Neues aus der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht, 10.01.2022
Sehr geehrte Interessierte am Dritten Gleichstellungsbericht,
wir wünschen Ihnen allen ein hoffnungsvolles, frohes und vor allem gesundes Jahr 2022 und hoffen, Sie hatten einen guten Start. Die Geschäftsstelle hat Kraft getankt und widmet sich zu Beginn des Jahres direkt einem weiteren wichtigen Thema: Der geschlechtsbezogenen digitalen Gewalt. Wie immer finden Sie im Newsletter eine kurze Einführung in das entsprechende Kapitel des Gleichstellungsberichts, die von interessanten Einblicken der Juristin Anke Stelkens zum Thema Bekämpfung von Hassrede ergänzt wird. Zudem kündigen wir den thematisch passenden, letzten Roundtable der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ an: Er findet am Mittwoch, 12.01., 16 Uhr statt und wird sich dem Thema digitale Gewalt widmen. Auch das Themenblatt 12 „Digitale Gewalt“ wurde jetzt veröffentlicht und wird zusammen mit dem Themenblatt 13 „Daten und Grundrechte“ in der Rubrik „Aktuelles“ angekündigt. Wie immer weisen wir zuletzt kurz auf einige vergangene und kommende Veranstaltungen hin, an denen wir beteiligt sind oder die anderweitig von Interesse sein könnten.
Wir wünschen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Inhalt dieser Ausgabe
Aktuelles: Neue Themenblätter veröffentlicht | Fünfter Roundtable zum Thema Digitale Gewalt
Einblick in das Gutachten: Geschlechtsbezogene digitale Gewalt | Drei Fragen an Anke Stelkens | Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören)
Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission: Vergangene und kommende Veranstaltungen
Aktuelles
Neue Themenblätter veröffentlicht
- Digitale Gewalt begründet eine neue Qualität geschlechtsbezogener Gewalt. Darum geht es in diesem Newsletter, aber auch im neuen „Themenblatt 12: Digitale Gewalt“. Dort wird erklärt, in welchen unterschiedlichen Formen diese in Erwerbsarbeit und Öffentlichkeit, in Politik und Ehrenamt, im sozialen Nahraum oder im Öffentlichen Raum auftritt. Welche Auswirkungen hat die digitale Gewalt und wie kann sie bekämpft werden? Wer nach dem Newsletter neugierig geworden ist, kann im prägnanten Themenblattformat mehr erfahren.
- Im Themenblatt 13 „Daten und Grundrechte“ geht es um den Zusammenhang zwischen Datenschutz und IT-Sicherheit auf der einen Seite und Diskriminierungsfreiheit auf der anderen Seite. Beides muss zusammengedacht werden, um gleiche Verwirklichungschancen für alle, unabhängig vom Geschlecht, zu gewährleisten. Das Themenblatt stellt die passenden Handlungsempfehlungen der Sachverständigenkommission gebündelt vor.
Roundtables der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“
Am 14. Dezember fand der vierte Roundtable „Gleichstellung in der digitalisierten Arbeitswelt“ der Veranstaltungsreihe „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“ der EAF in Kooperation mit der Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht und dem Harriet-Taylor-Mill-Institut statt. Nach zwei Impulsvorträgen durch die Sachverständige Prof. Dr. Katja Nebe und Maren Heltsche vom Deutschen Frauenrat diskutierten Referentinnen von Gewerkschaft, Wissenschaft und Frauenorganisationen. Mit 48 Teilnehmenden stieß die Veranstaltung auf reges Interesse.
Der letzte Roundtable der Reihe beschäftigt sich mit dem Thema „Geschlechtsbezogene digitale Gewalt“. Am Mittwoch, den 12.01. ab 16:00 Uhr werden die Expertinnen Dr. Regina Frey (Gender-Institut für Gleichstellungsforschung) und Jenny-Kerstin Bauer vom bff (Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe in Deutschland) mit Impulsvorträgen den Anfang machen. Anschließend diskutieren Expert*innen der Hilfeinfrastruktur gegen Gewalt gegen Frauen, der Medien sowie aus Beratungsorganisationen die Frage, wie die Handlungsempfehlungen des Dritten Gleichstellungsberichts konkretisiert werden können.
Wenn Sie an der Roundtable-Veranstaltung teilnehmen möchten, können Sie sich über die Veranstaltungswebsite registrieren. Eine Registrierung genügt für die gesamte Veranstaltungsreihe; falls Sie sich also bereits für das Kick-Off oder frühere Roundtables registriert haben, können Sie sich mit diesen Daten auch für den kommenden Roundtable einloggen.
Einblick in das Gutachten
Geschlechtsbezogene digitale Gewalt
Viele Formen und Instrumente, mit denen geschlechtsbezogene Gewalt heute ausgeübt wird, wurden erst mit der Digitalisierung möglich. Daher kann von einer neuen Qualität geschlechtsbezogener Gewalt gesprochen werden, die neue Herausforderungen mit sich bringt. Ein Phänomen, welches in den letzten Jahren vermehrt sichtbar gemacht und diskutiert wurde, ist die Hassrede (Hate Speech) in Sozialen Medien, der viele Politikerinnen und Aktivist*innen, aber auch Gleichstellungsbeauftragte ausgesetzt sind. Hassrede würdigt Menschen gezielt aufgrund persönlicher Merkmale wie Geschlecht, sexueller Orientierung, Behinderung oder rassistischer Zuschreibungen herab und ist eine Form der geschlechtsbezogenen digitalen Gewalt, die insbesondere in Politik und Ehrenamt häufig auftritt. Digitale Gewalt kann allerdings auch über Hassrede hinaus in verschiedenen Lebensbereichen auftreten: Im sozialen Nahraum werden z.B. im Kontext von Partnerschaftsgewalt die Möglichkeiten zur Überwachung und Kontrolle durch Spy- und Stalkerware erweitert oder es wird damit gedroht, persönliche Daten („Doxing“), Bilder oder Aufnahmen („Revenge Porn“) öffentlich zu machen. Im öffentlichen Raum werden intime Fotos oder Aufnahmen ohne das Wissen und Einverständnis der aufgenommenen Personen gemacht und daraufhin im Internet veröffentlicht oder verkauft (Bsp. „Upskirting“). Im Erwerbsleben sind vor allem Frauen und queere Personen von sexueller Belästigung betroffen. Durch digitale Kommunikationsmittel wie Mailprogramme oder Soziale Medien kann diese in Form von Cyber Harrassment, wie z.B. das Versenden ungewünschter sexueller Inhalte oder Bilder, noch um die digitale Dimension erweitert werden. Journalist*innen oder Influencer*innen, deren Arbeitsbasis digitale Medien sind, sind dabei umso angreifbarer.
Die neue Qualität digitaler Gewalt liegt auch in den Besonderheiten, die ihr durch bestimmte Eigenschaften des Netzes zukommen: Daten sind langlebig („Das Netz vergisst nichts“), leicht replizierbar und (kommerziell) schnell verbreitbar. Raum- und Zeitbarrieren werden durchbrochen. Anonymität und Identitätsdiebstahl erschweren die Verfolgung von Übergriffen, Internationalität und Verschleierungsmöglichkeiten fordern die Regulierung und Rechtsverfolgung heraus. Diese Besonderheiten gilt es bei ihrer Bekämpfung zu berücksichtigen.
Betroffene stehen oft dem Problem gegenüber, dass sowohl bei Beratungsstellen als auch bei der Polizei zu wenig Wissen über die Spezifika digitaler geschlechtsbezogene Gewalt vorhanden ist. Wissen und Kompetenzen in diesem Feld sollten bei Behörden und Beratungsstellen, aber auch in der allgemeinen Öffentlichkeit gestärkt werden. Dafür schlägt die Sachverständigenkommission im Gutachten für den Dritten Gleichstellungsbericht vor, bestehende zivilgesellschaftliche Initiativen nachhaltig zu fördern und auszuweiten. Außerdem sollten die Arbeitsbedingungen der Berater*innen durch Fortbildungs- und Supervisionsmöglichkeiten verbessert werden und der Aufbau entsprechender Kompetenzen und Sensibilität auch bei Mitarbeitenden der Sicherheitsbehörden in Aus-, Fort- und Weiterbildungen integriert werden.
Die neue Regierungskoalition möchte die Istanbul-Konvention „auch im digitalen Raum und mit einer staatlichen Koordinierungsstelle vorbehaltlos und wirksam um[setzen]“ (S. 114), so der Koalitionsvertrag. Um eine gute Wissensbasis für diese Vorhaben zu schaffen, braucht es verlässliche Daten. Der Forschungsbedarf ist groß, denn bislang gibt es keine Prävalenzstudie zu geschlechtsbezogener digitaler Gewalt. Neben der Beauftragung einer solchen Studie empfiehlt die Sachverständigenkommission, messbare Indikatoren für die Erfassung und das Monitoring geschlechtsbezogener digitaler Gewalt zu entwickeln.
Rechtliche Regelungen müssen überprüft und an neue Formen der Gewalt angepasst werden, die den bisherigen Definitionen von z.B. Beleidigungsdelikten oder sexueller Belästigung oft nicht vollkommen entsprechen, da diese die digitale Dimension nicht einschließen.
Diskriminierungssensibilität und insbesondere Gewaltprävention sollten allerdings auch schon in der Technikgestaltung mitgedacht werden (dem Thema Technikgestaltung für eine geschlechtergerechte Digitalisierung war unser Newsletter im Juli 2021 gewidmet). Gewalt- und Überwachungsgefahren (beispielsweise bei „Smart Home“-Technologien) sollten im Entwicklungsprozess identifiziert und Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Gleichzeitig könnten Technologien auch vermehrt zur Bekämpfung von z.B. Hassrede genutzt werden: Die Sachverständigenkommission empfiehlt beispielsweise die Förderung von Forschungsvorhaben zu hybriden oder algorithmengesteuerten Verfahren zur Aufdeckung von Hasskommentaren. Letztendlich müssen hier jedoch vor allem die Anbieter Sozialer Medien selbst rechtlich in die Pflicht genommen werden. Ein Präzedenzfall hierfür könnte die Verurteilung von Twitter zur Zahlung von 6000 Euro Entschädigung an eine Journalistin sein. Im folgenden Interview spricht Anke Stelkens mit uns über weitere Herausforderungen und Ansatzpunkte im Bereich Hassrede.
Drei Fragen an Anke Stelkens

Anke Stelkens
Tipps zum Thema (Lesen, Sehen, Hören, Aktiv werden)
Lesen:
- Das Policy Paper des Deutschen Juristinnenbunds „Das Netz als antifeministische Radikalisierungsmaschine“ (2021) beschreibt die Gefährdungen von Grundrechten und Demokratie, die durch eine antifeministische virtuelle Radikalisierung entstehen, und zeigt verschiedene rechtliche Ansätze auf, diesen Gefährdungen zu begegnen.
- Mit dem Leitfaden „Hass im Netz ist nicht Teil des Jobs“ (2021) gibt die Organisation „Hate Aid“ vor allem Kommunalpolitiker*innen einen Leitfaden zum Umgang mit digitaler Gewalt und Hass im Netz an die Hand. Doch auch anderen können die darin aufgeführten Einordnungen und Ansprechpartner*innen eine Unterstützung sein.
- Der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) hat zusammen mit Prof. Dr. Nivedita Prasad das Buch „Geschlechtsspezifische Gewalt in Zeiten der Digitalisierung – Formen und Interventionsstrategien“ (2021) veröffentlicht. Es ist als Open Access-Publikation auch online verfügbar.
- Vor zwei Tagen hat Margarete Stokowski in einem Essay für den SPIEGEL auf das Thema Hassrede aufmerksam gemacht: „Der Hass wird brandgefährlich, wenn er das Netz verlässt“ zeigt eindringlich, wie ernst das Problem zu nehmen ist und was getan werden sollte, um Hassrede zu bekämpfen.
- Unsere Kolleginnen am ISS von der Beobachtungsstelle für gesellschaftspolitische Entwicklungen veröffentlichen einmal monatlich das „EU-Monitoring“. In der Novemberausgabe wurden dort anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen auch einige Studien zu geschlechtsspezifischer digitaler Gewalt vorgestellt. Wenn Sie das Monitoring regelmäßig erhalten möchten, fragen Sie unter Angabe Ihres Namens und Ihrer Organisation per Mail an.
Sehen:
- Anlässlich der Veröffentlichung des Dritten Gleichstellungsberichts im Juni 2021 hat „ZDFheute live“ dem Thema digitale Gewalt und Hassrede eine Sendung gewidmet: „Frauenfeindlichkeit im Netz“, weiterhin in der ZDF-Mediathek einsehbar.
- Für die ARD-Dokumentation „Hass im Netz“ begleitete Grimme-Preisträger Klaus Scherer ein Jahr lang Strafverfolger, die das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität durchsetzen sollen. Sie kann in der ARD-Mediathek angeschaut werden.
- Im Mitschnitt der Veranstaltung „Demokratie und Gleichstellung. Aus der Krise für die Zukunft lernen: Wo wollen wir 2025 stehen?“ des djb (2021) spricht Anke Stelkens über den Status Quo und den Reformbedarf im rechtlichen Kampf gegen digitale Gewalt.
Hören:
- Selma Gather und Dana Valentiner haben sich im djb-Podcast „Justitias Töchter“ schon mit dem Thema Hate Speech befasst: In der Januar 2021-Folge stellen sie rechtspolitische Forderungen dazu vor.
- In der Podcast Reihe „Games und Politik“ (2020) des Deutschlandfunk geht es in sieben Folgen um die gesellschaftlichen Dimensionen von Gaming. Auch die Themen Gewalt im Allgemeinen und geschlechtsspezifische Gewalt im Spezifischen finden Beachtung. In Folge Sechs wird explizit das Thema Geschlechterbilder und Sexismus in der Gamingszene behandelt.
Aktiv werden:
- Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat die Initiative Marie-Munk ins Leben gerufen. Erstes Ziel der Initiative ist es, einen Entwurf für ein Digitales Gewaltschutzgesetz zu erarbeiten.
- Die Initiative „HateAid“ hat eine Petition mit Forderungen an die EU für ein sicheres Internet ohne Gewalt formuliert.
Eindrücke aus der Arbeit der Geschäftsstelle und der Kommission
Ausgewählte vergangene und kommende Veranstaltungen
Die Sachverständigen und die Geschäftsstelle stellen die Inhalte des Gutachtens bei verschiedensten Konferenzen, Tagungen und Sitzungen vor.
Auf unserer Homepage finden sie einen Überblick über die vergangenen und bisher geplanten Veranstaltungen. Wenn Sie selbst eine Veranstaltung planen, können Sie sich gern mit entsprechenden Anfragen für Vorträge per Email an uns wenden.
- Am 20.01.2022 wird die Geschäftsstellenmitarbeiterin Dr. Mara Kuhl die Ergebnisse des Dritten Gleichstellungsberichts beim Frauenauftakt 2022 des Kreises Herford vorstellen. Anmelden können Sie sich auf der Veranstaltungsseite.
- Am 21./22.01.2022 veranstaltet die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands ein Symposium zum Dritten Gleichstellungsbericht. Prof. Dr. Stephan Höyng wird dort den Bericht vorstellen. Im Veranstaltungsprogramm der kfd (S. 22) finden Sie weitere Informationen.
Ihre Geschäftsstelle für den Dritten Gleichstellungsbericht
Geschäftsstelle Dritter Gleichstellungsbericht der Bundesregierung
Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V.
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