbeitsbewertungen und partizipative Digitalisierungsansätze in Unternehmen.

Das Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht hat festgestellt: In Berufsfeldern, in denen viele Frauen arbeiten, sind digitalisierungsbezogene Kompetenzen oft wenig sichtbar und fließen kaum in Angaben zu Kompetenzanforderungen und in die Arbeitsbewertung ein. Können Sie aus Ihrer aktuellen Forschung hierfür Beispiele nennen und Ansatzmöglichkeiten, um zukünftig zu einer geschlechtergerechten Arbeitsbewertung zu gelangen?

In unserem Projekt „Versteckte technologische Arbeit“ gehen wir der Frage nach, welche (verborgenen) digitalen Kompetenzen Beschäftigte im stationären Einzelhandel und der mobilen Pflege bereits tagtäglich anwenden. So ist etwa die scheinbar banale Wurstwaage im Supermarkt ein kleiner Computer, der bedient werden muss, oder Hauswirtschaftshilfen zur Unterstützung Pflegebedürftiger verwenden verstärkt Smartphones zur Dokumentation und Planung ihrer Einsätze und Tätigkeiten.

Wir haben anhand von Interviews und Beobachtungen die technologischen Anwendungen entlang des sogenannten DigComp-Schemas (European Digital Competence Framework) eingeordnet und  bei einigen der angeführten Kompetenzfelder durchaus höherwertige Anforderungen festgestellt. Dies betrifft etwa einen kompetenten Umgang mit Informationen und Daten, die Nutzung digitaler Technologien zur Kommunikation und Zusammenarbeit, hohe Problemlösungskompetenzen und die Notwendigkeit des Weiterlernens. Zusätzlich zu diesen „klassischen“ digitalen Kompetenzen wurde auch ein breites Feld weiterer Kompetenzanforderungen sichtbar. Die Ergebnisse sind online nachzulesen.  

In frauendominierten Beschäftigungsfeldern werden diese digitalen Kompetenzen aber wenig sichtbar oder zu einem angeblichen „Allgemeinwissen“ herabgestuft. Unser Ziel ist es, diese Kompetenzen sichtbar zu machen, damit sie in Arbeitsbewertungsschemen einfließen können – ähnlich wie das bei vielen männerdominierten Beschäftigungsfeldern der Fall ist.

Sie forschen aktuell auch zu Möglichkeiten, die Beschäftigten in digitalisierungsbedingte Prozesse einzubeziehen, beispielsweise wenn in Betrieben neue Technologien eingeführt werden sollen. Können Sie beispielhaft beschreiben, wie eine beteiligungsorientierte, geschlechtergerechte Gestaltung des Transformationsprozesses auf der betrieblichen Ebene gelingt?

Im Rahmen des Projektes „Talk about IT“ hatten wir die Möglichkeit, mit drei großen österreichischen Unternehmen bzw. Institutionen gemeinsam der Frage nachzugehen, wie laufende Digitalisierungsprozesse partizipativ, gender- und diversitätsgerecht gestaltet werden können. Eine Schlussfolgerung ist, dass – können nicht alle Beschäftigten einbezogen werden – jene eingebunden werden, die bislang oft „übersehen“ werden bzw. am „unteren“ Ende der Datenkette stehen: beispielsweise administratives Personal, Teilzeitbeschäftigte, Hilfsarbeiter*innen. Diese Beschäftigtengruppen sind oft weiblich dominiert, arbeiten mit unterschiedlichen Programmen und Tools, die sie aber bei deren Einführung kaum vermittelt bekommen. Gerade bei diesen Gruppen überwiegt ein „Learning by Doing“ – was das Gefühl verstärkt, nicht mit ausreichenden digitalen Kompetenzen ausgestattet zu werden, von digitalen Änderungsprozessen wenig zu profitieren und auch nicht mitreden zu können.

Ein wesentliches Ergebnis war die „Ermächtigung“ dieser bislang wenig eingebundenen Gruppen, etwa durch spezifische Schulungsangebote oder die Etablierung von „Brückenbauer*innen“ zwischen der IT und den anderen Abteilungen. Online finden Sie nähere Informationen zum Projekt.

Zuletzt noch ein Blick über den Tellerrand: Sie leben und forschen in Österreich. Auf welche Weise werden dort Gleichstellungsfragen in Bezug auf die Digitalisierung der Arbeitswelt adressiert und bearbeitet?

Leider wird in Österreich (noch) kein so umfassender Ansatz wie in Deutschland mit dem Dritten Gleichstellungsbericht „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ und den daraus resultierenden hochkarätigen Diskussionen verfolgt.

In Österreich findet die Auseinandersetzung rund um Gleichstellungsfragen und Digitalisierung eher im Rahmen von spezifischen Programmen statt oder auf Initiative einzelner Institutionen.

Hier möchte ich zwei Beispiele hervorheben:

  • Das Programm „Laura Bassi 4.0“ der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft: Im Rahmen von bislang zwei Ausschreibungsrunden werden Projekte rund um das Thema „Digitalisierung chancengerecht gestalten!“ gefördert und
  • Der „Digitalisierungsfonds Arbeit 4.0“ der österreichischen Arbeiterkammern, in dessen Rahmen auch ein spezifischer Schwerpunkt auf Gleichstellung gelegt wird.

Vor diesem Hintergrund findet in Österreich ein Aufbau von Expertise über konkrete Projekte statt. Die Erkenntnisse wären sicher eine gute Grundlage für eine ähnliche, systematische Auseinandersetzung mit dem Thema wie in Deutschland, die aber (noch) aussteht.

 

Zur Expertise: Pimminger, Irene/Bergmann, Nadja (2020): Gleichstellungsrelevante Aspekte der Digitalisierung der Arbeitswelt in Deutschland. Expertise für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung, Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen:

Sehen:

  • Fernsehserie „Frau Jordan stellt gleich“, online abrufbar auf Joyn.de, Folge „Das I Team“

Hören:

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 31.8. wird die Bundeskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen unter dem Titel „Gleichstellung digital: Grenzen überschreiten – Horizonte öffnen“ stattfinden. Dr. Caroline Richter wird als Sachverständige das Gutachten vorstellen. Anmeldung noch möglich.
  • Um die Rolle von Betriebsrätinnen bei der geschlechtergerechten Gestaltung der Digitalisierung wird es bei der Betriebsrätinnentagung der IG Metall am 1.9. gehen. Die Sachverständige Prof. Dr. Katja Nebe wird dort zum Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht sprechen.
  • Ab dem 10. September, 10-13 Uhr: Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“  – genaueres siehe oben unter „Aktuelles“.

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 15.07.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

Nach dem Kabinettsbeschluss am 09. Juni wurde der Dritte Gleichstellungsbericht inzwischen auf der Webseite des Deutschen Bundestags als Drucksache veröffentlicht. Zu den weiteren Entwicklungen, einschließlich der Medienresonanz zur Stellungnahme der Bundesregierung, können Sie in der Rubrik „Aktuelles“ mehr erfahren. Unter Veranstaltungen möchten wir besonders auf den Auftakt einer Veranstaltungsreihe zu den Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts hinweisen. Bitte merken Sie sich den Termin schon heute vor: 10.09.2021, 10-13 Uhr.

Der thematische Schwerpunkt unseres Juli-Newsletters liegt auf Fragen rund um die geschlechtergerechte Entwicklung und Gestaltung digitaler Technologien. Unter der Rubrik „Einblick in das Gutachten“ wird vorgestellt, wie die sogenannte „Ich-Methode“ mit Diskriminierungsrisiken zusammenhängt und was die Sachverständigenkommission vorschlägt, um die Entwicklung diskriminierungssensiblerer Technologien zu fördern. Zudem können Sie im Gespräch zwischen den Sachverständigen Prof. Dr. Draude und Dr. Richter mehr zu den Potentialen der Technikgestaltung für die Pflege nachlesen.

Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles: Bundestagsdrucksache „Dritter Gleichstellungsbericht“ online | Medienresonanz nach Beschluss des Kabinetts | Veröffentlichung der ersten beiden Themenblätter

Einblick in das Gutachten: Technik geschlechtergerecht gestalten | Gespräch zwischen Prof. Dr. Claude Draude und Dr. Caroline Richter über die Potentiale geschlechtergerechter Technikgestaltung für die Pflege | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen | Weitere Tipps und Informationen

Aktuelles

Bundestagsdrucksache „Dritter Gleichstellungsbericht“ erschienen

Der Dritte Gleichstellungsbericht wurde nach dem Kabinettsbeschluss dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet. Nun wurde die Bundestagsdrucksache online veröffentlicht und steht auf dem Server des Bundestags zum Download zur Verfügung.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat zudem eine Seite für den Dritten Gleichstellungsbericht eingerichtet. Hier sind ausgewählte Aspekte zur geschlechtergerechten Gestaltung der Digitalisierung aufbereitet.

Medienresonanz nach Beschluss des Kabinetts

Der Beschluss des Dritten Gleichstellungsberichts durch das Kabinett sorgte in den Medien für Aufmerksamkeit. „Frauen am digitalen Wandel noch nicht angemessen beteiligt“ titelten gleich mehrere Zeitungen. So z. B. die Zeit, die in einem Artikel insbesondere auf die Aspekte des Zugangs und Verbleibs von Frauen in der Digitalbranche und Risiken der Diskriminierung durch Algorithmen einging. Auch die gleichstellungsfördernde Gestaltung von Homeoffice und die Bekämpfung digitaler Gewalt wurden von der Presse thematisiert, siehe z. B. Rheinische Post. ZDF heute widmete dem Thema neben einem Nachrichtenbeitrag gleich eine ganze Sendung. In der tagesschau und dem ARD-Morgenmagazin wurden Ausschnitte der Pressekonferenz gezeigt und die Vorschläge des Gutachtens zur Regulierung von Homeoffice, Gründungsförderung oder der Problematisierung der Arbeitskultur der Digitalbranche aufgegriffen.

Die gesamte Sammlung der Medienresonanz ist auf unserer Homepage einsehbar. Sollten Sie die Pressekonferenz verpasst haben, können Sie diese in der phoenix-Mediathek nachschauen.

Veröffentlichung der ersten beiden Themenblätter

Mit den Themenblättern startet die Geschäftsstelle eine neue Veröffentlichungsreihe zum Gutachten. Die Themenblätter stellen ausgewählte Aspekte aus dem Gutachten auf wenigen Seiten prägnant vor. Ziel ist es, Zusammenhänge von Gleichstellung und Digitalisierung für gleichstellungs- und digitalisierungsaffine Akteur*innen zu vermitteln, aber auch Interesse in der Öffentlichkeit insgesamt zu wecken. Die Themenblätter können auf der Homepage der Geschäftsstelle heruntergeladen werden.

Das erste Themenblatt „Digitalisierung und Gleichstellung – was hat das miteinander zu tun?“ zeigt an konkreten Beispielen auf, wie Gleichstellung und Digitalisierung zusammenhängen und erläutert gleichstellungsrelevante Konzepte und Zielsetzungen im Kontext dieses gesellschaftlichen Transformationsprozesses. Das zweite Themenblatt stellt passend zur Ausgabe des Juli-Newsletters das Thema „Geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Technikgestaltung“ vor. Wer gern mehr darüber erfahren möchte, wieso Technik Diskriminierung oft weiterführt oder sogar verstärkt und wie diskriminierungsfreie Technikgestaltung in der Praxis aussehen könnte, wird hier fündig.

Einblick in das Gutachten

Technik geschlechtergerecht gestalten

Technikgestaltung für eine geschlechtergerechte Digitalisierung

Bereits bei der Entwicklung digitaler Technik müssen vielfältige Perspektiven einbezogen und strukturelle Ungleichheiten bzw. Benachteiligungen reflektiert werden, um den unterschiedlichen Lebensrealitäten aller Menschen gerecht zu werden und Technik diskriminierungsfrei zu gestalten. Im Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht wird anhand von Beispielen beschrieben, wie Technik diskriminiert, wenn es daran fehlt.

Beispielsweise erkennen biometrische Zugangssysteme Schwarze Menschen schlechter als weiße Menschen, wenn das System vor allem mit Daten weißer Männer trainiert wird.  Ein anderes Beispiel sind im generischen Maskulinum formulierte Stellenanzeigen für „LKW-Fahrer“, die auf einer sozialen Plattform vorrangig Männern angezeigt werden, Anzeigen für „Erzieher“ werden vorrangig Frauen gezeigt. Hier werden bereits in der analogen Welt bekannte Geschlechterstereotype vernachlässigt und so verstärkt.

Um die Einschreibung von Diskriminierungen in Technologien zu verhindern, muss u. a. die Datenauswahl diskriminierungssensibel vorgenommen werden: Sind potentielle Nutzer*innen oder betroffene Personen im Datenset kaum repräsentiert, ist es wahrscheinlich, dass die Technologie für diese Personen schlecht oder nicht funktionieren wird. Bei der Entwicklung und Erprobung von Technik dient zudem oft die eigene Erfahrungswelt von Entwickler*innen als Basis. Aufgrund der bisher meist sehr homogenen Teams in der Digitalbranche führt diese sogenannte Ich-Methode häufig dazu, dass bestehende Stereotype und strukturelle Diskriminierung fortgeführt werden, wenn fehlende Perspektiven nicht aktiv ergänzt und gesellschaftliche Ungleichheiten reflektiert werden.

Bislang fehlt in vielen verbreiteten Softwareentwicklungsmethoden ein spezielles Augenmerk für die Diskriminierungsrisiken der Technikgestaltung. Eine konkrete Methode für eine geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Softwareentwicklung und (Informatik‑)Forschung ist demgegenüber das „Gender Extended Research and Development Model“ (GERD). GERD bezieht die Perspektiven und Bedarfe unterschiedlicher Gruppen von Nutzer*innen schon in der Entwicklung eines digitalen Produkts ein. Zudem werden die gesellschaftlichen Folgen der Einführung digitaler Produkte im Hinblick auf Gleichstellung und Nichtdiskriminierung berücksichtigt. Anhand eines Fragenkataloges werden im Entwicklungsprozess die Relevanz und der Nutzen eines Produkts reflektiert, das Wissen, die Werte und das Menschenbild, auf welchen die Technologie basiert, hinterfragt und Machthierarchien, Sprache und Arbeitskultur rund um die Entwicklung und spätere Nutzung kritisch ins Auge gefasst. Im Themenblatt „Geschlechtergerechte und diskriminierungsfreie Technikgestaltung“ wird das GERD-Modell anhand von konkreten Beispielen vertieft erläutert.

Potentiale geschlechtergerechter Technikgestaltung für die Pflege

Prof. Dr. Claude Draude ist Professorin am Fachbereich Elektrotechnik/Informatik der Universität Kassel, Leiterin des Fachgebiets Gender/Diversity in Informatiksystemen (GeDIS) und Direktorin am Wissenschaftlichen Zentrum für Informationstechnikgestaltung (ITeG).

Dr. Caroline Richter arbeitet als Soziologin in der Forschungsabteilung Bildung, Entwicklung, Soziale Teilhabe (BEST) am Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen. Im folgenden Gespräch brachten die beiden Sachverständigen ihr Wissen über partizipative Gestaltungsansätze und diskriminierungssensible Modelle in der Informatik einerseits und über Geschlechterverhältnisse und Genderaspekte der Digitalisierung von (informeller) Pflege andererseits, zusammen.

Technik, die für unterschiedliche Personen in unterschiedlichsten Kontexten funktionieren soll, und demokratische Werte wie Diskriminierungsfreiheit und Geschlechtergerechtigkeit befördert, muss entsprechend gestaltet werden. Im Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht werden hierzu entsprechende IT-Gestaltungsverfahren empfohlen.

 Wie müsste so etwas denn genau aussehen und wird es real gemacht?

Richter: Ein wichtiger Anfang ist, Technologien IMMER als assistive Technologien zu verstehen und in diesem Sinne zu gestalten bzw. zugänglich zu machen. Der Mensch steht im Mittelpunkt von IT, das betont auch der soziotechnische Ansatz in besonderer Weise. IT soll Menschen unterstützen, immer, egal ob mit dem Smartphone, dem Mathe-Algorithmus oder der Hebe-Robotik. Ein für dieses Verständnis gutes Beispiel ist IT in der Pflege. Die Einbeziehung von pflegebedürftigen und von pflegenden Menschen in die Entwicklung digitaler, assistiver Technologien ist derzeit eher Ausnahme denn Regel, soweit ich es überblicke. Es gibt zwar eine Vielzahl an akademischen Forschungsprojekten, die „vor Ort“ in Pflegeeinrichtungen mit den genannten Nutzer*innengruppen konkrete Techniken und Prototypen entwickeln und erproben. Aber ihre Ergebnisse versiegen nach der Entwicklungs- und Evaluationsphase in den Katakomben von Hochschulen. Das ist nicht zuletzt so, weil produzierende und vertreibende Profit-Unternehmen ein zu geringes Marktpotenzial annehmen. Schnell gestrickte staatliche Förderungen und kurzfristige Start Up-Programme mit Profitabilitätsdruck sind für diese Art der Technikentwicklung nicht geeignet. Sie sichern keinerlei Nachhaltigkeit. Die ist in diesem Segment aber unerlässlich. Wenn Hilfsmittel für Nutzer*innen nicht schnell und unbürokratisch verfügbar gemacht werden, sind sie nutzlos.

Draude: Die IT-Gestaltungsverfahren, die im Gutachten empfohlen werden, schärfen das Bewusstsein darüber, dass mit IT stets soziotechnische Systeme gestaltet werden. Das bedeutet für dein Beispiel, dass Expertise aus dem Anwendungsfeld Pflege genauso ernst genommen werden muss wie technische Expertise. Zudem sollten in jeder Phase des Entwicklungsprozesses Reflexionsebenen einbezogen werden, die Diskriminierungsrisiken minimieren. Das heißt hier, Menschenbilder zu hinterfragen, die beispielsweise hinter der Idee eines Pflegeroboters oder der distanzierten Fernüberwachung Pflegebedürftiger stehen. Es heißt auch, für lebensnahe Tests von Konzepten und Prototypen Beteiligte und Kontexte so divers wie nur möglich auszuwählen. Und es bedeutet zu schauen, welche Hierarchien und Machtgefüge in Pflegeeinrichtungen bestehen und was dies für assistive Technologien bedeutet.

Beteiligte und Betroffene müssten, wie du sagst, idealerweise durchgängig in Entwicklungsprozesse einbezogen werden. Entsprechende partizipative Design-Ansätze haben in der Informatik eine lange, wenn auch marginalisierte Tradition.

Richter: Partizipative Entwicklungsmethoden konsequent zu nutzen, ist anscheinend nur nicht etablierte Praxis. Mitte 2018 konstatierte der Fachinformatiker und Gesundheits- und Pflegewissenschaftler Christian Buthz, dass ihm keine Firmen bekannt seien, die partizipativ assistive Technologien entwickelten. Mir ist bis heute ebenfalls keine bekannt.

Woran könnte das liegen und was müsste sich ändern?

Richter: Mein vorsichtiger Eindruck ist, dass eine Hürde in der Praxis ist, dass die Bedarfe und Prioritäten von pflegenden Angehörigen möglicherweise andere sind als die von professionell Pflegenden, von den Bedarfen der Pflegebedürftigen mal noch gar nicht zu sprechen. Mir scheint, der Sprung von den Ansätzen und Vorschlägen in der Wissenschaft, wo die Notwendigkeit partizipativer Ansätze oft viel selbstverständlicher gesehen wird, zur Praxis in den Unternehmen wird oft nicht gemacht.

Aber die Stellschrauben sind klar: Erstens muss eine Datenbank her, damit z. B. Tübingen merkt, wenn Hannover am gleichen Gegenstand arbeitet. Als Grundlage könnte die Datenbank REHADAT dienen, die schon viel abbildet. Was mir vorschwebt, müsste aber beim Forschungsministerium BMBF angesiedelt sein, um für Wissenschaft einschlägig, inhaltlich vollständig und in Sachen laufende Forschungsförderung für IT-Projekte immer aktuell sein zu können. Zweitens müssen etablierte Unternehmen an ihre gesellschaftliche Verantwortung erinnert werden. Die erschöpft sich nicht nur im Generieren von Profit, sondern auch in Investitionen für Produkte, die eine weniger solvente Klientel- und Institutionenlandschaft braucht.

Diese Forderung teile ich mit vielen Kolleg*innen aus der Behinderungs- und Assistenztechnologieforschung.

Draude: Ein ganz grundlegendes Problem ist es auch, dass die vorher schon erwähnte soziotechnische Perspektive bislang noch nicht flächendeckend verankert ist und politisch zu wenig gefördert wird. Eine strikte Trennung von Sozialem und Technischen verhindert, beides als gleichwertig wahrzunehmen und Anwendungswissen und kritische Reflexion in technischen Entwicklungsprozessen entsprechend zu berücksichtigen.

In der Softwareentwicklung braucht es zudem griffige Gestaltungsverfahren, die z.B. an Prozessmodellen anknüpfen, mit denen Entwickelnde arbeiten. Das bedeutet, dass bekannte Phasenmodelle, die iterativ Anforderungsanalyse, Modellbildung, Tests von Prototypen und Wireframes, Releases lauffähiger Programmpakete und deren Evaluation und Deployment durchlaufen, zusätzlich Gender- und Diversity-Aspekte integrieren sollten. Die Überprüfung auf diese Aspekte hin sollte dabei auch nicht nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn es bei der Entwicklung explizit um eine als vulnerabel wahrgenommene oder marginalisierte Gruppe geht, denn implizit spielen Gender- und Diversity-Aspekte immer eine Rolle. Derartige Modelle müssen Mainstream werden.

Im Gutachten schlägt die Sachverständigenkommission das sogenannte „Gender- Extended-Research-and-Development-Modell“ (GERD-Modell) vor. Was sind die Besonderheiten dieses Entwicklungsmodells und wie könnten Firmen dies adaptieren?

Draude: Die Besonderheit des Modells ist, dass es Wissen aus der Geschlechter- und Diversitäts-Forschung mit einem idealtypischen Vorgehen in der IT-Forschung und -Entwicklung verknüpft. In Anlehnung an bestehende Vorgehensmodelle benennt GERD sieben Phasen von Forschung und Entwicklung, die im Uhrzeigersinn und z. T. wiederholt durchlaufen werden: die Anstöße für ein Projekt, die Vorhabensdefinition, die Analyse, die Modell-/Konzeptbildung, die Realisierung, die Evaluation sowie die Verbreitung des Produkts bzw. der Ergebnisse. Jede Phase wird exemplarisch durch bestimmte Aktivitäten charakterisiert. Gerahmt werden die Phasen durch sogenannte Reflexionsaspekte. Diese Reflexionsaspekte regen zu einer erweiterten Betrachtung von Forschungsfragen und Entwicklungsentscheidungen an.

Ich gebe mal ein Beispiel: Die Entwicklung von Assistenzsystemen in „Smart Homes“ spielt auch in der Pflege eine Rolle. Wie du sagst, ist in der Forschung inzwischen klar, dass pflegende Angehörige und ihre Bedarfe in der Entwicklung der Smart-Home-Systeme bislang kaum Aufmerksamkeit erfahren haben.

Richter: Informelle Pflegearbeit wird, ähnlich wie andere reproduktive Tätigkeiten, zumeist unbezahlt und von Frauen geleistet. Pflegearbeit muss mit der eigenen Erwerbsarbeit und dem persönlichen Alltag koordiniert werden. Diese unbezahlt tätigen Pflegenden haben in den meisten Fällen keine Ausbildung für diese Tätigkeit und sind weder erfahren mit Assistenztechnologien noch routiniert mit der Beantragung von Hilfsmitteln.

Draude: Ja, hier wird ein Gestaltungsbereich mit vielseitigen neuen Anforderungen sichtbar. Diese Anforderungen gehen weit über die unmittelbaren Bedarfe der zu pflegenden Menschen selbst hinaus.

Mit dem GERD-Modell wird dies bereits in einer frühen Entwicklungsphase einer Smart-Home-Applikation klar, nämlich während der Vorhabensdefinition. In dieser Phase hilft das GERD-Modell genauer zu reflektieren, welche Personen die Entwickler*innen mit der Zielgruppe der Smart-Home-Applikation im Blick haben. Sie fragen sich, wie sich Zieldefinitionen und Zielgruppe verknüpfen. Dabei prüfen sie explizit, ob es Personengruppen und somit Bedarfe gibt, die unsichtbar bleiben. Zudem wird gefragt, welches Wissen bei der Produktentwicklung zum Einsatz kommt – ist es Alltagswissen, Wissen der Zielgruppe oder wissenschaftlich abgesichertes. Die Entwickler*innen würden auch fragen, aus welchen anderen Disziplinen sie Expert*innen heranziehen könnten usw.

Richter: Hier könnte eine Datenbank für Forschungsprojekte in diesem Bereich, wie ich sie vorhin vorgeschlagen habe, auch helfen.

Es wäre schon viel gewonnen, wenn nur ein Bruchteil der Fragen, die im GERD-Modell zur Reflexion vorgesehen sind, die Entwicklung assistiver Technologien begleiten. Es ist sicher noch ein steiniger Weg, das Nachdenken und Diskutieren über Dimensionen wie Menschenbild, Sprache, Werte, Machtverhältnisse, Nutzen, Relevanz oder Wissen als Teil einer Produktentwicklung zu etablieren.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören):

Lesen:

Sehen:

  • BR-Projekt zu KI in der Personalauswahl: Harlan, Elisa und Schnuck, Oliver: Fairness oder Vorurteil?, Bayerischer Rundfunk, Februar 2020.

Hören:

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

  • Am 25. Mai diskutierten Elisa Lindinger (Mit-Autorin der Expertise „AI Powered Recruiting?“), Angela Tschech (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg), Dr. Andreas Sesing (Projekt Exam AI der Gesellschaft für Informatik) und Dr. Andrea Knaut aus der Geschäftsstelle über Diskriminierung durch KI auf einem GI-Webtalk. Der Talk wurde aufgezeichnet.
  • Am 26. Mai luden die Landesministerien für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung sowie für Justiz und Gleichstellung zur Online-Konferenz „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten – Herausforderung jetzt annehmen“ ein: Die Sachverständigen Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok und Prof. Dr. Katja Nebe sowie Dr. Andrea Knaut aus der Geschäftsstelle trugen Themen aus dem Gutachten vor und stießen Diskussionen an. Eine Dokumentation der Veranstaltung gibt es auf unserer Homepage.
  • Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok hielt auf der 31. Konferenz der Frauen- und Gleichstellungsministerinnen (GFMK) am 23./24. Juni 2021 einen Vortrag zu den Inhalten des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht. Die GFMK thematisierte diese Aspekte auch im weiteren Verlauf der Konferenz. Sie fordert die Bundesregierung insbesondere auf, die Arbeitsbedingungen in der digitalen Plattformökonomie zu verbessern und verweist dabei u.a. explizit auf die Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission. (Beschluss zu Top 6.3). Weiterhin fordert die GFMK die Bundesregierung mit Blick auf die Geschlechterdimensionen von Computer- und Videospielen, die im Medienalltag immer bedeutender werden, auf Frauen in der Computer- und Videospielbranche und der Gaming-Community stärken (Beschluss zu Top 8.1.). Zudem wurde eine temporäre „Arbeitsgruppe Digitalisierung“ ins Leben gerufen. Die Arbeitsgruppe soll Digitalisierungsprozesse in der Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft, einschließlich gesetzlicher Initiativen unter gleichstellungspolitischen Gesichtspunkten sowie die Umsetzung der im Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung geforderten Maßnahmen bewerten und begleiten und anlassbezogene Beschlussvorlagen für die GFMK erarbeiten. (Beschluss zu Top 8.2.).
  • Am 04. und am 26. August stellen Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Prof. Dr. Miriam Beblo und Dr. Caroline Richter auf einer Fachveranstaltung des Deutschen Vereins verschiedene Aspekte des Gutachtens zum Dritten Gleichstellungsbericht vor.
  • Am 29. August startet die 26. Bundeskonferenz der Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen. Dr. Caroline Richter wird hier zum Gutachten zum Dritten Gleichstellungsbericht sprechen. Anmeldung und Programm auf der Seite der BAG.
  • Save the date: 10.09.2021, 10 bis 13 Uhr, online: Auftaktveranstaltung zur Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“.
    Die Veranstaltungsreihe dient dem Erfahrungs- und Wissensaustausch von Akteur*innen und Organisationen an der Schnittstelle von Digitalisierung und Gleichstellung, um die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts weiterzuentwickeln und der Umsetzung näherzubringen. Nach der Auftaktveranstaltung werden fünf thematische Round Tables bis Februar 2022 folgen. Die Reihe ist eine Kooperation zwischen EAF Berlin, Harriet Taylor Mill Institut der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin und Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht. Genauere Informationen finden Sie in der nächsten Ausgabe des Newsletters.

Weitere Tipps und Informationen

Im Anschluss an den Zweiten Gleichstellungsbericht, der sich intensiv mit der gleichstellungsorientierten Gestaltung mit Erwerbs- und Sorgearbeit auseinandersetzte, wurde das Thema von 2018 bis 2020 am Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS e.V.) mit dem durch das BMFSFJ beauftragten Projekt Gender Care Gap weiterverfolgt. Unsere Kollegin Katrin Lange sprach im Podcast „Katzentisch“ über die Projektergebnisse.

 

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.

Postfach 50 01 51,
D-60391 Frankfurt a. M.

Website: dritter-gleichstellungsbericht.de

Twitter: @gleichgerecht

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Medienresonanz zum Beschluss über den Dritten Gleichstellungsbericht

Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung im Kabinett beschlossen

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

Heute ist der Dritte Gleichstellungsbericht im Bundeskabinett beschlossen worden. Alle Informationen rund um diesen Meilenstein erhalten Sie in dieser Sonderausgabe unseres Newsletters.

Das Bundeskabinett hat heute Vormittag den Dritten Gleichstellungsbericht beschlossen

In ihrer Kabinettssitzung heute Vormittag hat die Bundesregierung den Dritten Gleichstellungsbericht beschlossen. Der Dritte Gleichstellungsbericht besteht aus der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten der Sachverständigenkommission sowie dem Gutachten selbst, das unter dem Titel „Digitaliserung geschlechtergerecht gestalten“ bereits im Januar veröffentlicht worden war. Dem Berichtsauftrag entsprechend enthält die Stellungnahme auch eine Bilanzierung des Zweiten Gleichstellungsberichts in Form einer Analyse der Rezeption des Zweiten Gleichstellungsberichts in Politik, Medien, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Der Dritte Gleichstellungsbericht wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet und dort besprochen und als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden.

Pressekonferenz mit Bundesgleichstellungsministerin Christine Lambrecht und Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok

Pressekonferenz mit Bundesgleichstellungsministerin Christine Lambrecht und Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok; Foto:phoenix

Bundesgleichstellungsministerin Christine Lambrecht hob in der nach dem Beschluss des Kabinetts abgehaltenen Pressekonferenz noch einmal hervor, wie wichtig die gleichstellungsorientierte Gestaltung der Digitalisierung ist: „Unser Ziel ist es, alle Menschen beim digitalen Wandel mitzunehmen. Mehr noch, wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern mit der Digitalisierung weiter voranbringen.“ Die Ministerin begrüßte das breit aufgestellte Gutachten. Mit seinen 101 Empfehlungen biete das Gutachten eine gute Grundlage für die weitere Politikgestaltung im Handlungsfeld der Digitalisierung. Die Ministerin weist darauf hin, dass die Erkenntnisse des Dritten Gleichstellungsberichts nicht nur das BMFSFJ betreffen. Sie sollten entsprechend § 2 GGO von allen Ressorts aufgegriffen und auf die politische Agenda gesetzt werden.

Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok stellte in der Pressekonferenz einen Überblick über die Inhalte des Gutachtens vor. Als eine Kernbotschaft formulierte sie die Notwendigkeit einer soziotechnischen Perspektive:Wir als Sachverständigenkommission sprechen uns für eine soziotechnische Perspektive auf Digitalisierung aus. Dies bedeutet, dass wir Digitalisierung nicht als ‚neutralen‘, rein technischen Prozess verstehen. Vielmehr muss der Einsatz digitaler Technologien in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext betrachtet, beurteilt und aktiv gestaltet werden.“

In diesem Sinne hat die Sachverständigenkommission drei Voraussetzungen für eine geschlechtergerechte Digitalisierung formuliert:

  1. Einen geschlechtergerechten Zugang zu relevanten Ressourcen.
  2. Die geschlechtergerechte Nutzung digitaler Technologie; diese könnte beispielsweise durch strukturelle Benachteiligung, Geschlechterstereotype oder geschlechtsbezogene Gewalt behindert werden.
  3. Eine geschlechtergerechte Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses; Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch Technikentwicklung und -gestaltung sind hier angesprochen.

Die Sachverständigenkommission hat ihr Gutachten anhand der folgenden Bereiche der Digitalisierung strukturiert: die Digitalbranche, die digitale Wirtschaft, die digitalisierte Wirtschaft und die Digitalisierung der Gesellschaft. Zudem wurden gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente betrachtet. Diese Bereiche analysierte die Sachverständigenkommission mit Blick auf die Verwirklichungschancen von Frauen und Männern und formulierte darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung in Bund, Ländern, Kommunen, aber auch an Unternehmensleitungen und Betriebsrät*innen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen sowie die Zivilgesellschaft.

Die Stellungnahme der Bundesregierung

Die Stellungnahme als Bestandteil des Gleichstellungsbericht

Teil jedes Gleichstellungsberichts ist die Stellungnahme der Bundesregierung zum Sachverständigengutachten. Die Stellungnahme wird im Verfahren der Ressortabstimmung unter Federführung des BMFSFJ erstellt.

Erweiterung des Berichtsauftrags auf die Digitalisierung der Gesellschaft wird begrüßt

Der Berichtsauftrag an die Sachverständigenkommission stand unter der Leitfrage „Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“. Die Bundesregierung begrüßt in ihrer Stellungnahme, dass die Sachverständigenkommission sich nicht nur auf die digitale Wirtschaft im engen Sinne beschränkt hat, sondern den Blick auf die digitale Transformation der Gesellschaft geweitet hat.

Die Stellungnahme konzentriert sich auf jene Handlungsempfehlungen des Gutachtens, die an für die Digitalisierung zentrale Arbeitsstränge der Bundesregierung anschließen. Dazu gehören insbesondere die Vorarbeiten aus dem Zweiten Gleichstellungsbericht beispielsweise zur gleichstellungsorientierten Gestaltung der digitalen Arbeit, die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages für die 19. Legislaturperiode im Hinblick auf digitalisierungsrelevante Vorhaben, die ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie, die bereits Leitmaßnahmen für die digitale Lebens- und Arbeitswelt benennt, sowie die Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“, die Gleichstellung als Querschnittsprinzip formuliert. Zudem berücksichtigt die Bundesregierung in ihrer Schwerpunktsetzung für die Stellungnahme Initiativen und Berichte der Europäischen Union. Vor diesem Hintergrund thematisiert die Stellungnahme folgende Themen und dazugehörige ausgewählte Handlungsempfehlungen:

  1. Mehr Teilhabe von Frauen in der Digitalbranche
  2. Berufliche Selbstständigkeit in der Digitalbranche
  3. Plattformökonomie
  4. Digitalisierter Arbeitsmarkt
  5. Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit in der digitalen Transformation der Arbeitswelt
  6. Soziale Medien
  7. Geschlechtsbezogene digitale Gewalt
  8. Stärkung gleichstellungspolitischer Strukturen

Zudem nimmt die Stellungnahme auf die im Gutachten formulierten Forschungs- und Erkenntnisbedarfe sowie die Anforderungen an digitale Kompetenzen Bezug.

Viele Themen werden bereits angegangen, gleichzeitig besteht Handlungsbedarf

Die Stellungnahme macht deutlich, dass die Bundesregierung bereits in vielen der im Gutachten thematisierten Bereichen tätig geworden ist. Gleichzeitig besteht weiterer Handlungsbedarf. So unterstützt die Bundesregierung z. B. das Anliegen der Sachverständigenkommission die Teilhabe von Frauen in der Digitalbranche weiter zu stärken. Dafür soll schon bei der frühkindlichen Bildung angesetzt werden, um Stereotype abzubauen bzw. diesen vorzubeugen.

Die Bundesregierung begrüßt zudem die differenzierte Analyse der Sachverständigenkommission zum Zusammenhang zwischen orts- und zeitflexiblen Arbeitsformen und den Möglichkeiten der Vereinbarkeit von Erwerbs-und Sorgearbeit. Sie nimmt den Hinweis der Sachverständigenkommission ernst, dass Mobiles Arbeiten im Hinblick auf Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit auch Risiken aufweisen kann.

Starke gleichstellungspolitische Strukturen als Grundlage

Die Sachverständigenkommission beschreibt die gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumente als Nährboden für eine geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung. Die Bundesregierung schließt sich diesem Bild in der Stellungnahme an. Die Bundesregierung teilt das Anliegen, Gremien paritätisch zu besetzen, unterstreicht die Bedeutung der Berücksichtigung von Genderaspekten bei Budgetentscheidungen, und betont, dass an die erste ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie angeknüpft werden muss und die zu gründende Bundesstiftung Gleichstellung angemessen ausgestattet werden muss.

Bilanzierung des Zweiten Gleichstellungsberichts

Rezeption des Zweiten Gleichstellungsberichts

Die Stellungnahme enthält auch eine Rezeptionsanalyse, die betrachtet, wie der Zweite Gleichstellungsbericht aufgegriffen worden ist. Sie zeichnet nach, welche Impulse von dem Bericht für den gleichstellungspolitischen Diskurs und die demokratische Willensbildung ausgegangen sind.

Widerhall in Politik, Medien, Verbänden, Wissenschaft und Zivilgesellschaft sehr positiv

Der Zweite Gleichstellungsbericht und insbesondere das Sachverständigengutachten wurde von der Politik, Verbänden und der Zivilgesellschaft sowie in Medien und Wissenschaft sehr positiv aufgenommen. Der Gleichstellungsbericht wird als wichtiges Instrument der Gleichstellungspolitik wahrgenommen. Er wird als Quelle genutzt, um einen Überblick über die Situation der Geschlechtergleichheit in Deutschland in unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären zu schaffen.

Thematisch besonders stark angeknüpft wurde an den im Zweiten Gleichstellungsbericht eingeführten Indikator für Ungleichheit in der Verteilung von Sorgearbeit, den Gender Care Gap. Er ist bis heute in der Presse präsent, auch die Corona-Krise war Anlass, diesbezüglich auf den Zweiten Gleichstellungsbericht zurückzugreifen. Neben der Verteilung unbezahlter Sorgearbeit wurden zudem die Analysen des Zweiten Gleichstellungsberichts zum Thema SAHGE-Berufe (insbesondere der Pflegebereich) und Fragen ihrer Aufwertung häufig aufgegriffen. Verbände, Medien und Wissenschaft bezogen sich häufig positiv auf das im Zweiten Gleichstellungsbericht geprägte Erwerb-und-Sorge-Modell.

Zahlreiche Verbände äußerten umfassende Zustimmung zu zahlreichen Handlungsempfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts. Der Zweite Gleichstellungsbericht wurde häufig als Bestärkung der Positionen des jeweiligen Verbands empfunden. Teilweise unterstrichen Verbände mit expliziten Beschlüssen noch einmal ihre Zustimmung zu Handlungsempfehlungen aus dem Zweiten Gleichstellungsbericht und verlangten ihre Umsetzung.

Empfehlungen werden Politik

Auf Länderebene wurden eine Vielzahl von Handlungsempfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts von der Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen und -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder (GFMK) aufgegriffen. Die GFMK nahm beispielweise auf die Empfehlungen zur Verbesserung der Arbeitsmarkt- und Einkommenssituation von Frauen, die die Aufwertung erwerbsförmiger Sorgearbeit die gleichstellungsorientierte Gestaltung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und privater Sorgearbeit sowie die Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit in den Alterssicherungssystemen Bezug.

Auf Bundesebene wurden im Koalitionsvertrag zahlreiche Maßnahmen vereinbart, deren gleichstellungspolitische Relevanz aus dem Zweiten Gleichstellungsbericht hergeleitet wurde. Die Erkenntnisse und Handlungsempfehlungen des Zweiten Gleichstellungsberichts sind auch Grundlage der ersten Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung. Weiterhin wurde die Empfehlung umgesetzt, eine Transfer-Einrichtung zu schaffen: Aktuell wird die Bundesstiftung Gleichstellung aufgebaut.

 

Wie nun der Dritte Gleichstellungsbericht aufgenommen werden wird, und welche Impulse er setzen kann, wird sich zeigen. Sie können sich zu den weiteren Entwicklungen weiterhin auf unserer Homepage informieren und uns auf Twitter folgen. Die nächste Ausgabe unseres Newsletters im üblichen monatlichen Rhythmus erhalten Sie dann Ende Juni.

 

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung

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Dritter Gleichstellungsbericht von Bundesregierung beschlossen

In seiner Kabinettssitzung am 09.06.2021 hat die Bundesregierung den Dritten Gleichstellungsbericht beschlossen. Der Dritte Gleichstellungsbericht besteht aus der Stellungnahme der Bundesregierung zum Gutachten der Sachverständigenkommission sowie dem Gutachten selbst, das unter dem Titel „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ bereits im Januar veröffentlicht worden war. Dem Berichtsauftrag entsprechend enthält die Stellungnahme auch eine Bilanzierung des Zweiten Gleichstellungsberichts in Form einer Analyse der Rezeption des Zweiten Gleichstellungsberichts in Politik, Medien, Wissenschaft und der Zivilgesellschaft. Der Dritte Gleichstellungsbericht wird nun dem Bundestag und dem Bundesrat zugeleitet und dort besprochen und als Bundestagsdrucksache veröffentlicht werden.

Pressekonferenz mit Bundesgleichstellungsministerin Christine Lambrecht und Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok; Foto:phoenix

Bundesgleichstellungsministerin Christine Lambrecht hob in der nach dem Beschluss des Kabinetts abgehaltenen Pressekonferenz noch einmal hervor, wie wichtig die gleichstellungsorientierte Gestaltung der Digitalisierung ist: „Unser Ziel ist es, alle Menschen beim digitalen Wandel mitzunehmen. Mehr noch, wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern mit der Digitalisierung weiter voranbringen.“ Die Ministerin begrüßte das breit aufgestellte Gutachten. Mit seinen 101 Empfehlungen biete das Gutachten eine gute Grundlage für die weitere Politikgestaltung im Handlungsfeld der Digitalisierung. Die Ministerin weist darauf hin, dass die Erkenntnisse des Dritten Gleichstellungsberichts nicht nur das BMFSFJ betreffen. Sie sollten entsprechend § 2 GGO von allen Ressorts aufgegriffen und auf die politische Agenda gesetzt werden.

Die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok stellte in der Pressekonferenz einen Überblick über die Inhalte des Gutachtens vor. Als eine Kernbotschaft formuliert sie die Notwendigkeit einer soziotechnischen Perspektive:Wir als Sachverständigenkommission sprechen uns für eine soziotechnische Perspektive auf Digitalisierung aus. Dies bedeutet, dass wir Digitalisierung nicht als ‚neutralen‘, rein technischen Prozess verstehen. Vielmehr muss der Einsatz digitaler Technologien in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext betrachtet, beurteilt und aktiv gestaltet werden.“

In diesem Sinne hat die Sachverständigenkommission drei Voraussetzungen für eine geschlechtergerechte Digitalisierung formuliert:

  1. Einen geschlechtergerechten Zugang zu relevanten Ressourcen
  2. Die geschlechtergerechte Nutzung digitaler Technologie; diese könnte beispielsweise durch strukturelle Benachteiligung, Geschlechterstereotype oder geschlechtsbezogene Gewalt behindert werden.
  3. Eine geschlechtergerechte Gestaltung des digitalen Transformationsprozesses; Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch Technikentwicklung und -gestaltung sind hier angesprochen.

Die Sachverständigenkommission hat ihr Gutachten anhand der folgenden Bereiche der Digitalisierung strukturiert: die Digitalbranche, die digitale Wirtschaft, die digitalisierte Wirtschaft und die Digitalisierung der Gesellschaft. Zudem wurden gleichstellungspolitische Strukturen und Instrumente betrachtet. Diese Bereiche analysierte die Sachverständigenkommission mit Blick auf die Verwirklichungschancen von Frauen und Männern und formulierte darauf aufbauend Handlungsempfehlungen für Politik und Verwaltung in Bund, Ländern, Kommunen, aber auch an Unternehmensleitungen und Betriebsrät*innen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen sowie die Zivilgesellschaft.

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 27.05.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir möchten Ihnen heute Neuigkeiten rund um den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung senden.

Dafür hat unser E-Mail-Newsletter einen kleinen Relaunch erfahren. Er enthält einige neue Formate: Sie erhalten in jedem Newsletter einen kurzen vertieften Einblick in ein Thema des Gutachtens. Dazu nutzen wir Kurzinterviews mit Sachverständigen, kurze Beiträge aus der Geschäftsstelle oder andere kurzweilige Formate. In diesem Newsletter geht es um die „Digitalisierung als Gelegenheitsfenster“. Sie erwartet zudem Aktuelles rund um den Dritten Gleichstellungsbericht und das Thema geschlechtergerechte Gestaltung der Digitalisierung. Nicht zuletzt informieren wir Sie über die neusten Veröffentlichungen zum Gutachten bzw. zum Gleichstellungsbericht, Vorträge der Sachverständigen und einschlägige Veranstaltungen. Der Newsletter, der ab jetzt in einem monatlichen Rhythmus erscheinen wird, enthält zudem Illustrationen von Ka Schmitz und Imke Schmidt-Sári.

Wir hoffen, Sie finden ihn ansprechend und wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Inhalt dieser Ausgabe

Aktuelles:  Kabinettsbeschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht steht bevor | Illustrierte Broschüre „Das Gutachten in Kürze“ | Veröffentlichung „101 Handlungsempfehlungen“

Einblick in das Gutachten: Digitalisierung als Gelegenheitsfenster | Interview: Drei Fragen an Prof. Dr. Yollu-Tok | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Aktuelles

Kabinettsbeschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht steht bevor

Nachdem das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht im Januar an das BMFSFJ übergeben wurde, hat die Bundesregierung mit allen Ressorts eine Stellungnahme zum Gutachten erarbeitet. Das Gutachten sowie diese Stellungnahme inklusive einer Bilanzierung des vorhergehenden Zweiten Gleichstellungsberichts werden gemeinsam den Dritten Gleichstellungsbericht darstellen. Der Beschluss zum Dritten Gleichstellungsbericht im Bundeskabinett wird in Kürze erwartet. Wir werden darüber vermutlich bereits im nächsten Newsletter berichten können. (Auf unserer Homepage finden Sie Hintergrundinformationen zu Abläufen und Bestandteilen der Gleichstellungsberichte.)

Neue illustrierte Broschüre: „Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht in Kürze“

Frisch aus der Druckerei kommt die Broschüre „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten. Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung in Kürze“. Die Broschüre informiert eingängig über die zentralen Inhalte und Handlungsempfehlungen des Gutachtens. Illustriert wurde sie von Ka Schmitz und Imke Schmidt-Sári; einen ersten Eindruck der Illustrationen finden Sie weiter unten im Newsletter. Die Broschüre steht als PDF-Version zum Download zur Verfügung und kann in der Printversion bei der Geschäftsstelle per Email kostenlos bestellt werden.

Zusammenstellung der 101 Handlungsempfehlungen des Gutachtens

Eine weitere neue Veröffentlichung findet sich auf der Homepage: Das Dokument „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten: 101 Handlungsempfehlungen“ stellt die Handlungsempfehlungen aus dem Gutachten zusammen.

Einblick in das Gutachten

Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für die Gleichstellung

Geschlechtergerechte Digitalisierung: Zugang, Nutzung, Gestaltung

Die interdisziplinäre Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht hat die Digitalisierung aus einer soziotechnischen Perspektive unter die Lupe genommen. Der soziotechnische Ansatz macht sichtbar, dass sich Digitalisierung in einem gesellschaftlichen Kontext abspielt. Zu diesem Kontext gehören auch Geschlechterverhältnisse, die sich auf den Zugang zu digitaler Technologie, die Art und Möglichkeit ihrer Nutzung und ihre Gestaltung auswirken. So führen beispielsweise durch Stereotype geprägte Unternehmenskulturen oder schlechte Bedingungen für die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit mit der Sorge für Kinder oder andere Angehörige dazu, dass Frauen schlechter Zugang in die Digitalbranche finden. Zudem bleiben sie häufig nicht lange in der Branche und können so die Möglichkeiten eines solchen Arbeitsplatzes nicht nutzen. In der Gestaltung von Software spiegeln sich Geschlechterverhältnisse in Beispielen wie diesen wider: Ein Künstliche-Intelligenz-Chatbot, der mit Hilfe von Spracherzeugungswerkzeugen wie Googles GPT-3 philosophische Texte erstellen soll, produzierte auf Basis des aus dem Netz gelernten frauenfeindliche und rassistische Ausfälle.

Wer schon einmal etwas aus einer Fremdsprache übersetzt hat, weiß, dass Wörter nur in ihrem Kontext Sinn ergeben. Übersetzung bedeutet dabei immer auch eine Interpretation des Kontexts. Ähnlich verhält es sich mit der Digitalisierung, d. h. der mathematischen Übersetzung der Welt in Daten und Algorithmen. Fehlt dieser Kontext, passiert es, dass technologische Anwendungen am gesellschaftlichen Bedarf vorbei eingeführt werden oder ihn sogar konterkarieren. In Bezug auf Gleichstellung bedeutet dies: Ebenso wie die Gesellschaft durch Geschlechterverhältnisse geprägt ist, ist auch die Digitalisierung durch Geschlechterverhältnisse geprägt. Technik und auch der Prozess der Digitalisierung sind also nicht (geschlechts-)neutral.

Die Digitalisierung öffnet ein Gelegenheitsfenster, um herrschende Geschlechterverhältnisse sichtbar zu machen, Rollenzuschreibungen zu hinterfragen und Machtverhältnisse neu zu verhandeln. Vor diesem Hintergrund reflektiert das Gutachten die geschlechtsbezogenen Auswirkungen der Digitalisierung in unterschiedlichen Bereichen: der Digitalbranche, der digitalen und digitalisierten Wirtschaft sowie der Gesellschaft. Inwieweit die Gleichstellung der Geschlechter im Zuge der technologischen Veränderungen zunimmt oder abnimmt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen der digitalen Transformation und deren Gestaltung ab. Das Gutachten zeigt hier mit 101 Handlungsempfehlungen für eine geschlechtergerechte Gestaltung der Transformation zahlreiche Handlungsoptionen auf.

3 Fragen an: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok

Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok ist Professorin für Volkswirtschaftslehre sowie Direktorin des Harriet Taylor Mill-Instituts für Ökonomie und Geschlechterforschung an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Als Vorsitzende der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht hat sie das Gutachten entscheidend mitgeprägt.

Die Kommission der Sachverständigen für das Gutachten war interdisziplinär aufgestellt. Was war das spannendste, das Sie von Ihren Kolleg*innen bezüglich Technik und Geschlecht lernen konnten?

Aysel Yollu-Tok: Die Arbeit in der Kommission hat meine Sicht auf digitale Technologien grundsätzlich verändert. Viele technische Entwicklungen kommen oft als das Ergebnis einer neutralen Wissenschaft daher. Wenn die Entwickler*innen von Technik nur sich selbst als Maß aller Dinge nehmen, wird Technik von weißen Männern mittleren Alters hauptsächlich für weiße Männer mittleren Alters passend sein. Das ist nicht neu. Wir kennen alle Beispiele aus unserem Alltag, etwa Herzmedikamente, die für Frauenköper ungeeignet sind, weil sie nur an Männern getestet wurden.

Neu ist, dass durch die datengetriebene Digitalisierung diese Verzerrungseffekte eine neue Dimension bekommen. Es ist nun möglich, unterschiedliche Informationen aus unterschiedlichen Quellen schnell, einfach und preiswert zu verknüpfen. Nur die wenigsten hinterfragen die Genese dieser Daten und durch den Einsatz algorithmischer Systeme wird der Berechnungsprozess zusätzlich verschleiert. So können Geschlechterstereotype und beispielsweise Rassismus fortgeschrieben werden.

Können Sie diesen Zusammenhang von Digitalisierung und Geschlecht an einem Beispiel veranschaulichen?

Aysel Yollu-Tok: In den knapp 200 Seiten unseres Gutachtens finden Sie viele Beispiele und nahezu täglich schreibt das Leben neue. So auch im Herbst 2020, mitten in der Corona-Pandemie. Wie alle habe ich auf die gute Nachricht gewartet, dass endlich ein Impfstoff zum Schutz vor Covid-19 entwickelt wurde. Dann ist dem Forscherpaar Özlem Türeci und Uğur Şahin mit dem Mainzer Unternehmen BioNTech und dem Pharmakonzern Pfizer der Durchbruch gelungen. Alle Medien haben sofort über Uğur Şahin berichtet, den Vorstandsvorsitzenden von BioNTech –  aber wenig über Özlem Türeci, die Leiterin der Abteilung für Klinische Entwicklung in der Firma. Hintergrund war vermutlich eine eilige Internetrecherche. Denn der Algorithmus der größten Suchmaschine in Deutschland benannte die Funktion von Uğur Şahin völlig korrekt, während Özlem Türeci lediglich als seine Ehefrau ausgewiesen wurde. Auch wenn niemand absichtlich die Leistung dieser Forscherin unsichtbar machen wollte, tragen sogenannte „lernende Algorithmen“ Stereotype weiter und beeinflussen unsere Sicht auf die Welt. Das ist vielen nicht bewusst.

Die Sachverständigenkommission spricht von der Digitalisierung als Gelegenheitsfenster für die Gleichstellung? Können Sie dazu ein Beispiel benennen?

Aysel Yollu-Tok: Ein Beispiel? Ich könnte gleich 101 Beispiele nennen. So viele Handlungsempfehlungen haben wir nämlich in unserem Gutachten formuliert. Sie alle zielen auf die wesentlichen Voraussetzungen, um die Digitalisierung geschlechtergerecht zu gestalten: der Zugang zu relevanten Ressourcen, die Nutzung digitaler Technologie und die Gestaltung der Technik und des digitalen Transformationsprozesses. Wenn in diesen drei Bereichen geschlechtergerecht gedacht und gehandelt wird, öffnet die Digitalisierung tatsächlich ein Gelegenheitsfenster, für mehr Gleichstellung in unserer Gesellschaft. Denn inwieweit diese im Zuge der technologischen Veränderungen zunimmt oder abnimmt, hängt entscheidend von den Rahmenbedingungen der digitalen Transformation und der Gestaltung des Transformationsprozesses ab. Wir möchten mit unserem Gutachten Anstöße für gute Rahmenbedingungen geben und Menschen ermutigen, sich am Gestaltungsprozess der Digitalisierung aktiv zu beteiligen.

Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)

Lesen :

netzforma e.V. – Verein für feministische Netzpolitik: Wenn KI, dann feministisch: Impulse aus Wissenschaft und Aktivismus, Berlin 2020.

Will Douglas Heaven: How to make a chatbot that isn’t racist or sexist, MIT Technology Review, 23.10.2020.

Sehen:

Coded Bias – Vorprogrammierte Diskriminierung, Dokumentarfilm von Shalini Kantayya, USA 2020. Abrufbar auf Netflix (kostenpflichtig)

PICTURE A SCIENTIST – Frauen der Wissenschaft, Dokumentarfilm von Ian Cheney und Sharon Shattuck, USA 2020. Abrufbar im Online-Kino  (kostenpflichtig)

Hören:

„Rolle Rückwärts“-Podcast, Folge „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ mit Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok, Podcast der Arbeitnehmerkammer Bremen und der Bremische Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF), Abrufbar auf der Seite der Arbeitnehmerkammer.

Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission

Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen

Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Veranstaltung vor. Einen Überblick zu Formaten und Inhalten bekommen Sie im Folgenden. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.

08.03.2021: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender diskutierten im Bundespräsidialamt mit KI-Expertinnen, Gründerinnen und Politikerinnen. Einen Videomitschnitt finden Sie hier.

Am selben Tag stellte die Sachverständige Dr. Caroline Richter bei dem Webinar „Digitalisierung braucht mehr Frauen!“ (zum Nachschauen) das Gutachten vor und diskutierte mit der MdEP und Mitinitiatorin des EU Digital Manifesto Alexandra Geese sowie MdB und Mitgründerin von SheTransformsIT  Dr. Anna Christmann.

17.03.2021: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok sprach bei einem Side Event des Europarats bei der 65. Sitzung der UN Commission on the Status of Women (CSW) unter dem Titel „Digital Gender Gaps & Opportunities“ zu gleichberechtigter Teilhabe und Gewalt gegen Frauen im digitalen Zeitalter. Ein Video der Veranstaltung kann online angesehen werden.

03.05.2021: Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok hielt einen Impulsvortrag zum Gutachten bei dem KI Kongress „Frauen* und Künstliche Intelligenz – Geschlechterpolitische Veränderungen durch neue Technologien“ der EAF Berlin und Erfolgsfaktor FRAU e.V. Eine ausführliche Dokumentation des Kongresses ist geplant, aktuell steht bereits eine Zusammenfassung einiger Highlights online.

09.06.2021: Das ver.di GPB Online-Seminar „Digitalisierung der Arbeitswelt geschlechtergerecht gestalten“ zum Dritten Gleichstellungsbericht wird von der Geschäftsstelle durchgeführt. Diese Veranstaltung ist ausgebucht.

 

Mit besten Grüßen

Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht

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Expertinnen stützen die Position der Sachverständigenkommission, ein individuelles Recht auf Mobiles Arbeiten zu etablieren

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales diskutierte am 3. Mai im Bundestag im Rahmen einer öffentlichen Anhörung das Thema Homeoffice.

Dr. Elke Ahlers und Dr. Yvonne Lott (WSI) sowie Dr. Johanna Wenckebach (HSI) erörterten im Ausschuss, warum es ein Recht auf Homeoffice braucht. Laut den Expertinnen ist ein Rechtsanspruch nötig, um positive Effekte des Mobilen Arbeitens, z. B. für die Vereinbarkeit verschiedener Lebensbereiche, zu erzielen und Karrierenachteile bei Inanspruchnahme von Homeoffice abzubauen. Zur konkreten Ausgestaltung dieses Rechts berufen sich die Expertinnen auch auf die Positionierung der Sachverständigenkommission zum Mobilen Arbeiten vom 19.10.2020.

Dr. Johanna Wenckebach fordert einen gesetzlich geregelten, individuellen Anspruch auf Mobiles Arbeiten. So würde Mobiles Arbeiten auch Beschäftigten in weniger guten Verhandlungspositionen zugänglich gemacht werden und hätte das Potential die Präsenzkultur in Betrieben zu verändern. „Ein Recht geltend zu machen, das ihnen gesetzlich zusteht, ermutigt auch Beschäftigte, die ihre Handlungsposition schlecht einschätzen oder zurückhaltend sind, eigene Bedarfe anzubringen“ so die Juristin in ihrer Stellungnahme.

Zur Konkretisierung des Anspruchs der Arbeitnehmer*innen verweist Wenckebach auf den Vorschlag der Sachverständigenkommission. Dieser beinhaltet u. a., dass es für Arbeitnehmer*innen eindeutige Kriterien geben sollte, um zu überprüfen, ob ein Anspruch auf Mobiles Arbeiten besteht. Mögliche Ablehnungsgründe sollten im Gesetz explizit genannt werden. „Sinnvoll sei es, analog zur Elternzeit für die Ablehnung dringende betriebliche Gründe zu verlangen, wenn der Wunsch nach mobiler Arbeit einerseits aus dringenden Gründen herrührt. Diesen Vorschlag macht die Kommission Dritten Gleichstellungsbericht in ihrer Stellungnahme (dort S. 6) und verweist auf Sorgepflichten gegenüber Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen. In diesem Fall müssten Beschäftigte offenlegen, warum sie mobile Arbeit beantragen, um den stärkeren Rechtsanspruch zu erhalten“, so Wenckebach.

Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 30.04.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir bereiten derzeit einen neuen regelmäßigen Newsletter zum Dritten Gleichstellungsbericht vor. Dieser wird Ihnen mit Übergabe des Gutachtens an das Kabinett und der damit einhergehenden Stellungnahme der Bundesregierung erstmals zugehen. Damit erhalten Sie dann monatlich einen kompakten Einblick in die Themen des Gleichstellungsberichts und alle weiteren Entwicklungen.

Aktuell möchten wir jedoch die Chance nicht verpassen, Ihnen die Expertise Covid-19, Gender und Digitalisierung von Dr. Nicole Shepard vorzustellen. Die Expertise wurde von der Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht in Auftrag gegeben, um die aktuellen, durch Covid-19 bedingten Veränderungen im Bereich Gleichstellung und Digitalisierung in den Blick zunehmen.

Neue Expertise veröffentlicht

Dr. Nicole Shephard analysiert die Themenfelder des Gutachtens an der Schnittstelle zwischen Covid-19, Gender und Digitalisierung aus einer intersektionalen Perspektive und informiert über blinde Flecken der Pandemie. Dazu führte sie zwischen Januar und Februar 2021 eine Literaturrecherche durch. Neben dem wachsenden Bestand an wissenschaftlichen Veröffentlichungen berücksichtigte sie dabei auch graue Literatur und Medienberichte.

Die Expertise zeigt, dass Schnittstellen zwischen Covid-19, Gender und Digitalisierung in der Forschung und im öffentlichen Diskurs bislang selten thematisiert werden. Obwohl Covid-19 die erste Pandemie der digitalisierten Gesellschaft ist, stehen interdisziplinäre wissenschaftliche Arbeiten, die das Zusammenspiel der drei Aspekte beleuchten, größtenteils noch aus.

Die Expertise können Sie auf unserer Website runterladen.

  • Shephard, Nicole (2021): „Covid-19, Gender und Digitalisierung“

Aktuelles

Außerdem weisen wir Sie auf eine neue Rubrik auf der Homepage des Dritten Gleichstellungsberichts hin. Unter „Aktuelles“ finden Sie von nun an die Reaktionen zum Gutachten. Hier sind die stichhaltigsten Pressemeldungen, Artikel und Rückmeldungen aus Zivilgesellschaft, Politik und Medien zum Gutachten gesammelt. So nimmt z.B. der deutsche Juristinnenbund auf die Empfehlungen des Gutachtens zur Bekämpfung digitaler Gewalt Bezug. Auch die Gesellschaft für Informatik hat eine Stellungnahme zum Gutachten veröffentlicht.

Die Sachverständigen und die Mitarbeiter*innen der Geschäftsstelle haben das Gutachten in den vergangenen Monaten bereits vielfach vorgestellt. Sie können sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Mail an uns wenden.

 

Wir freuen uns darauf, dass wir Sie bald mit weiteren Neuigkeiten und Überraschungen auf dem Laufenden halten können und wünschen bis dahin alles Gute.

 

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

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Newsletter der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 26.01.2021

Übergabe des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Heute hat die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ihr Gutachten „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ an die Bundesgleichstellungsministerin Franziska Giffey übergeben.

„Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“ lautete der Berichtsauftrag der Bundesregierung. Die Sachverständigenkommission hat daraufhin in ihrem Gutachten für die Digitalisierung relevante Bereiche ausdifferenziert  die Digitalbranche, die digitale Wirtschaft, die digitalisierte Wirtschaft und die Digitalisierung der Gesellschaft  und diese bearbeitet.

Die Digitalisierung öffnet ein Gelegenheitsfenster“, so die Vorsitzende der Sachverständigenkommission, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok bei der Übergabe des Gutachtens: „In diesem scheinbar rein technischen Prozess können und müssen wir herrschende Geschlechterverhältnisse sichtbar machen, Geschlechterstereotype hinterfragen und Machtverhältnisse neu verhandeln. Denn ob wir mit der Gleichstellung der Geschlechter vorankommen oder zurückfallen, hängt von den Rahmenbedingungen und der Gestaltung der digitalen Transformation ab.“

Die Sachverständigenkommission spricht sich für eine soziotechnische Perspektive auf Digitalisierung aus. Dies bedeutet, den Einsatz automatisierter Prozesse in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, zu beurteilen und aktiv zu gestalten. „In unserem Gutachten formulieren wir 101 Handlungsempfehlungen, um die Verwirklichungschancen im Zuge der Digitalisierung für alle zu stärken – unabhängig vom Geschlecht“, so Yollu-Tok. „Dafür müssen die Rahmenbedingungen der Digitalisierung gestaltet werden. Das hat auch Konsequenzen für die Gleichstellungspolitik, denn wo neue Barrieren und Herausforderungen entstehen, müssen Ziele, Regelungen, Strukturen, und Instrumente angepasst werden.“

Mit der Übergabe ist das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht auf der Seite der Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht abrufbar.

Bei Interesse  ist es auch möglich, ein Printexemplar zu bestellen; bitte schreiben Sie dafür eine Email an gleichstellungsbericht@iss-ffm.de.

Das BMFSFJ wird nun die Ressortabstimmung zur Stellungnahme der Bundesregierung einleiten und dann das Gutachten einschließlich der Stellungnahme voraussichtlich im Mai dem Kabinett vorlegen. (Auf der Homepage finden sie mehr Informationen zu den Hintergründen der Gleichstellungsberichte).

Hintergrund: Schwerpunkte des Gutachtens

  • In der Digitalbranche– bzw. Informations- und Kommunikationsbranche, in der die für die Digitalisierung zentralen digitalen Technologien entwickelt und gestaltet werden, geht es etwa um Methoden der Gestaltung von Technik, um die Arbeits- und Organisationskultur sowie die finanziellen Rahmenbedingungen für Gründungen in dieser Branche.  Die Sachverständigenkommission spricht sich hier zum einen für eine gleichstellungsorientierte Veränderung der Technikgestaltung und der in der Digitalbranche herrschenden Arbeits- und Organisationskultur aus. Zum anderen empfiehlt sie, technologische Innovationen als gestaltbare und gestaltungsbedürftige soziotechnische Innovationen zu verstehen. Damit würden auch weibliche Gründungsaktivitäten sichtbarer und das stereotype Bild des männlichen Unternehmers weniger präsent werden.

 

  • Die Digitale Wirtschaft meint jene wirtschaftlichen Aktivitäten, in denen die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Zentrum steht – beispielsweise die Plattformökonomie. Im Fokus sind hier die geschlechtsbezogenen Auswirkungen der Vermittlung von Arbeit über Plattformen.  Diese neue – meist atypische – Form der Arbeit verspricht etwa im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit Chancen, birgt aber auch gleichstellungsrelevante Risiken. Solange insbesondere der rechtliche Status der Plattformarbeitenden nicht geklärt ist – so eine der Kernbotschaften des Gutachtens – kann Plattformarbeit insbesondere für Frauen zu einer Sackgasse im Lebensverlauf führen. Und solange die über Plattformarbeit erworbene Erfahrung und Kompetenz nicht sichtbar ist, schafft diese Form der Arbeit keine Übergangserleichterungen im Lebensverlauf.

 

  • Im Bereich der Digitalisierten Wirtschaft, in der IKT-Technologien zur Unterstützung bestehender Geschäfts- und Arbeitsprozesse genutzt werden, beschreibt das Gutachten die daraus resultierenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einschließlich der dafür notwendigen Qualifikationen. Hier werden sich die bestehenden geschlechtsbezogenen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt oder im Bereich der Weiterbildung nicht „automatisch“ im Zuge der Digitalisierung auflösen. Mit entsprechenden Rahmenbedingungen hat die Digitalisierung aber durchaus das Potenzial, Gleichstellungszielen näherzukommen. Daher muss Mobile Arbeit beispielsweise gesetzlich verankert und u.a. durch Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zum Datenschutz und zum Schutz vor Diskriminierung flankiert werden. Auch der Einsatz algorithmischer Systeme in Personalauswahlprozessen muss aufgrund der Risiken, u.a. im Hinblick auf Diskriminierungen, kritisch begleitet und eng begrenzt werden.

 

  • Nicht zuletzt durchdringen digitale Technologien das ganze gesellschaftliche Leben (Digitalisierung der Gesellschaft). Dies erleichtert, verschiedene Lebensbereiche miteinander zu verbinden und zu gestalten, führt aber auch zu gleichstellungsrelevanten Risiken. Die Sachverständigenkommission zeigt hier auf, wie bestehende Probleme im Kontext der Digitalisierung eine neue Qualität erlangen können, auf die reagiert werden muss. Beispiele sind Stereotype in Sozialen Medien sowie geschlechtsbezogene digitale Gewalt. Auch aufgrund der zunehmenden Nutzung von Daten durch den Staat oder private Unternehmen, besteht die Gefahr, dass Verwirklichungschancen beschnitten werden. Hier ist der Staat gefordert, ausreichenden Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und IT-Sicherheit zu gewährleisten.

 

Die im Gutachten thematisierten Problemlagen und Handlungsempfehlungen zur Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft werfen zudem die Frage nach gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten auf, die eine gleichstellungsorientierte Digitalisierung befördern oder gewährleisten können. Die Sachverständigenkommission knüpft dabei an bestehende gleichstellungspolitische Instrumente und Strukturen an und konkretisiert diese für eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der Digitalisierung.

 

Wir wünschen Ihnen eine angenehme, erkenntnisreiche Lektüre.

 

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

 

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Übergabe des Gutachtens für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung: „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“

Heute hat die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht der Bundesregierung ihr Gutachten „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ an die Bundesgleichstellungsministerin Franziska Giffey übergeben.

„Welche Weichenstellungen sind erforderlich, um die Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft so zu gestalten, dass Frauen und Männer gleiche Verwirklichungschancen haben?“ lautete der Berichtsauftrag der Bundesregierung. Die Sachverständigenkommission hat daraufhin in ihrem Gutachten für die Digitalisierung relevante Bereiche ausdifferenziert  die Digitalbranche, die digitale Wirtschaft, die digitalisierte Wirtschaft und die Digitalisierung der Gesellschaft  und diese bearbeitet.

Die Digitalisierung öffnet ein Gelegenheitsfenster“, so die Vorsitzende der Sachverständigenkommission, Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok bei der Übergabe des Gutachtens: „In diesem scheinbar rein technischen Prozess können und müssen wir herrschende Geschlechterverhältnisse sichtbar machen, Geschlechterstereotype hinterfragen und Machtverhältnisse neu verhandeln. Denn ob wir mit der Gleichstellung der Geschlechter vorankommen oder zurückfallen, hängt von den Rahmenbedingungen und der Gestaltung der digitalen Transformation ab.“

Die Sachverständigenkommission spricht sich für eine soziotechnische Perspektive auf Digitalisierung aus. Dies bedeutet, den Einsatz automatisierter Prozesse in ihrem jeweiligen gesellschaftlichen Kontext zu betrachten, zu beurteilen und aktiv zu gestalten. „In unserem Gutachten formulieren wir 101 Handlungsempfehlungen, um die Verwirklichungschancen im Zuge der Digitalisierung für alle zu stärken – unabhängig vom Geschlecht“, so Yollu-Tok. „Dafür müssen die Rahmenbedingungen der Digitalisierung gestaltet werden. Das hat auch Konsequenzen für die Gleichstellungspolitik, denn wo neue Barrieren und Herausforderungen entstehen, müssen Ziele, Regelungen, Strukturen, und Instrumente angepasst werden.“

Mit der Übergabe ist das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht auf unserer Webseite unter Veröffentlichungen abrufbar.

Das BMFSFJ wird nun die Ressortabstimmung zur Stellungnahme der Bundesregierung einleiten und dann das Gutachten einschließlich der Stellungnahme voraussichtlich im Mai dem Kabinett vorlegen. (Auf unserer Homepage finden sie mehr Informationen zu den Hintergründen der Gleichstellungsberichte).

 

Hintergrund: Schwerpunkte des Gutachtens

  • In der Digitalbranche– bzw. Informations- und Kommunikationsbranche, in der die für die Digitalisierung zentralen digitalen Technologien entwickelt und gestaltet werden, geht es etwa um Methoden der Gestaltung von Technik, um die Arbeits- und Organisationskultur sowie die finanziellen Rahmenbedingungen für Gründungen in dieser Branche.  Die Sachverständigenkommission spricht sich hier zum einen für eine gleichstellungsorientierte Veränderung der Technikgestaltung und der in der Digitalbranche herrschenden Arbeits- und Organisationskultur aus. Zum anderen empfiehlt sie, technologische Innovationen als gestaltbare und gestaltungsbedürftige soziotechnische Innovationen zu verstehen. Damit würden auch weibliche Gründungsaktivitäten sichtbarer und das stereotype Bild des männlichen Unternehmers weniger präsent werden.

 

  • Die Digitale Wirtschaft meint jene wirtschaftlichen Aktivitäten, in denen die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien im Zentrum steht – beispielsweise die Plattformökonomie. Im Fokus sind hier die geschlechtsbezogenen Auswirkungen der Vermittlung von Arbeit über Plattformen.  Diese neue – meist atypische – Form der Arbeit verspricht etwa im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit Chancen, birgt aber auch gleichstellungsrelevante Risiken. Solange insbesondere der rechtliche Status der Plattformarbeitenden nicht geklärt ist – so eine der Kernbotschaften des Gutachtens – kann Plattformarbeit insbesondere für Frauen zu einer Sackgasse im Lebensverlauf führen. Und solange die über Plattformarbeit erworbene Erfahrung und Kompetenz nicht sichtbar ist, schafft diese Form der Arbeit keine Übergangserleichterungen im Lebensverlauf.

 

  • Im Bereich der Digitalisierten Wirtschaft, in der IKT-Technologien zur Unterstützung bestehender Geschäfts- und Arbeitsprozesse genutzt werden, beschreibt das Gutachten die daraus resultierenden Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt einschließlich der dafür notwendigen Qualifikationen. Hier werden sich die bestehenden geschlechtsbezogenen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt oder im Bereich der Weiterbildung nicht „automatisch“ im Zuge der Digitalisierung auflösen. Mit entsprechenden Rahmenbedingungen hat die Digitalisierung aber durchaus das Potenzial, Gleichstellungszielen näherzukommen. Daher muss Mobile Arbeit beispielsweise gesetzlich verankert und u.a. durch Regelungen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz, zum Datenschutz und zum Schutz vor Diskriminierung flankiert werden. Auch der Einsatz algorithmischer Systeme in Personalauswahlprozessen muss aufgrund der Risiken, u.a. im Hinblick auf Diskriminierungen, kritisch begleitet und eng begrenzt werden.

 

  • Nicht zuletzt durchdringen digitale Technologien das ganze gesellschaftliche Leben (Digitalisierung der Gesellschaft). Dies erleichtert, verschiedene Lebensbereiche miteinander zu verbinden und zu gestalten, führt aber auch zu gleichstellungsrelevanten Risiken. Die Sachverständigenkommission zeigt hier auf, wie bestehende Probleme im Kontext der Digitalisierung eine neue Qualität erlangen können, auf die reagiert werden muss. Beispiele sind Stereotype in Sozialen Medien sowie geschlechtsbezogene digitale Gewalt. Auch aufgrund der zunehmenden Nutzung von Daten durch den Staat oder private Unternehmen, besteht die Gefahr, dass Verwirklichungschancen beschnitten werden. Hier ist der Staat gefordert, ausreichenden Datenschutz, informationelle Selbstbestimmung und IT-Sicherheit zu gewährleisten.

 

Die im Gutachten thematisierten Problemlagen und Handlungsempfehlungen zur Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft werfen zudem die Frage nach gleichstellungspolitischen Strukturen und Instrumenten auf, die eine gleichstellungsorientierte Digitalisierung befördern oder gewährleisten können. Die Sachverständigenkommission knüpft dabei an bestehende gleichstellungspolitische Instrumente und Strukturen an und konkretisiert diese für eine gleichstellungsorientierte Gestaltung der Digitalisierung.

Newsletter der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 20.01.2021

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir hoffen, dass Sie einen – trotz allem – gelungenen Jahresbeginn hatten. Wir möchten uns mit einer Ankündigung zum Dritten Gleichstellungsbericht melden:

Das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht befindet sich zurzeit in den allerletzten Schritten von Layout und Druck. Nächste Woche Dienstag, am 26.1., wird die Vorsitzende der Sachverständigenkommission Prof. Dr. Aysel Yollu-Tok das Gutachten an Gleichstellungsministerin Franziska Giffey übergeben. Zugleich wird das Gutachten am 26.1. mittags auf der Homepage https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/ veröffentlicht werden.

Auch bis dahin gibt es auf der Homepage weitere neue Inhalte zu lesen. Falls Sie sich beispielsweise fragen, was der Unterschied von „Gutachten“ und „Gleichstellungsbericht“ ist, möchten wir auf einen erläuternden Text mit Informationen zu Hintergrund, Bestandteilen und Abläufen der Gleichstellungsberichte hinweisen: „Was sind Gleichstellungsberichte?“

Zudem sind auf der Homepage nun die Expertisen und die Dokumentationen der Hearings komplett zu finden; zuletzt wurden die folgenden noch verbliebenen Expertisen und eine Dokumentation veröffentlicht.

Expertisen

Dokumentationen

Wir wünschen Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre und freuen uns, wenn das nächste Woche erscheinende Gutachten Ihr Interesse findet.

 

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Hier können Sie unseren Newsletter abonnieren/abbestellen: https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/59.newsletter.html

Wenn Sie uns auf Twitter unter @gleichgerecht folgen, erfahren Sie noch direkter Neuigkeiten rund um den Dritten Gleichstellungsbericht.

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Newsletter der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, Dezember 2020

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

wir blicken auf ein arbeitsreiches Jahr zurück, in dem viele Menschen die Chancen, aber auch die Herausforderungen der Digitalisierung erlebt haben. Auch die Sachverständigen und die Geschäftsstelle haben die Arbeit am Gutachten hauptsächlich im Homeoffice und über Videokonferenzen fortgesetzt und waren dabei zum Teil über Ländergrenzen hinweg digital verbunden.

Dennoch konnten wir das Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht weitgehend fertigstellen. Anfang Dezember hat sich die Sachverständigenkommission ein letztes Mal für eine Redaktionssitzung im virtuellen Raum getroffen. Wir freuen uns, dass das Gutachten nun im Lektorat ist. Ende Januar 2021 wird es Bundesministerin, Franziska Giffey, übergeben und auf der Website des Dritten Gleichstellungsberichts veröffentlicht.

Bis dahin haben Sie die Möglichkeit in unsere neuen Veröffentlichungen zu schauen.  Seit dem letzten Newsletter im Sommer haben wir eine Reihe von Expertisen und Dokumentationen veröffentlicht, mit spannenden Erkenntnisse zu aktuellen Themen aus dem Bereich Gleichstellung und Digitalisierung: beispielsweise die Expertisen zu „Geschlecht und Gewalt im digitalen Raum“, zu „Geschlechterstereotypen und Sozialen Medien“ oder die Veröffentlichungen zu Geschlechteraspekten der Plattformarbeit. Zudem hat die Sachverständigenkommission im Oktober aus aktuellem Anlass eine Positionierung zum Rechtsanspruch auf Mobiles Arbeiten veröffentlicht.

Alle Publikationen stehen Ihnen auf unserer Website zum Download zur Verfügung: https://www.dritter-gleichstellungsbericht.de/de/topic/61.veroeffentlichungen.html

Expertisen/ Studien

Dokumentationen

 

Wenn Sie uns auf Twitter unter @gleichgerecht [ https://twitter.com/gleichgerecht ] folgen, erfahren Sie auch direkt von Neuigkeiten rund um den Dritten Gleichstellungsbericht.

Wir wünschen Ihnen eine gute und erholsame Zeit zum Jahreswechsel und freuen uns darauf, das neue Jahr mit der Veröffentlichung des Gutachtens zum Dritten Gleichstellungsberichts zu beginnen.

Ihre Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht

 

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Newsletter der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, August 2020

Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,

Die Arbeit am Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht ist in den letzten Monaten weiter vorangeschritten. Die Corona-Pandemie erschwert selbstverständlich die Rahmenbedingungen für Sachverständigenkommission und Geschäftsstelle und erforderte Einiges an Umorganisation: Arbeitssitzungen und Hearings wurden per Videokonferenz abgehalten, die Arbeit fand und findet überwiegend im Home-Office statt. Und auch die Sachverständigen und die Geschäftsstelle müssen mit den Herausforderungen der Veränderungen, etwa an die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Homeoffice oder der Umstellung auf digitale Lehre umgehen. Gleichzeitig zeigt gerade die Corona-Krise einmal mehr, wie wichtig Gleichstellung ist, einschließlich einer gleichstellungsorientierten Gestaltung der Digitalisierung.

Das Gutachten, dessen Schwerpunkt dieses Thema ist, nimmt in intensiven virtuellen Arbeitssitzungen weiter Form an. Derzeit diskutieren die Sachverständigen Kapitelentwürfe. Dabei fließen Inhalte der 17 Expertisen ein, die die Sachverständigenkommission in Auftrag gegeben hat, und die Erkenntnisse aus den fünf Hearings, die in den letzten Monaten stattgefunden haben.

Expertisen

Die Expertisen unterstützen die Arbeit der Kommission beispielsweise durch eigene empirische Untersuchungen, rechtliche Analysen oder durch die Aufarbeitung des Wissensstandes in einem bestimmten Gebiet. Beim Ersten und beim Zweiten Gleichstellungsbericht sind die Expertisen erst nach Abschluss des Gutachtens veröffentlicht worden. Die Sachverständigenkommission für den Dritten Gleichstellungsbericht möchte den Prozess der Gutachtenerstellung aktiv transparent gestalten und hat daher beschlossen, die Expertisen so bald wie möglich bereits während der Gutachtenerstellung zu veröffentlichen. Bislang sind schon sieben Expertisen veröffentlicht, die Sie auf der Homepage finden:

Dokumentationen der Hearings

Auch Dokumentationen der Hearings werden ebenfalls auf der Homepage veröffentlicht. Sie finden dort bereits die Dokumentation des Hearings „Unternehmenskultur, neue Arbeitskonzepte und Stereotype in der Digitalwirtschaft“.

Twitter

Die Veröffentlichung jeder weiteren Expertise und Dokumentation wird jeweils auf Twitter begleitet – wenn Sie uns unter @gleichgerecht folgen, erfahren Sie direkt von den jüngsten Veröffentlichungen.

Zeitstrahl

Eine Übersicht über die Arbeitsschritte und Meilensteine der Gutachtenerstellung können Sie auf unserer Webseite in Form eines Zeitstrahls einsehen.

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